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PERFORMANCE - Interview mit Taboola

Warum Social und Search ihre Grenzen erreicht haben

Karsten Zunke, 3. November 2025

Interview mit Taboola

Bild: Alexandersgatan – Unsplash

Steigende Preise, schwächere Ergebnisse – viele Werbetreibende sehen sich wachsenden Herausforderungen gegenüber, wenn sie ihre Performance-Kampagnen bei Meta, Google oder in anderen Walled Gardens schalten. Da es für Performance-Ziele bislang an Alternativen mangelt, wird an den Investitionen jedoch kaum gerüttelt. Das Adtech-Unternehmen Taboola glaubt, mit seiner Technologie eine Alternative im offenen Internet schaffen zu können. Im Interview schätzen Adam Singolda, Gründer und CEO von Taboola, und Markus Frank, Zentraleuropa-Chef der Adtech-Plattform, die aktuelle Marktlage ein und erläutern, wie das Open Web vom anhaltenden KI-Boom profitieren könnte.

ADZINE: Hallo Adam, Werbetreibende beobachten derzeit rückläufige Kampagneneffizienz in den Bereichen Search und Social. Welche Hauptfaktoren sind aus deiner Sicht dafür verantwortlich?

Bild: Taboola Adam Singolda, Taboola

Adam Singolda: Sowohl Social als auch Search haben ihre Grenzen erreicht. Obwohl ein Großteil der Performance-Marketing-Budgets in Social Media investiert wird, sehen sich viele Werbetreibende mit einem sinkenden ROI konfrontiert. Höhere Ausgaben führen nicht automatisch zu besseren Ergebnissen. Je mehr sie investieren, desto teurer wird die Performance und der ROI beginnt zu sinken. Drei Viertel der US-Werbetreibenden, die auf Performance-Marketing setzen, geben an, dass sie ab einem bestimmten Investitionsniveau einen Rückgang des ROI feststellen. Das ist, wenn man so will, ein Abnutzungseffekt – auch bekannt als „Ad Fatigue”. Man erreicht immer wieder dieselben Personen und zahlt mehr für weniger Ergebnisse. Da es aber an verlässlichen Alternativen mangelt, investieren Marketer:innen weiterhin – und so wird ein erheblicher Teil des Budgets wirkungslos ausgegeben.

ADZINE: Wie ist diesbezüglich die aktuelle Situation in der DACH-Region, Markus? Spielen hier zusätzliche Faktoren rein?

Bild: Taboola Markus Frank, Taboola

Markus Frank: In der DACH-Region beobachten wir ähnliche Muster: Sowohl bei Search als auch bei Social haben Werbetreibende einen Punkt erreicht, an dem zusätzliche Ausgaben nicht automatisch zu einer besseren Performance führen. Gleichzeitig spielen regionale Dynamiken eine wichtige Rolle. Die hiesigen Datenschutzbestimmungen wie die DSGVO haben zu Recht die Daten der Nutzer:innen im Blick und machen das Tracking und die Messung von Werbeaktivitäten komplexer. Zugleich führt kein Weg daran vorbei, dass Marketer ihre Targeting-Strategien an den Wegfall der Third-Party-Cookies anpassen.

Eine Besonderheit im Markt ist die Stärke lokaler Publisher und Allianzen, die einer fragmentierten Medienlandschaft gegenüberstehen und zugleich Art und Weise prägen, wie Zielgruppen erreicht werden können. Schließlich reagieren Verbraucher:innen in Deutschland und den benachbarten Märkten besonders sensibel auf Datennutzung und Werbefrequenz, was Ad-Fatigue verstärkt und die Grenzen traditioneller Performance-Kanäle noch stärkt.

ADZINE: Wie unterscheiden sich die aktuellen Herausforderungen im Advertising von denen in der Vergangenheit?

Adam: Auf Makroebene tendiert die Branche immer mehr zu Performance-Marketing und Ergebnissen. Werbetreibende wollen Unternehmenswachstum und müssen sich auf der Ebene des CMO und darunter mit Ergebnissen, Attributionsmodellen und Messungen auseinandersetzen, um ihre Zeit und ihr Geld entsprechend einzusetzen. Das bedeutet: Wenn sie gut in Performance-Marketing sind, werden sie wahrscheinlich mehr Wachstum erzielen. Wenn nicht, wird es schwieriger, sich zu behaupten. Denn ich bin mir nicht sicher, ob diese Unternehmen im Laufe der Zeit noch viel Geld verdienen werden.

ADZINE: Viele Marken hinterfragen zunehmend die Abhängigkeit von wenigen dominanten Plattformen wie Google oder Meta. Siehst du Anzeichen für eine stärkere Fragmentierung der Werbemärkte beziehungsweise eine Stärkung des Open Web? Welche neuen Kanäle oder Strategien gewinnen an Bedeutung?

