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Die Zauberformel gegen GAFA: First Party Data + kreativer Content = Wiederholungskäufe

Anton Priebe, 19. Juni 2019
Bild: Project A

Google, Amazon, Facebook und Apple (alias GAFA) verschlingen den digitalen Werbemarkt. Kann intelligentes Programmatic Advertising in alternativen Kanälen einen Ausweg für die deutsche Werbebranche bieten? Florian Heinemann, Founding Partner beim Berliner Frühphasen-Investor Project A und ehemaliger Geschäftsführer von Rocket Internet, über mögliche Lösungen und eine Aussicht, wie es mit der Branche weitergehen wird.

ADZINE: Hallo Florian, wenn es um die GAFAs geht, beobachten wir nicht selten eine gewisse Schockstarre bei den Playern im Digital Advertising hierzulande gegenüber deren Marktmacht: Teilst du diese Wahrnehmung? Was sind Gründe für diese paralysierte Haltung?

Heinemann: Wenn man die Advertiser-Seite betrachtet, würde ich diese Wahrnehmung teilen. Wir stellen im Moment alle fest, dass wir uns im Marketing-Mix viel zu lange auf GAFA fokussiert und andere Kanäle vernachlässigt haben. Und sicherlich liefern die Plattformen bis zu einem gewissen Punkt die erwünschten Ergebnisse. Aber wir wissen auch, dass so ein Oligopol des Kundenzugangs mittel- bis langfristig zu einer deutlichen Margenerosion führt, insbesondere wenn man nicht über direkte und aktive Kundenbeziehungen verfügt. Und diesen Verlust an Verhandlungs- und Margenmacht spüren die Advertiser, selbst die sehr etablierten Markenhersteller.

Ich glaube, es schaffen langfristig nur die Geschäftsmodelle zu bestehen, die entweder mit den GAFA mitsurfen, also die Plattformen nutzen, um Umsätze zu generieren. Hier stellt sich nur die Frage der Verteidigbarkeit. Oder diejenigen, die in der Lage sind, ein Geschäft mit einem so starken Kundenzugang zu entwickeln, dass der den Plattformen zugrunde liegende Auktionseffekt vernachlässigt werden kann.

Marken sollten und müssen generell konstant den Marketing-Mix evaluieren und angesichts der wachsenden Macht der großen Plattformen jetzt noch mehr als sonst irgendwann.

ADZINE: Vor ein paar Wochen hatten wir Tim Ringel, den CEO von Reprise Digital, als Interviewpartner. Ringel zufolge liegt die letzte Chance für den lokalen Markt einzig und allein in Programmatic Advertising. Siehst du das auch so?

Heinemann: Programmatic ist definitiv ein guter Ansatz, aber er muss auch sinnvoll umgesetzt sein. Ich sehe im Moment nur wenige Performance-orientierte Unternehmen, denen es gelingt, Programmatic jenseits von Google, Facebook und Amazon-Marketingplattform skalierbar aufzubauen. GAFA ist bequem, da die Zugangshürde niedrig ist und viele Fehlerquellen seitens der Plattformanbieter im Hintergrund technologisch ausgeschlossen werden. Aber trotzdem tut jeder Advertiser gut daran, sich nicht vollständig abhängig zu machen, um eine Margenverlagerung in Richtung der Plattformen zu vermeiden. Wie schafft man es also langfristig einen Marketing-Mix aufzubauen, der auch jenseits von Plattformen funktioniert?

Ein wichtiger Punkt dabei ist, Bestandskunden-Beziehungen aufzubauen und Wiederholungskäufe zu generieren – ohne nochmals eine Interaktion mit den Plattformen zu benötigen. Neben Ansätzen, die ins Produkt selbst eingebaut sind, sehe ich die Lösung in den eigenen Kanälen und damit wie gesagt in der Nutzung von First Party Data, die ein exklusives Wissen über die Kunden liefern. Für mich ist das der wichtigste Faktor, um in der Plattform-Ökonomie zu bestehen.

