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MOBILE - Interview mit Jan Gräwen, YOC

Multi-ID-Ansatz für Mobile Targeting?

Karsten Zunke, 7. Juni 2024
Bild: Anirudh – Unsplash

Der Mobile-Adtech-Spezialist YOC hat eine Targeting-Lösung entwickelt, die auf einem Multi-ID-Ansatz beruht und bei einem ersten Test erstaunlich gute Ergebnisse geliefert hat. Wir haben mit Jan Gräwen, Chief Commercial Officer (CCO) von YOC, darüber gesprochen, welches Potenzial alternative IDs für das Targeting auf mobilen Geräten bieten und wie sich YOC unabhängig von Big Tech positioniert.

Bild: YOC Jan Gräwen, YOC

ADZINE: Google hat das Cookie-Aus erneut verschoben. Ist das aus eurer Sicht gut oder schlecht für den Markt, der nun länger Zeit hat, sich auf die Post-Cookie-Ära einzustellen?

Jan Gräwen: Wir sind enttäuscht. Bis zum vorletzten Verschieben waren sehr viele Publisher und auch andere Stakeholder noch nicht ausreichend vorbereitet. Deswegen hatte man sich meistens über eine Cookie-Verlängerung gefreut. Jetzt war es anders. Unsere Publisher haben beispielsweise einen sehr großen Sprung gemacht, wir wären zum Halbjahr gewappnet gewesen. So bleibt es nach wie vor schwierig, ID-Lösungen zu testen. Denn noch herrscht das Wasserfallprinzip vor und darin ist vorgesehen, dass zuerst der Cookie als stabiler Identifier angefragt wird und erst dann die ID-Lösung. Solange es den Cookie gibt, wird bei sehr vielen Plattformen also auch sehr viel über Cookies laufen.

ADZINE: Du sagst, ihr wärt startbereit gewesen …

Gräwen: Ja, wir sind seit geraumer Zeit bereit. Wir haben ein Targeting entwickelt, das auch in Cookieless-Umfeldern möglich ist. Dabei fahren wir einen Multi-ID-Ansatz. Wir haben diese ‚Identity Intelligence‘-Lösung in unsere Plattform integriert und kürzlich mit sehr guten Ergebnissen getestet.

ADZINE: Das heißt, ihr setzt jetzt auf alternative IDs statt Cookies?

Gräwen: Richtig. Grundsätzlich können wir das Targeting mit IDs passiv und aktiv ermöglichen. Zum einen unterstützen wir alle IDs im Bidstream und können diese an Partner-DSPs durchreichen. Zum anderen targeten wir aktiv. Wenn wir beispielsweise eine IO-Kampagne targeten, haben wir direkte Partnerschaften mit ID-Anbietern. In solchen Fällen erhalten wir quasi einen Schlüssel für die ID – das sogenannte Decryption Modul. Die Third-Party-DMPs, mit denen wir arbeiten, haben auch die Möglichkeit zu decrypten. So ergibt sich ein Match, auf das man targeten kann.

ADZINE: Was ist das Besondere an eurem Ansatz?

Gräwen: Bei Identity Intelligence handelt sich um ein flexibles System, das jeden Identifier aktivieren kann, um Zielgruppendaten aus verschiedenen Quellen zuzuweisen – beispielsweise von unseren Publishern oder DMPs. Zum einen nutzen wir dafür einen Multi-ID-Ansatz. Das bedeutet, dass wir uns die Zielgruppe einer Kampagne anschauen und dann entsprechend der Kampagne und dem benötigtem Traffic die für uns beste ID-Solution auswählen. Zum anderen fragt die Lösung diverse DMPs an, um das Targeting der gewünschten Zielgruppe zu realisieren. Im Endeffekt muss der Advertiser lediglich seine Zielgruppe festlegen und an unsere Plattform übergeben. Unsere Lösung prüft, welche Informationen vorliegen und welche DMPs passende Segmente bieten und startet das Targeting auf ID-Basis. Spezialinteressen innerhalb dieser Zielgruppe kann das Tool zusätzlich mit kontextuellen Segmenten verbinden und kombinieren.

ADZINE: Ihr habt die Lösung kürzlich auf Safari getestet und konntet die durchschnittliche Anzahl verfügbarer Impressionen pro Minute um 800 Prozent steigern. Wie seid ihr vorgegangen?

