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PROGRAMMATIC - Trends 2023

Viel Potenzial, viele To-dos für neue Programmatic-Kanäle

Karsten Zunke, 5. Januar 2023
Bild: Dave Weatherall – Unsplash

Audio, TV, Kino, Außenwerbung und Print gelten als „New Kids on the Block“ in der Programmatic-Welt. Sie werden sukzessive an den programmatischen Kosmos angeschlossen und wecken hohe Erwartungen in der Werbeindustrie. Doch wo gibt es noch Probleme und wie sind die Zukunftsaussichten? ADZINE hat sich in der Adtech-Branche umgehört, um den aktuellen Entwicklungsstand bei den “neuen Programmatic-Kindern” zu klären und deren Perspektiven für 2023 einzufangen.

Bild: Goldbach Robert Stahl, Goldbach

Die Entwicklung aus Sicht der Mediengattungen wird in zwei Richtungen an Fahrt gewinnen, sagt der Geschäftsführer von Goldbach Germany Robert Stahl: Zum einen werden neue Kanäle erschlossen, hauptsächlich durch den Distributionsweg „Internet“. Damit könne man beispielsweise Connected TV in allen Spielarten optimal mit Werbung bedienen. Zum anderen werden die klassischen Medien wie TV, Radio und Print auch alle Elemente des Programmatic Advertisings etablieren. „Einziger Unterschied wird das Realtime-Element sein, da die Auslieferung hier erst zeitversetzt stattfinden wird. Das ist aber kein No-Go für die programmatische oder in diesem Fall automatische Abwicklung“, erklärt Stahl. Mediengattungen wie Digital-Out-of-Home (DOOH) werden sich seiner Einschätzung zufolge programmatisch weiter vorne etablieren, da die Lern- und Umsetzungsprobleme schon weitestgehend überwunden sind.

Der Zugang zu Daten wird einen entscheidenden Anteil daran haben, neue Kanäle im großen Stil programmatisch buchbar zu machen, meint Robert Stahl. Leider sind sie nicht für alle Marktpartner gleichermaßen verfügbar. Kampagnen über eine Demand-Side-Plattform (DSP) zu buchen allein, ermögliche noch kein Targeting. Doch die internationalen Konzerne werden sich ihm zufolge “natürlich zunächst einmal sehr smart” mit ihren Daten und sich daraus ergebenden Targeting-Möglichkeiten darstellen. “Die Herausforderungen werden also vergleichbare KPIs und deren Verfügbarkeit sein“, sagt der Goldbach-Geschäftsführer.

TV-Zielgruppen effektiver ansprechbar

Insbesondere im TV-Bereich befindet man sich in Aufbruchsstimmung. Hier ist es Connected TV, das immer mehr Werbetreibende anzieht. Dieser Kanal profitiert nicht nur von den digitalen Möglichkeiten, sondern auch von einer geänderten Mediennutzung: Das Zuschauerverhalten verändert sich rasant und die Nutzung des Screens verändert sich in Richtung individueller Präferenzen wie Video-on-Demand (VOD), lineares Streaming oder auch Gaming.

Bild: Samba TV Carsten Schüler, Samba TV

Die Streaming-Plattformen entwickeln sich ständig weiter, Netflix und Disney haben werbefinanzierte Modelle auf den Markt gebracht und andere werden folgen. „Allerdings ist es eine großartige Zeit für TV-Werbetreibende, denn es gibt eine Fülle sehr interessanter Daten, mit denen sich komplexes Zuschauerverhalten aufzeigen, Zielgruppen effektiver ansprechen und Medieninvestitionen optimieren lassen“, sagt Carsten Schüler, Managing Director Germany bei Samba TV. Der TV-Experte sieht den Zugang zu diesen Informationen sowie deren Anwendung auf die Planung und den Einkauf von Medien als eine der wertvollsten Komponenten an. „Programmatic hebt die Dinge auf eine andere Ebene“, sagt Schüler. „Es bietet eine größere Skalierbarkeit und Präzision, und Daten sind der Schlüssel zum Erfolg.“

Obwohl alles darauf hindeutet, dass 2023 aus makroökonomischer Sicht kein einfaches Jahr werden könnte, beobachtet man bei Samba TV nicht, dass sich viele Werbetreibende zurückhalten, vor allem nicht im programmatischen Bereich. „Sicherlich wird die Bedeutung von Daten zunehmen, um Werbetreibenden die Sicherheit zu geben, damit sie mit größerem Vertrauen investieren können“, ist auch Schüler überzeugt. Der Anteil von programmatischen Buchungen und Hyper-Targetings werde in Zukunft steigen, „da Werbetreibende sie als Mittel zur Erzielung von Effizienz und der Reduzierung der Komplexität in großem Umfang nutzen werden.“

Programmatic auch in Arztpraxen erfolgreich

Doch nicht nur im Bewegtbildumfeld auf dem Big Screen im Wohnzimmer ist Programmatic im Kommen. Selbst in Nischen im Bereich DOOH profitieren Anbieter von der Automatisierung des Advertising – so wie TV-Wartezimmer. Das Unternehmen produziert Content zu medizinischen Fachthemen, der auf Bildschirmen in Arztpraxen ausgespielt wird. Diese Inhalte werden nicht vermarktet. Darüber hinaus werden aber auch Inhalte aus Content-Kooperationen – zum Beispiel Sport oder Nachrichten – gezeigt, die mit Werbespots vermarktet werden, entweder klassisch oder programmatisch.

