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Der AVOD-Durchbruch beim Streaming: Der Kreis schließt sich

Christian Russ, 21. Mai 2024
Bild: Nadine Shaabana – Unsplash

Netflix hat sich jahrelang gegen die Einführung von Werbung auf seiner Plattform gesträubt. Nachdem der Streaming-Riese mit dem Start eines werbefinanzierten Abos dann doch eine radikale Änderung seiner Geschäftsstrategie angekündigt hatte, ging man davon aus, dass er auch diesen aufstrebenden Sektor dominieren würde. Ein Jahr später zogen jedoch auch Disney+ und seit kurzem Prime Video (das im Februar eine ähnliche Lösung für den deutschen Markt einführte) nach und verkomplizierten damit die Diskussion über die Zukunft des Fernsehens.

Die Verbreitung von SVOD hat die Art und Weise, wie wir fernsehen, völlig verändert und den Zuschauenden die Möglichkeit eröffnet, ein Fernseherlebnis zu genießen, das zuvor undenkbar war: die volle Kontrolle darüber, was sie wann sehen wollen, und das ohne Werbung. In der Zwischenzeit hat sich die Situation aber geändert und es stellt sich die Frage: Wie wird die wachsende Beliebtheit von werbefinanzierten Abonnement-Streaming-Diensten dieses neue, hervorragende Fernseherlebnis beeinflussen?

Der Zuspruch des Publikums scheint bisher positiv: Bis heute haben sich weltweit über 15 Millionen Zuschauer:innen für das Angebot von Netflix entschieden, das Premium-Inhalte zu einem reduzierten Preis anbietet, wenn dafür das Schalten von Werbung akzeptiert wird. Die Reaktion der Branche scheint zudem darauf hinzudeuten, dass dies der richtige Schritt sein könnte: Allein in den letzten Monaten haben Disney+, Prime Video und Paramount+ ihre eigenen werbefinanzierten Angebote auf den Markt gebracht. Die Akteure des Sektors haben also das Potenzial dieses neuen Modells erkannt, und zwar in einem solchen Maße, dass es Teil der neuen Normalität zu werden scheint. Dadurch, dass es nun mehrere Anbieter von Werbe-Abos gibt, ist ein Wettbewerbsvorteil für die First Mover nicht mehr garantiert. Wie also lässt sich dann die Aufmerksamkeit der Zuschauer:innen gewinnen?

Fernsehen in der Erlebnisökonomie

Netflix, Amazon und Disney+ haben Antworten darauf parat. Die Strategie von Netflix besteht laut den jüngsten Ankündigungen darin, weiterhin auf ein werbefinanziertes Erlebnis zu setzen und die Art und Weise, wie Werbung in die Plattform integriert wird, weiter zu verbessern: Beispielsweise werden QR-Codes und Sponsorships Werbetreibenden die Möglichkeit bieten, ihre Markenbekanntheit zu steigern, ohne dabei das Vergnügen beim Anschauen der beliebtesten Serien zu unterbrechen.

Auch Amazon hat gerade erst angekündigt, dass Prime Video im Basis-Abonnement noch mehr Werbung schalten will. Im selben Zuge wurden neue Werbeformate vorgestellt, die das Einkaufen beworbener Produkte direkt über die Fernbedienung des Smart TVs ermöglichen sollen.

Disney wählte dagegen einen anderen Ansatz und hat inzwischen den verbleibenden Teil des US-amerikanischen Streamingdienstes Hulu, des sechst-beliebtesten im Land, übernommen. Das Ziel? „Die Unterstützung von Disneys Streaming-Zielen“. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, hat sich Disney damit nicht nur die besten, sondern den Großteil der Inhalte gesichert.

Diese Entscheidungen der drei Unternehmen sind bezeichnend für die jüngsten Entwicklungen nicht nur in der SVOD- oder Connected-TV-Branche, sondern in der Fernsehlandschaft insgesamt. Wir bewegen uns weg von der „Dienstleistungsgesellschaft“ hin zur „Erlebnisökonomie“, so die Harvard-Ökonomen B. Joseph Pine II und James H. Gilmore, in der die Akteure gewinnen, die nicht nur die erforderlichen Dienstleistungen anbieten, sondern diese auch mit wertvollen Erfahrungen verbinden. Die übergroße Anzahl der in der Branche tätigen Akteure bietet den Zuschauenden zahlreiche Möglichkeiten, auf die gewünschten Inhalte zuzugreifen. Wollen die Anbieter dabei hervorstechen, müssen sie das durch das damit verbundene Erlebnis und die angebotene Auswahl tun.