Gräwen: Wir haben zwei identische Kampagnen eingerichtet. Eine Kampagne lief im Safari-Browser, in dem Cookies standardmäßig deaktiviert sind und die andere im Chrome-Browser, in dem Drittanbieter-Cookies noch verfügbar sind. Beide Kampagnen wurden auf das gleiche Inventar ausgerichtet. Für die Kampagnen wurden die IDs von ID5 und Shared ID aktiviert, die soziodemografischen Segmente stellte uns Emetriq bereit. Das deutliche Ergebnis der Kampagne im Cookie-freien Safari-Browser zeigt uns, dass soziodemografisches Targeting auch in der Post-Cookie-Ära möglich sein wird.

ADZINE: Also müssen Advertiser künftig nicht zwingend auf kontextuelles oder semantisches Targeting setzen oder auf die Google Sandbox warten?

Gräwen: Nein, das ist nicht nötig. Es wird auch weiterhin möglich und wichtig sein, soziodemografisch zu targeten. Jahrzehntelang hat die Industrie die Advertiser dazu aufgefordert, ihre Zielgruppen zu definieren – was sie auch getan haben. Wir können jetzt nicht alles über Bord werfen und von Werbetreibenden verlangen, dass sie wieder davon abrücken und auf kontextuelles Targeting setzen oder Personas für die Zielgruppenansprache verwenden. Wir sind überzeugt, dass soziodemografisches Targeting der beste Weg ist, um seine Zielgruppen relevant anzusprechen – und dabei wollen wir Advertisern helfen.

ADZINE: Läuft dann in Sachen Targeting alles wie gehabt, nur über ID-Lösungen?

Gräwen: Über ID-Lösungen und stabile DMP-Partnerschaften ist aus unserer Sicht ein soziodemografisches Targeting sehr gut realisierbar. Aber uns ist auch bewusst, dass einiges nicht wie gewohnt funktionieren wird, insbesondere im Bereich Behavioral Targeting. In solchen Fällen kann beispielsweise Contextual eine sehr gute Lösung sein, um solche Segmente zu identifizieren und anzusprechen.

ADZINE: Aber irgendwann wird auch Google seine Lösung präsentieren, auf die der Markt nun schon sehr lange wartet …

Gräwen: Wir legen sehr viel Wert darauf, dass wir unabhängig von Google und anderen Browser-Anbietern agieren und eine Lösung am Start haben, die überall funktioniert – in jedem Browser und unabhängig von einer künftigen Google-Lösung. Das ‚Browsergame‘ machen wir nicht mit.

ADZINE: Auf welchen Geräten greift eure Lösung?

Gräwen: Sie greift auf allen webbasierten Anwendungen, in allen Browsern. Theoretisch ist unser Targeting-System auch In-App realisierbar. Dazu müssen die IDs in den Applikationen integriert werden, aber hier stehen wir noch ganz am Anfang. Im Web ist der Markt deutlich weiter. Wir gehen davon aus, dass bereits mehr als 95 Prozent unserer Publisher zumindest eine ID verbaut haben. In der Regel setzen Publisher aber schon heute deutlich mehr ID-Solutions ein.

ADZINE: Was ist eure Vision – wie wird die Zielgruppenansprache in einer Werbewelt ohne Third-Party-Cookies erfolgen?

Gräwen: Es wird auch in Zukunft verschiedene Lösungen geben, die für das Targeting genutzt werden können, auch mehrere ID-Solutions. Eine alleinige, universelle Identity-Lösung halte ich für unwahrscheinlich. Ein besonderer Fokus für die zielgerichtete Nutzeransprache wird auf der Aktivierung der First-Party-Daten liegen. Und auch Zero-Party-Daten dürften stärker ins Interesse der Advertiser rücken. In Bezug auf die Targeting-Strategie werden verschiedene Methoden stärker miteinander kombiniert werden und sich ergänzen. Insbesondere die Kombination aus soziodemografischem Targeting und kontextuellem Targeting wird Advertisern helfen, ihre Zielgruppe auch zukünftig relevant anzusprechen.

ADZINE: Danke für das Gespräch, Jan!

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