Adzine Top-Stories per Newsletter
ADTECH

Deep Learning revolutioniert das Retargeting

Tomasz Hada, 21. Januar 2019

Die Werbebranche steckt in einem selbstverschuldeten Dilemma. Werbebotschaften, ob digital oder analog, verpuffen zusehends im allgemeinen Anzeigenrauschen. Nur über eine persönliche Ansprache, also Relevanz, können sich die Unternehmen noch Gehör bei ihren Zielgruppen verschaffen. Eine neue Methode aus der Computermathematik kann dabei helfen: Deep Learning. Tomasz Hada, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des Adtech-Unternehmens RTB House, erläutert, warum Deep Learning besonders beim Retargeting so effektiv ist.

Personalisierung gilt in Zeiten von zu hohem Werbedruck pro Medium (Ad Clutter) und Banner Blindness als die einzige Methode, um beim Rezipienten Aufmerksamkeit für die Werbebotschaft zu erhaschen. Dafür kommen inzwischen neueste Technologien aus der Forschung für künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz. Einige Adtech-Provider bauen bereits seit einigen Jahren auf Machine-Learning-Methoden, um das Matching mit der Zielgruppe zu verbessern oder auch um die Inhalte der Creatives dynamisch anzupassen.

Doch wirklich State of the Art ist das nicht mehr. Längst etabliert sich in der Werbung mit Deep Learning eine Unterart des Machine Learnings, eine maschinelle Lernmethode, die sich nah am Gehirn des Menschen orientiert.

Besonders im E-Commerce und dabei im Retargeting findet Deep Learning ein ideales Anwendungsfeld. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Der Algorithmus muss mit einer riesigen Zahl an Produktdaten zurechtkommen, um dem ehemaligen Shopbesucher ganz individuelle Motive und Produkte anzeigen zu können.

Was macht Deep Learning zum erfolgreicheren KI-Modell für das Retargeting?

Was sich beim Deep Learning vom Machine Learning unterscheidet, ist die Lernmethode des Algorithmus als solche: Standardisiertes Machine Learning ist für eine große Zahl von Datensätzen entwickelt worden. Der Algorithmus, der entscheidet, wie die Analyse der Daten erfolgen soll, wird dabei genauso wie das gewünschte Ergebnis vom Menschen vorgegeben.

Nicht so beim Deep Learning. Beim Deep Learning wählt der Algorithmus völlig unterschiedliche Herangehensweisen, probiert aus, simuliert, vergleicht, bis das Programm eine Entscheidung fällt. Aus technischer Sicht ist Deep Learning ein mehrstufiges Verfahren, um Repräsentationen von Daten zu erlernen und zu verstehen. Je häufiger der Mechanismus durchlaufen wird, desto besser werden die Ergebnisse. Das System lernt selbständig.

Dieser scheinbar intuitive Algorithmus führt gerade im Bereich des E-Commerce und des Retargetings zu besseren Ergebnissen. Warum? Eine subjektive Beeinflussung wie etwa bei der Vorgabe von Business-Rules, die zwangsläufig Vorkategorisierungen menschlicher Verhaltensweisen und entsprechender Nutzercluster beinhaltet, findet nicht statt. Ein Deep-Learning-Algorithmus arbeitet nicht nach Vorgabe, sondern lernt zielgerichtet aus allen Daten im Shop mit dem Ziel, möglichst viele Conversions oder Umsatz zu vorgegebenen KPIs (Kostenumsatzrelation, Return on Invest, Cost per Acquisition etc.) zu erreichen.

Beim Machine Learning müssen für jeden User-Typ immer wieder neue Regeln aufgesetzt werden, mit dem der Algorithmus gefüttert wird. Um eine ähnliche Schlagkraft wie mit Deep Learning zu erzielen, müssten nahezu unendlich viele neue Modelle händisch erstellt werden. Das ist nicht nur unmöglich, sondern beinhaltet auch, dass die ganzheitliche und langfristige Nutzbarkeit der Daten des Shops mit Machine Learning nicht ausgeschöpft wird. Es muss auf eine Art mit jeder neuen Business-Rule immer wieder bei Null angefangen werden, während im Deep Learning alle Shop-Daten einer kontinuierlichen Gesamtbetrachtung unterliegen.

Deep Learning ermöglicht Retargetern damit nicht nur die Basics des Nutzerverhaltens zu analysieren, wie z. B. besuchte Produktkategorien, sondern erzeugt durch die absolute Betrachtung aller vorhandenen Daten des Shops noch weitere Nutzer-Insights. Dadurch können selbst unterbewusste und nicht wissentlich gesteuerte Intentionen des Nutzers erkannt und vom Werbetreibenden adressiert werden. Ein Deep-Learning-Algorithmus berücksichtigt zum Beispiel, welche Zeitspannen bei den Sichtkontakten zwischen den angeschauten Produkten vergangen sind oder welche Preise verglichen wurden. Auch die Reihenfolge der besuchten Unterseiten im Shop werden für die Analyse herangezogen. Mit all diesen Informationen ausgestattet interpretiert die Maschine genau, was der Nutzer im Vergleich zu den Verhaltensdaten aller anderen Nutzer des Shops getan hat, und entscheidet daraufhin, welche tatsächlichen Kaufabsichten der Nutzer hat.