Hier gilt es allerdings mehrere Dinge zu beachten. Zum Beispiel würde ich empfehlen, eine eigene Data Intelligence im Haus aufzubauen und sich weniger auf fremde Tools zu verlassen, um möglichst ungefiltert Daten zu betrachten. Analysiert und angereichert ergeben diese Daten einen wertvollen Schatz: die Intent-Daten, die dabei helfen, Wiederholungskäufe zu generieren. Auf Basis dieser Daten lässt sich dann wiederum hochwertiger und passender Content produzieren, wie Artikel, Videos, Fotostrecken et cetera, der Bedarfe weckt. Die mögliche Zauberformel lautet also First Party Data + kreativer Content = Wiederholungskäufe.

ADZINE: Welche konkreten Maßnahmen müssten die deutschen Werbeplayer angehen, um die Chance zu nutzen, die ihnen Programmatic Advertising bietet?

Heinemann: Ich kann es nicht oft genug sagen: First Party Data, die über das eigentliche CRM hinaus genutzt werden kann. Ich kenne keinen anderen Weg, der mir erlauben würde, sinnvollere Lookalike und Similar Audiences zu bauen. Und das Weggehen von Einzelplatzierungs-Optimierung hin zum Management von User bzw. Customer Journeys. Das sollte mittlerweile logisch sein, wird aber immer noch häufig vernachlässigt. Viel zu häufig wird noch in Silos gedacht.

ADZINE: Siehst du bei den GAFAs eine offene technologische Flanke, in die hiesige Anbieter noch hineinstoßen können? Welche Unternehmen hätten deiner Meinung nach überhaupt das Potential dazu?

Heinemann: Die Suche nach der technologischen Flanke der GAFA ist wohl die Suche nach dem Heiligen Gral des 21. Jahrhunderts! Man muss schon eingestehen, dass deren Macht und Stabilität nach derzeitiger Faktenlage kaum anfechtbar sind. Sie sind die größten Investoren in so gut wie allen relevanten Zukunftstechnologiebereichen, die ihnen potenziell gefährlich werden könnten.

So sind Marketer und Gründer weiterhin auf ihre Findigkeit angewiesen. Nehmen wir beispielsweise Opinary, die mit ihrem Umfrage-Tool eine ganz neue Art der Engagement-Möglichkeit in den klassischen Online-Medien gefunden haben und damit Mehrwert für Marken, Publisher und Nutzer generieren. Ich erhoffe mir mehr solcher innovativen Lösungen und kreativen Ideen.

ADZINE: Blicken wir am Ende noch etwas in die Zukunft: Wie wird sich der deutsche Werbemarkt in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln?

Heinemann: Ich beobachte mit Spannung, wie sich Voice in Relevanz und den passenden Werbeformen entwickeln wird. Unser Portfolio-Unternehmen uberall hat erst kürzlich eine Studie dazu veröffentlicht, die besagt, dass nur vier Prozent der Unternehmen auf Voice Search vorbereitet sind – gleichzeitig sucht schon heute jeder fünfte mindestens einmal pro Woche über die Sprachoption.

Ein weiteres Thema ist Offline-Marketing bzw. deutliche Tendenz in Richtung Omni-Channel-Kommunikation. Ich glaube beispielsweise stark an Live-Marketing. Jeff Bezos hat ja selbst erst kürzlich darauf hingewiesen, dass fast 90 Prozent des Handels immer noch offline stattfindet. Die Kunden erwarten, dass sie auf allen Kanälen mit den Unternehmen interagieren können - entsprechend sollte man sich definitiv darauf einstellen, reagieren zu können.

Ich gehe stark davon aus, dass Messengerplattformen wie WhatsApp als Kundenkommunikationskanal wachsen und sich technologisch entsprechend öffnen werden. Allerdings sprechen wir hier auch wieder von einem Facebook-Kanal, also eher mit Vorsicht zu genießen.

Ich denke auch, dass das Thema Transparenz bzw. Fraud noch einmal dringend anders gedacht werden muss. Denn einer der Gründe, warum sich so viele auf GAFA verlassen, ist ja, dass dort die Fraud-Gefahr relativ gesehen klein ist. Aber auch hier sehe ich die Lösung darin, die letzte Conversion in eigenen Kanälen stattfinden zu lassen, um präziser nachvollziehen zu können, ob mein Budget auch effizient eingesetzt wird.

ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch!

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