Das Drittanbieter-Cookie schwindet. Publisher sind nun gefordert, ihre First-Party-Daten anderweitig zu aktivieren. Um sie für Werbetreibende verfügbar zu machen, fahren die Publisher unterschiedliche Strategien. ADZINE hat bei den Playern in der deutschen Publisher-Landschaft nachgefragt, wie sie aktuell in Sachen First-Party-Data aufgestellt sind und was sie für die Zukunft geplant haben.
United Internet Media ist in einer komfortablen Lage: Seine Services auf Web.de und GMX verzeichnen allein in Deutschland über 35 Millionen aktive Nutzern pro Monat. Damit verfügt der Vermarkter über eine sehr breite Datenbasis. Ein weiteres Plus: Über 90 Prozent des Traffics wird über eingeloggte User erzeugt. Das sorgt für stabile Einwilligungen und eine hohe Datenqualität. „Mit der Login-basierten Identity-Lösung von NetID lassen sich in der Post-Cookie-Ära neue und noch stabilere Brücken bauen – gerade auch zu mobilen Geräten für Cross-Device-Targeting“, sagt Rasmus Giese, CEO von United Internet Media. Dadurch ist die Addressability für User-zentrierte Kampagnen und auch Mediaplanung mit vielen Optimierungsmöglichkeiten hier gewährleistet.
First-Party-Data: Drei Modelle bei UIM
Für das Marketing der Zukunft setzt UIM auf drei Modelle – und bedient sie schon heute. In Sachen Kohorten-Targeting können Werbetreibende beispielsweise über Pretargeted Deals vordefinierte Zielgruppen einkaufen. Zudem wurde mit TGP Extended Media ein Produkt entwickelt, bei dem auch vermarkterübergreifende Reichweite zum Einsatz kommt. Als zweites Modell kann UIM mit der Identity-Lösung von NetID auch ohne Cookies User-zentriertes 1:1-Targeting anbieten. Mittels NetID lässt sich eine Brücke schlagen, die eine gemeinsame Basis für die Addressability schafft. Als drittes Modell bietet UIM Contextual Targeting an. Unter dem Label „Commerce Media“ entstehen derzeit neue Platzierungsmöglichkeiten im E-Mail-Postfach, das nach eigener Aussage in die Customer Journey des digitalen Handels fest integriert ist.
Bei allem setzt UIM auf eigene Technikkompetenz. Für die Zielgruppenaussteuerung bietet man sein TGP Target Group Planning mit über 300 Zielgruppenmerkmalen an. Der Adtech-Stack selbst eröffnet weitere Möglichkeiten, beispielsweise das Client-seitige oder Server-to-Server-basierte Prebid Header Bidding sowie das komplette Yield-Management im Adserver. UIM bietet auf Wunsch Integrationen in Data Clean Rooms an und verfügt außerdem über eine eigene Data Management Plattform (DMP).
Burda Forward: First-Party-Segmente mit deutlich besseren Trefferquoten
Burda Forward hingegen arbeitet seit vielen Jahren mit Permutive, einer First-Party-DMP. Zusätzlich hat man eine eigene Context-basierte Lösung entwickelt. Die beiden Module zusammen bilden die Voraussetzung für den neuen „Sugarless-Context-Audience-Ansatz“ von Burda Forward. „Sugarless“ statt Cookies – so lautet das Motto. Auch testet man mit verschiedenen ID-Anbietern, am weitesten fortgeschritten ist der Test mit NetID.
„First-Party-Daten machen den Reiz aus, sowohl für die Optimierung und Qualifizierung der eigenen Reichweite durch Werbung als auch zur Optimierung der eigenen Content-Empfehlung sinnvolle Signale zu liefern“, sagt Carsten Sander, Executive Director Tech OPS bei Burda Forward. Obwohl sich die Zeit der First-Party-Daten eigentlich erst im nächsten Jahr zu vollem Ausmaß entwickeln wird, sind sie für den Publisher schon lange ein wichtiger Bestandteil seiner Produktwelt. „Unsere auf First-Party-Daten basierenden Segmente bieten in jedem Fall eine deutlich bessere Trefferquote als jede Prediction-Lösung sowohl bei den Interessen als auch bei Alter und Geschlecht“, sagt Sander. Man bietet individuelle und standardisierte Profile an. Das System des Vermarkters erlaubt neben der Ermittlung von statistischen Zwillingen eine Audience, die auf dem Kontext basiert.