Bild: TV-Wartezimmer Claudius von Soos, TV-Wartezimmer

Die programmatische Einbuchung von Werbespots erlaubt es den Kunden des Anbieters, ihre Kampagnen noch granularer und vor allem in Echtzeit zu optimieren – sei es über den kurzfristigen Wechsel eines Spots oder die geografische Aussteuerung der Kampagne. „Das wurde von unseren Kunden von Anfang an sehr gut angenommen“, sagt Claudius von Soos, Leiter Media Sales & Programmatic Advertising TV-Wartezimmer. Insofern habe Programmatic innerhalb des Vermarktungsangebots einen hohen Stellenwert. „Wir als TV-Wartezimmer haben durch Programmatic viele neue Kunden gewonnen, die wir insbesondere durch die einfache und aus der Online-Welt gelernte Buchungsmechanik überzeugt haben“, sagt von Soos. Mittlerweile generiert das Unternehmen gut ein Drittel seiner Vermarktungsumsätze über Programmatic. „In 2023 wird der Anteil programmatischer Buchungen bei uns und auch im Gesamtmarkt weiter wachsen, ebenso das Gesamt-Income aus Werbung“, prognostiziert von Soos. Eine deutliche Weiterentwicklung erwartet der Experte auch bei dem Thema „Dynamic Creative Optimization“.

Programmatic Audio als Vorreiter im Cookieless Targeting

Die Audio-Werbung entwickelt sich zurzeit ebenfalls rasant weiter. Programmatic eröffnet hier ganz neue Möglichkeiten für die Vermarktung. Seit zum Beispiel RMS Ende 2015 die erste programmatische Audiolösung für Burger King umgesetzt hat, hat der Vermarkter den programmatischen Mediaeinkauf seiner digitalen Inventare kontinuierlich ausgebaut. 2018 hat RMS die erste Audio DMP gelauncht. Stand heute sind bei RMS alle Arten von digitalen Audio-Inventaren programmatisch buchbar – von Podcast, über Simulcast bis hin zu Online Only Streams und User Generated Radio ist alles dabei – und bietet diverse Touchpoints, die andere Gattungen nicht haben.

Bild: Christina Körte Daniela Kursawe, RMS

„Programmatic Audio ist bereits heute Vorreiter im Cookieless Targeting und liefert schon jetzt erprobte Lösungen auf Basis von First-Party-Daten. Durch die Kombination aus Reichweite, Daten und Personalisierung wird Audio auch in einer ‘Cookieless World’ fester Bestandteil digitaler Kampagnen sein“, ist Daniela Kursawe, Teamlead Digital Sales bei RMS, überzeugt. Mit dem Start in der Podcast-Vermarktung im Jahr 2017 hat der Audio-Vermarkter gleich auf die skalierbare, adserverbasierte Ausspielung gesetzt, heute unter dem Begriff Dynamic Ad Insertion (DAI) bekannt. Bei RMS sind Podcastkampagnen auch programmatisch buchbar. Kursawe blickt optimistisch in die Zukunft: „Das Potenzial ist groß, denn die Werbenachfrage in diesem Umfeld wächst.“

Digital Audio bald eigenständig

Yvonne Fritz, Director Business Development Crossplan Deutschland, schätzt die weitere Entwicklung in diesem Kanal ebenso positiv ein: „Was die zentralen Parameter Media, Daten und Technik betrifft, hat Audio inzwischen zu den anderen programmatisch verfügbaren Kanälen aufgeschlossen. Die Reichweiten bestehender Online-Audio-Angebote entwickeln sich gut, und weitere interessante Inhalte wie On-Demand-Audio kommen hinzu.“ Audio-Inventare sind in den gängigen DSPs buchbar und über relevante Sell-Side-Plattformen (SSP) verfügbar. Das Audience Targeting funktioniert ähnlich wie bei anderen datenbasiert ausgesteuerten Medien, insbesondere können die gleichen Parameter wie bei Video-, Display- und Mobile-Kampagnen verwendet werden, auch geräteübergreifend.