Diese jüngsten Entwicklungen zeigen aber auch, dass Werbung nicht vom Wettbewerb um ein hochwertiges Fernseherlebnis ausgeschlossen werden muss.

Die Unerreichbaren erreichen

Während diejenigen, die bisher aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen waren, auf die beliebtesten SVOD-Dienste zu verzichten, nun neue Angebote mit Werbung nutzen können, wird es genauso immer diejenigen geben, die bereit sind, einen höheren Preis zu zahlen, um werbefrei sehen zu können. Die heutige erlebnisorientierte Fernsehlandschaft ermutigt die Zuschauer:innen dazu, ihr Verhalten zu ändern, und macht es möglich, auch jene zu erreichen, die bisher als unerreichbar galten.

Unsere Studie von Beginn dieses Jahres unterstreicht das und zeigt etwa, dass der Streaming-Wachstumstrend hauptsächlich von werbegestütztem Streaming getrieben wird. Laut einer weiteren Studie von Kantar gab außerdem bereits 2023 die Hälfte aller Abonnent:innen (48 Prozent) an, dass sie eher zu einem Anbieterwechsel bereit sind als früher, um Geld zu sparen.

Die gute Nachricht für Werbetreibende ist also, dass der Teil des bisher „unerreichbaren“ Streaming-Publikums erreichbar wird, wodurch eine neue Herausforderung entsteht: Die Fragmentierung der Zielgruppen macht es nötig herauszufinden, wo die wichtigsten Nutzer:innen ihre Unterhaltung suchen.

Werbetreibende sollten daher versuchen, ihre Daten heranzuziehen, um herauszufinden, welche Plattformen ihre Zielgruppe nutzt, und Strategien entwickeln, um sie dort zu erreichen.

Und da endet die Entwicklung noch nicht: Sollten die großen Streaming-Anbieter auch ihr Angebot für programmatische Werbung verfeinern, sowohl aus Perspektive des Datenschutzes als auch der Messung, könnte das ein noch vielfältigeres Spektrum an Advertisern ansprechen. Auch kleinere und KPI-getriebene Marktteilnehmer könnten so vermehrt mit neuen Möglichkeiten der Werbeansprache auf dem Fernseher experimentieren.

Hier schließt sich der Kreis

Wenn man über die Zukunft des Fernsehens nachdenkt, ist es schwer, die Ironie zu übersehen, die darin steckt. Der bemerkenswerte Aufstieg von CTV war angetrieben von dem Wunsch, das traditionelle, lineare Fernsehen aufzubrechen. Aber in vielerlei Hinsicht hat sich nun der Kreis geschlossen: Wir haben wieder ein Angebot, das sowohl aus kostenlosen als auch aus kostenpflichtigen Inhalten besteht, mit Filmen und Box-Sets auf Abruf sowie linearen Programmen. Die Zuschauer:innen wechseln einfach von einer Plattform zur anderen, um ihr bevorzugtes Unterhaltungsprogramm zu verfolgen, beschränken sich nicht mehr auf Abonnementdienste und zeigen eine größere Empfänglichkeit für Werbung.

Natürlich gibt es Unterschiede zu früher, vor allem in der schieren Zahl: mehr Anbieter, mehr Inhalte, mehr Zuschauende, mehr Geräte, über die wir auf das Fernsehen zugreifen können. Was jedoch gleich bleibt, ist die Tatsache, dass Werbung dem Erlebnis nicht unbedingt abträglich sein muss, im Gegenteil: Einmal mehr erweist sie sich als wertvoll für viele Zuschauer:innen, da sie ihnen das bisher Unzugängliche zugänglich macht.

Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Christian Russ Über den Autor/die Autorin:

Christian Russ ist als Head of Sales DACH bei Samsung Ads, einem Geschäftsbereich von Samsung Electronics, für den Ausbau des Geschäfts im deutschsprachigen Raum und die strategische Ausrichtung des Vertriebs zuständig. Mit seinem Team verantwortet er die Erweiterung des Kunden- und Partnernetzwerkes der Werbeplattform, die sich auf Advanced TV Marketinglösungen spezialisiert hat. Das Team von Samsung Ads Deutschland hat Niederlassungen in Düsseldorf und München und beschäftigt 15 Mitarbeiter:innen.

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