Ströer: Echtzeit-Optimierung von PPV-Kampagnen mit First-Party-Data
Ströer Media Solutions setzt ebenfalls verschiedene Systeme ein, um First-Party-Daten zu generieren und aktiviert diese über Identity-Lösungen in seinem gesamten Vermarktungsportfolio. Auf Basis der Technologien der OS Data Solutions ist man beispielsweise in der Lage, für jeden Artikel (Desktop und In-App) eine kontextuelle Bewertung und Einordnung durchzuführen, um so eigene First-Party-Daten derart zu generieren, dass alle Inhalte automatisiert zu IAB-Kategorien zugeordnet und entsprechende Keywords geschaffen werden. „Um den Datenschutz unserer User dabei sicherzustellen, werden sensible Kategorien im Sinne der DSGVO hier bewusst ausgeschlossen“, erläutert Abdelkader Barjiji, Senior Vice President Product Management Programmatic & Data der Ströer Media Solutions.
Darüber hinaus ist man bei Ströer in der Lage, First-Party-Daten der Werbungtreibenden für Kampagnen zu nutzen. Neben den üblichen Anwendungsfällen im Onlinebereich kann der Vermarkter auch in der digitalen Außenwerbung (Public Video) First-Party-Daten für die Echtzeit-Optimierung von Programmatic Public Video (PPV) Kampagnen einsetzen.
Um seinen Kunden letztlich die bestmöglichen Targeting-Lösungen anbieten zu können, kombiniert man Standardlösungen des Marktes mit der eigenen, proprietären Real-Time-Targeting-Technologie. „Während wir also den Kern der Targeting-Technologie ‚made in Germany‘ selbst entwickeln, ermöglichen wir durch den Einsatz standardisierter Systeme eine Interoperabilität. Auf dieser Basis können wir eine bestmögliche Targeting-Qualität bei gleichzeitiger Datenschutzkonformität anbieten“, so Barjiji. Um User webseitenübergreifend identifizieren zu können, hat das Unternehmen seine Realtime-Targeting-Technologie um eine Multi-ID-Fähigkeit ergänzt. Es werden diverse ID-Systeme des Marktes unterstützt (ID5, Shared ID, Net ID, Liveramp u.a.), die mit der internen Ströer ID verknüpft werden können.
Ad Alliance modelliert „smart groups“
Bei der Ad Alliance laufen technologisch aktuell noch einige Tests sowie Gespräche mit verschiedenen ID-Anbietern. Für konkrete Datenpartnerschaften wird auch hier der Einsatz von Clean Rooms angeboten. Darüber hinaus beschäftigen sich die Experten des Vermarkters insbesondere mit Audience Verification und kontextuellem Targeting.
Um First-Party-Daten verfügbar zu machen, ist für Publisher generell relevant, wie viele Profile erhoben werden können und welche soziodemographische Bandbreite sie abdecken. Ebenso sind die Interessensgruppen wichtig, die sich damit bilden lassen. „Bei der nutzerzentrierten Betrachtung gerät das Umfeld gegebenenfalls in den Hintergrund, daher ist die Interaktion der Nutzenden mit dem Content der Moment, in dem relevante Datenpunkte entstehen und das Kreieren diverser Interessensgruppen möglich wird. Je breiter ein Medienanbieter inhaltlich aufgestellt ist, desto mehr Affinitäten können abgedeckt werden“, sagt Arne Steinmetz, General Director Client Services, Data & Ad Operations. Die Ad Alliance ist hier in einer komfortablen Lage und verfügt über ein sehr diverses Portfolio. Der Vermarkter greift mittlerweile auch bei der Soziodemographie kaum noch auf externe Daten zurück. „Zunehmend können wir mit sehr guter Präzision Alter und Geschlecht aus unserer Data-Management-Plattform bedienen“, sagt Steinmetz. Basierend auf Zielgruppendefinitionen von Einkauf oder Marketing der Kunden, werden auf mehreren Milliarden Gerätekontakten pro Monat sogenannte “smart groups” modelliert. Das bedeutet, dass man individuelle Zielgruppen mit den gewünschten Merkmalen erstellt, oder Zielgruppen hochrechnet, indem Lookalikes gebildet werden. Über einen Cross-Device-Graph kann das Unternehmen zudem gewichtete Merkmale aus dem Haushalt auf den Big Screen übertragen.
Axel Springer aktiviert 70 Millionen Profile durch First-Party-Data
Bei Axel Springer ist man bereits so weit, dass über 70 Millionen Profile über alle Kanäle und Browserarten durch First-Party-Daten aktiviert werden können. Bereits Ende des vergangenen Jahres hat das Unternehmen die Arbeiten an seinem ASAM Data Stack abgeschlossen und ist in die Detailarbeit eingestiegen. Der ASAM Data Stack ist Kern der ganzheitlichen Datenstrategie der Axel Springer All Media (ASAM). Man arbeitet hier in einem Drei-Horizonte-Konzept: Zuerst werden alle Angebote über alle Kanäle und auf Basis von First-Party-Daten nutzbar gemacht. Beteiligt sind daran alle Mediengattungen und Themen wie TV, DOOH, aber auch Marktforschung. Der zweite Horizont ermöglicht es, dass Partner zusammen mit ASAM die Data-Cleanroom-Technologie von 1plusx nutzen können, um so klassisches Marketing und Matchingcases in einer sicheren Umgebung abwickeln zu können. Der dritte Horizont umfasst langfristige Datenpartnerschaften auf der Basis der Infrastruktur von Infosum. Hierbei handelt es sich um ein System für die dezentrale Datenvorhaltung und -aktivierung, das eine direkte und automatisierte datengetriebene Zusammenarbeit ermöglicht und Datenlecks ausschließt.