Adam: Die meisten Werbetreibenden konzentrieren ihre Performance-Budgets stark auf Meta und Google. Dies sind jedoch hart umkämpfte Plattformen und die Gewinnung neuer Kunden und Kundinnen wird im Laufe der Zeit schwieriger und teurer. Meiner Meinung nach sind Publisher der Inbegriff von Premium. Warum sollte ein Nachrichten-Publisher als weniger hochwertig angesehen werden als Instagram oder Tiktok? Es geht nicht um Qualität – TikTok ist für unsere Kinder offensichtlich weniger sicher als NBC News –, sondern um den Wert. Wenn Werbetreibende mit Publishern eine vergleichbare Performance erzielen könnten, würden sie ihre Ausgaben verdoppeln, verdreifachen oder vervierfachen. Unsere Mission ist es, Werbetreibenden diesen Wert im offenen Web zu bieten, um mit den Walled Gardens zu konkurrieren und somit das offene Web zu retten.

ADZINE: Mit dem Aufstieg von Gen-AI-Tools wie Chatbots und AI-Suchsystemen konsumieren User Inhalte zunehmend außerhalb klassischer Publisher-Seiten. Welche langfristigen Auswirkungen erwartest du für die Werbeeinnahmen im Open Web, wenn dieser Trend anhält?

Adam: Die Gen-AI-Suche und entsprechende Large Language Models gibt es erst seit etwa einem Jahr und in dieser kurzen Zeit ist der Search Traffic zurückgegangen – wenn auch bei einigen mehr und bei anderen weniger. Menschen werden auch weiterhin Journalismus, Rezensionen und Geschichten aus vertrauenswürdigen Quellen wollen. Die Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass der Wert auch dann wieder an die Publisher zurückfließt, wenn KI die Informationssuche verändert. Wenn wir den Nutzen, den Werbetreibende aus großen Plattformen ziehen, erreichen und auf das Open Web übertragen können, sichern wir auch den Erfolg der Publisher.

ADZINE: Markus, verhält sich der DACH-Markt ähnlich oder gibt es hier Unterschiede?

Markus: Wir beobachten ähnliche Veränderungen, wenn auch mit etwas unterschiedlichem Tempo. Der Search Traffic steht unter Druck, da generative KI die Informationssuche verändert. Vertrauenswürdiger Journalismus und etablierte lokale Verlage genießen jedoch weiterhin hohes Ansehen. Auffällig im hiesigen Markt ist die starke Rolle von regulatorischen Rahmenbedingungen und die Erwartung von Verbrauchern und Verbraucherinnen in Bezug auf den Datenschutz. Dies macht es umso wichtiger, sicherzustellen, dass die Wertschöpfung im Open Web nachhaltig ist. Wenn Werbetreibende und Publisher ihre Modelle an diese Realitäten anpassen, können sie auch außerhalb der großen Plattformen nach wie vor ein erhebliches Potenzial für gesunde Umsätze ausschöpfen.

ADZINE: Wie sollten Publisher auf die aktuellen Entwicklungen reagieren?

Adam: Das Open Web gedeiht, wenn Innovation und Fairness Hand in Hand gehen. Es ist nicht nachhaltig, dass sich Gen-AI-Engines auf Inhalte von Publishern stützen, dabei aber nur wenig Traffic zurücksenden und nur wenige ausgewählte Publisher dafür entlohnen. Publisher verdienen eine angemessene Gegenleistung für ihre Arbeit. Wir müssen eine Zukunft gestalten, in der KI das Open Web fördert, anstatt es auszubeuten. Dazu muss sie sinnvollen Traffic generieren, Werte teilen und die Urheber und Urheberinnen respektieren, die das Internet erst entdeckenswert machen.

ADZINE: KI-Anbieter experimentieren in ihren Chats bereits mit Werbung. Sind KI-Chatbots und KI-Suchsysteme prinzipiell auch ein geeignetes Umfeld für Content-Empfehlungen und personalisierte Inhalte – also auch für Anbieter wie euch interessant?

Adam: Ein Bereich, auf den wir uns konzentrieren, ist die Ausweitung von Gen-AI-Suchmaschinen auf Publisher-Webseiten. Wir bieten Publishern damit die Möglichkeit, sich nach ihren eigenen Vorstellungen an der Gen-AI-Revolution zu beteiligen. Sie können reichhaltigere und vertrauenswürdigere Erlebnisse für Nutzer und Nutzerinnen schaffen und bisher unerreichbare Monetarisierungsmöglichkeiten, ähnlich wie bei Search, erschließen. Langfristig bedeutet das, Publisher in die Lage zu versetzen, Momente mit hoher Kaufabsicht durch KI-Agenten zu besetzen – in Kategorien wie Reisen, Finanzen, Sport und Handel, in denen User wichtige Entscheidungen auf Plattformen treffen, denen sie bereits vertrauen. Es ist der Wechsel von 50 Cent pro Klick zu 500 Dollar pro Conversion – und das direkt auf der Webseite des Publishers.

ADZINE: Abschließend noch ein Blick auf den DACH-Markt, Markus. Was sind aus eurer Sicht im deutschsprachigen Raum die größten Werbetrends und welche lokale Dynamik lässt sich beobachten?

Markus: Es zeichnen sich zwei Trends deutlich ab. Erstens der stetige Aufstieg von Retail Media. Große E-Commerce-Plattformen und lokale Marktplätze werden zu zentralen Werbekanälen. Zweitens die Verlagerung hin zu Privacy-First-Lösungen: Kontextuelles Targeting, First-Party-Datenstrategien und cookielose Ansätze schreiten rasch voran – aufgrund von Regulierung und der Erwartungen der Verbraucher und Verbraucherinnen.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview!

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