Optimierung der Retargeting-Creatives

Im klassischen Retargeting-Szenario werden einzelne Bild- und Textsegmente des Werbemittels dynamisch zusammengestellt. Diese Segmente sind bei Machine-Learning-Modellen durch die vorgegebenen Regeln limitiert. Klassischerweise werden die vom Nutzer betrachteten Produkte, ähnliche Produkte aus der gleichen Kategorie, der Produkthistorie anderer Nutzer oder die beliebtesten bzw. meistverkauften Produkte im Shop im Banner angezeigt.

Sie kennen das selbst: Wie oft kommt es noch immer vor, dass Nutzer von Retargeting Ads verfolgt werden mit Produkten, die sie entweder schon gekauft haben oder für die sie sich schlichtweg nicht mehr interessieren. Kein Mensch steht auf der Stelle, sein Verhaltensprofil verändert sich fortwährend. Durch Deep-Learning-Modelle wird diese Limitierung aufgehoben und weit mehr Produktkombinationen sind möglich, die sich an die Bedürfnisse und die Nachfrage des einzelnen Nutzers anpassen. Dies versetzt die Online-Shop-Advertiser in die Lage, ihre Shop-Besucher noch individueller und mit höherer Bannerattraktivität anzusprechen.

Personalisierung in Echtzeit

Das kontinuierlich laufendende Deep-Learning-Retargeting-Modell beurteilt die gegenwärtigen Begebenheiten eines Nutzers und kann dadurch in Echtzeit situativ die richtigen Inhalte in das Retargeting Ad bringen. Aus diesem Grund muss der Algorithmus nicht nur analysieren, was die Nutzer im Shop gemacht haben, sondern auch, wie sie tatsächlich auf das Werbebanner und die Werbebotschaft reagieren.

Unsere Erfahrungen bei RTB House zeigen, dass eine Empfehlungs-Engine, die auf einem Deep-Learning-Modell beruht, einen Uplift der Klicks auf die Retargeting Ads um durchschnittlich 32 Prozent und bei den Conversions sogar bis zu 42 Prozent zur Folge haben kann. Dies gilt insbesondere für den Fashion-Bereich und Shops, die überaus viele Produktkategorien anbieten. Denn gerade bei diesen Online-Shops sind die Variationsmöglichkeiten für die Empfehlungs-Engine besonders groß. So konnte Defshop, ein Onlineshop-Anbieter für Streetwear und Lifestyle Bekleidung, laut eigenen Angaben seine Conversion-Rate in einigen Online-Shops mit dem Deep-Learning-Modell um 54 Prozent erhöhen.

Fazit

In einer Zeit, in der sich die Effektivität der Online-Werbemaßnahmen deutlich verringert hat, müssen Werbetreibende und ihre Partner die innovativsten Methoden und Technologien aus der KI-Forschung anwenden, um mit dem Wettbewerb weiterhin konkurrieren zu können. Deep Learning ist so eine Methode, weil sie die Personalisierung von Werbekampagnen auf die nächsthöhere Stufe stellt. Der Bedeutungsgewinn von Deep Learning ist branchenübergreifend spürbar und für jeden Online-Shop ist die Einführung von Deep Learning für das eigene Retargeting ein Muss.

Bild Tomasz Hada Über den Autor/die Autorin:

Tomasz Hada wechselte im Dezember 2017 seine Position im Unternehmen RTB House vom Business Development Manager für den deutschen Markt zum Deutschland Geschäftsführer. Er verantwortet seitdem die strategische Steuerung der Vertriebsaktivitäten von RTB House auf dem deutschsprachigen Markt. Zuvor arbeitete Hada über zwei Jahre als Management Consultant bei McKinsey & Company. Dort beriet er Kunden aus unterschiedlichsten Branchen zu Themen rund um digitale Strategien und operative Exzellenz. Er absolvierte die Wirtschaftsuniversität Breslau.

EVENT-TIPP ADZINE Live - First-Party Data fürs Advertising aktivieren am 16. Mai 2024, 11:00 Uhr - 12:30 Uhr

Alle sprechen von First-Party-Daten im Rahmen zukünftiger Adressierbarkeit von Werbemaßnahmen. Doch wo kommen diese Daten her und wie werden sie beweglich? Darf man sie überhaupt erfassen und nutzen? Jetzt anmelden!

Konferenz

Digital Events

Whitepaper

Das könnte Sie interessieren