„Wir können alle gängigen Targetingarten auf Basis von First-Party-Daten anbieten und schneidern passgenau Lösungen für unsere strategischen Partner“, sagt Christopher Reher, General Director Data, Axel Springer All Media (ASAM). Wichtige Themen seien außerdem die Aktivierung von NetID-Nutzern auf dem Axel Springer Inventar sowie “Customized Persona und Mood Targeting”. Partner können darüber hinaus ihre Daten über Data-Clean-Room-Konzepte nutzbar machen oder langfristige Datenpartnerschaften auf der Basis von dezentralen, besonders sicheren Infrastrukturlösungen eingehen. „Bei uns geht jetzt schon alles auf First-Party-Daten und zwar rechtlich einwandfrei, sicher und zukunftsfähig“, sagt Reher.
Das bringt die Zukunft: Mit First-Party auf neuen Wegen
Für die Zukunftsfähigkeit arbeiten die Publisher an unterschiedlichen Projekten. ASAM hat dabei auch den freien Markt im Blick. „Ziel ist ganz klar, dass die Budgets nicht ab Rollout des Privacy-Sandbox-Codes nur noch in Richtung der Plattformen gehen, sondern hier eine starke und verantwortungsvolle Basis für die zukünftige Zusammenarbeit des freien Marktes geschaffen wird“, sagt Reher. Gleichzeitig arbeitet man aktiv an weiteren Lösungen, die KMU und kleinen Publishern helfen sollen, datengetrieben zu werben. „Wir bemühen uns aktiv darum, dass der freie Markt nicht nur in Wort, sondern auch in Tat und Technologie zusammenwächst“, sagt Reher.
Die Ad Alliance arbeitet derweil zusammen mit RTL Data an einer ganzen Reihe von Projekten. Laut Steinmetz wolle man die vielfältigen Daten aus den Medienkontakten seines Portfolios nutzen, um relevante Produktangebote zu entwickeln. „Wir scheuen uns nicht vor Transparenz und Leistungsnachweisen“, so der Experte. Man arbeite daher an Lösungen, welche die zentralen Wirkungs-KPIs nachweisbar machen – beispielsweise bei der Frage nach der Zielgruppenerreichung – und zunehmend auch an gattungs- und kanalübergreifenden Ansätzen, die die Vergleichbarkeit von Kontakten auf Basis der eigenen Daten erforderlich machen.
Bei Burda Forward möchte man weiter die eigenen Stärken bündeln und Context und First-Party zusammenbringen, „um sowohl Inventar, für das wir keinen Consent von unseren Nutzern bekommen haben, als auch für den Inventaranteil, für den wir Consent bekommen haben, mit leistungsstarken Produkten monetarisieren zu können“, sagt Sander. Man empfinde es als absolut lohnend, sich mit nutzer- und gleichzeitig datenschutzfreundlichen Varianten der Monetarisierung auseinanderzusetzen, so der Experte.
Ein ganz konkretes Produkt steht bei UIM im Fokus der Zukunftspläne: das elektronische Postfach. Das intelligente Postfach von Web.de und GMX sortiert eingehende Nachrichten in passende Kategorien wie „Bestellungen”, „Newsletter” oder „Abos & Verträge“. In diesen Kategorien entwickelt der Vermarkter unter dem Label „Commerce Media“ passende Formate und Produkte im jeweiligen Umfeld, über die Unternehmen ihre Dienstleistungen und Produkte über E-Commerce-Prozesse integrieren können. Das E-Mail-Postfach soll dadurch zur Transaktionsplattform werden.
Bei Ströer Media Solutions hat man noch eine weitere technische Entwicklung auf dem Schirm. Man sieht hier einen Trend zu serverseitigen Lösungen, der durch den Wegfall von Third-Party-Cookies und den zunehmenden Anforderungen an den Datenschutz getrieben wird. „Wir gehen daher davon aus, dass mittelfristig ein Großteil der Targeting-Technologien auf serverseitige Lösungen umgestellt wird“, sagt Barjiji. Dies würde Publisher in die Lage versetzen, datenschutzrechtliche Anforderungen besser zu erfüllen und gleichzeitig die Usability von Webseiten erhöhen, da die Last auf den Browsern abnimmt. „Wir bereiten uns daher darauf vor, Targeting-Dienstleistungen über die OS Data Solutions auch im Rahmen von serverseitigen Echtzeitservices bereitstellen zu können.“
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