Bild: Crossplan Yvonne Fritz, Crossplan

„Noch immer wird Digital Audio allerdings primär als Verlängerung von klassischen Radiokampagnen gesehen und eingesetzt. Für die Zukunft sehe ich aber klar, dass Digital Audio auch eigenständig funktionieren wird“, sagt Fritz. Entscheidend für das weitere Wachstum werde dabei sein, dass es auf der Supply-Side gelingt, Audio-Inventare in relevanter Größenordnung zu aggregieren, primär in nachgefragten Zielgruppensegmenten. Die Expertin erwartet für Programmatic Audio insgesamt eine dynamische Entwicklung. Allerdings habe die Disziplin in den Agenturen ihren Platz bislang noch nicht richtig gefunden. Wer plant und bucht Online-Audio? Der klassische Radio-(UKW-)Planer? Der Programmatic-Einkäufer? Oder die Online-Audio-Abteilung? „Hier wird sich in absehbarer Zeit einiges tun und Programmatic Audio sinnvoll verortet werden“, ist Fritz überzeugt.

Bild: Marius Engels Philipp Wolde, Pryntad

Doch nicht nur audiovisuelle Werbung lässt sich automatisieren – das gute, alte Printmedium kann sich dem Programmatic-Trend nicht versperren. Im Gegenteil: Hier schlummert sehr viel Potenzial. „2023 wird das erste volle Programmatic-Print-Jahr“, sagt Philipp Wolde, Co-Founder und Geschäftsführer bei Pryntad. Sein Unternehmen bietet das programmatische Buchen von Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften an. Nachdem Pryntad mit seinen Partnern in 2022 die Entwicklung marktreif entwickelt hat und Kunden erste Kampagnen geschaltet haben, werde sich die Gattung in 2023 schrittweise etablieren, ist Wolde überzeugt: „Klassische Print-Bucher werden nach den ersten Tests die Effizienz der programmatischen Anzeigen-Kampagnen verstärkt nutzen. Digital-Agenturen werden ihr Portfolio um Print erweitern und ihre Online-Kampagnen um hohe Offline-Reichweiten in derselben Zielgruppe ergänzen, die preislich mit digitalen Reichweiten allemal mithalten.“ Für Kunden, die Inhouse-Marketing betreiben, wird Print dem Experten zufolge so einfach buchbar wie online. „Das wird sich insbesondere in der zweiten Jahreshälfte durchsetzen.“

Doch gleichzeitig ist auch Geduld gefragt, damit sich der Kanal im großen Stil etablieren kann. Da Pryntad den Buchungs-Prozess von Anzeigen in Zeitschriften und Zeitungen derzeit digitalisiert, bedeutet das, dass die bestehenden analogen Prozesse schrittweise umgestellt werden und nicht sofort. Digital-Agenturen brauchen Wolde zufolge die Routine, ihren Kunden selbstbewusst Print in ihrem Kampagnen-Mix anzubieten. Dafür braucht es jeweils Erfahrungen und Vertrauen. Beides werde aktuell mit den laufenden Kampagnen aufgebaut.

Technische Anbindung neuer Kanäle ist erst die halbe Miete

Bild: Virtual Minds Tom Peruzzi, Virtual Minds

Tom Peruzzi, Sprecher der Geschäftsführung Virtual Minds, erwartet für 2023 gleich eine ganze Reihe von Impulsen für das Programmatic Advertising. Nach seiner Einschätzung werden in 2023 neue Kanäle wie Advertising-based Video-on Demand (AVOD), Free Ad-supported Streaming TV (FAST) und Advanced TV mit spannenden Innovations-Cases die programmatische Agenda und Weiterentwicklung treiben. „Mit Blick auf die einzelnen Medien erwarten wir vor allem im Bewegtbildbereich auf dem Big Screen – mit Addressable TV und Connected TV – eine weitere programmatische Wachstumsdynamik sowie im Bereich DOOH, dessen Marktreife und Standardisierungsgrad sich positiv auf die Nachfrage und Spendings auswirken.“

Während zahlreiche, neu erschlossene Programmatic-Kanäle die digitale Planungs- und Steuerungslogik einfach übernehmen können beziehungsweise Standards dafür bereits entstanden sind, stehen seiner Meinung nach klassische lineare Broadcaster-Medien wie TV oder Kino noch relativ weit am Anfang. „Aber auch hier zeichnen sich gute Wachstumspotenziale innerhalb von Programmatic für 2023 ab“, so Peruzzi.

Bei allem Optimismus muss die digitale Werbeindustrie jedoch noch einige Aufgaben meistern, um neue Kanäle fest im Marketing-Mix zu etablieren. „Kanäle technisch für Programmatic zu erschließen ist das Eine“, sagt Peruzzi. „Die deutlich größere Herausforderung besteht darin, etablierte Mediensysteme programmatisch so anzubinden, dass sie entweder der bekannten Logik und Metrik folgen oder einen einfachen und gut erklärbaren Übergang in etwas Neues erlauben.” Man beobachte immer wieder, dass die notwendigen Änderungen in den bestehenden Mechaniken, Strukturen und Prozessen, aber auch die sich verändernden Erfolgsmessungen und KPIs deutlich schwieriger umzusetzen seien als die reine Bereitstellung von Technik.

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