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CONNECT

Modern Video Advertising: Innovation durch Integration

Anton Priebe, 8. Oktober 2025
Bild: Edge2edge Media – Unsplash

Die Werbelandschaft rund um Bewegtbild befindet sich im Umbruch. Klassisches Fernsehen verliert an Reichweite, während digitale Alternativen wie Streaming, Online- oder Social Video und Digital-out-of-Home (DOOH) wachsen. Diese Fragmentierung erschwert die Planung, eröffnet durch Digitalisierung jedoch neue Chancen, Kampagnen kanalübergreifend zu steuern und ihre Wirkung zu messen. Im Vorfeld der ADZINE CONNECT VIDEO zeigen sechs Expertinnen und Experten, wo das größte Innovationspotenzial liegt: bei neuen Kanälen, fortschrittlicher Technologie, intelligenter Datennutzung oder der Integration aller Elemente.

Neue Kanäle, neue Chancen

Bild: JOM Roland Köster, JOM

„Besonders spannend ist derzeit die Dynamik rund um Connected TV und werbefinanzierte Streaming-Angebote“, sagt Agenturfachmann Roland Köster von der JOM Group. Mit Werbeplätzen bei Prime Video seit Anfang 2024 und dem werbefinanzierten Abo von Disney+ seit 2023 seien Premium-Inhalte programmatisch buchbar geworden. Gleichzeitig entstehe in Europa ein Markt für FAST-Channels, während Social-Plattformen wie Tiktok Shop und Youtube Shorts Video mit direktem Einkauf verbinden. Auch Sport-Streaming lege stark zu, und im Bereich Programmatic DOOH werde in Deutschland bereits ein Viertel der Kampagnen automatisiert ausgespielt.

Bild: Raimar von Wienskowski Andreas Heintze, Ströer / Bild: Raimar von Wienskowski

Letzteres ist Wasser auf die Mühlen von Andreas Heintze, SVP Product Management & Marketing bei Ströer. Er sieht das größte Innovationspotenzial wenig überraschend aktuell in der digitalen Außenwerbung. Die aktuelle Bewegtbild-Äquivalenz-Studie belege, dass DOOH eine wertvolle Ergänzung des Bewegtbildinventars darstelle, besonders in einer fragmentierten Medienlandschaft. Crossmediale Kampagnen, etwa in Kombination mit TV oder Online-Video, erzielten eine deutlich höhere Wirkung als Einzelmaßnahmen. Besonders groß sei das Potenzial im Upper Funnel bei der Markenbekanntheit, aber auch im Lower Funnel bei der Aktivierung. Zunehmend wichtig würden datengetriebene und dynamisch ausgesteuerte Formate, etwa 3D-Videocontent oder die kontextuelle Aussteuerung nach Ort, Tageszeit oder Wetter. „Frühzeitig in datengetriebene, dynamische oder interaktive DOOH-Formate zu investieren, kann einen technologischen Vorsprung sichern und kreative First-Mover-Effekte ermöglichen“, sagt Heintze.

Bild: Weischer John Schmidt, Weischer.Cinema

Ein weiterer Kanal, der aktuell an die programmatische Werbewelt angeschlossen wird, ist das Kino. Der Rückgang der TV-Budgets beschleunige sich, wodurch Platz geschaffen wird für Neues, erklärt John Schmidt, Head of Sales Programmatic Cinema von Weischer.Cinema. Er betont, ähnlich wie Heintze, dass der individuelle Wirkungsbeitrag der einzelnen Kanäle wieder stärker in den Fokus rücke. „Social Video mit einer Aufmerksamkeitsspanne von gerade mal einer Sekunde kann vor allem dann im Lower Funnel effizient eingesetzt werden, wenn die Werbebotschaft zuvor auf anderen Kanälen in Gänze gesehen und emotional verankert wurde“, so Schmidt. Kino habe auf der großen Leinwand nachweislich einen hohen Attention-Wert und könne dadurch wieder zu einem zentralen Bestandteil im Mediamix werden.

Technologische und datengetriebene Innovationen

Bild: D-Force Jens Pöppelmann, D-Force

Im Bereich Programmatic Connected TV beschreibt Jens Pöppelmann, Geschäftsführer der D-Force, die Entwicklung als spannend, aber noch nicht konsolidiert. Die Vielzahl an Geräten wie Smart-TVs, Streaming-Sticks oder Set-Top-Boxen führe zu stark unterschiedlichen technischen Standards, Datenverfügbarkeiten und Targeting-Möglichkeiten. Fortschritte gebe es durch Initiativen wie das IAB Tech Lab mit Open RTB für CTV, VAST und OM SDK, doch Themen wie Ad Verification, Measurement und Frequency Capping seien noch nicht flächendeckend gelöst. Auch das Identity- und Consent-Management bleibe eine Herausforderung. Pöppelmann plädiert daher für einen pragmatischen Ansatz: Generell sollte man auf dem Weg hin zu Standards eher über „Brücken bauen” sprechen. “Damit meine ich, dass sich Partner auf ein technisches Setup verständigen und dieses an den Markt kommunizieren sollten.”

Bild: Realytics Sabine Fischbach-Neumann, Realytics

Innovation finde jedoch nicht nur in Formaten und Kanälen statt, betont Sabine Fischbach-Neumann, DACH-Chefin der Smartclip-Tochter Realytics. Fortschrittliche Targeting-Techniken ermöglichten personalisierte Erlebnisse auf Basis von Interessen, Verhalten und Demografie. Künstliche Intelligenz beschleunige die Entwicklung von der Kampagnenerstellung über die Automatisierung des Inventarkaufs bis hin zu Reporting und Analyse. Ihr Unternehmen integriere KI etwa, um große Datenmengen besser zu kontextualisieren.

Bild: Emetriq Peter Lorenz, Emetriq / T Ads

In Sachen Datennutzung für Bewegtbildkampagnen pocht Peter Lorenz, Lead Product Marketing & Strategic Growth von Emetriq und T Ads, darauf, dass es weniger auf einzelne Datentöpfe ankomme, sondern auf die intelligente Kombination verschiedener Quellen. “Dazu zählen Retail-Daten, die wertvolle Einblicke in Kaufentscheidungen liefern, ebenso wie Marktdaten von Anbietern und natürlich First-Party-Daten der Werbetreibenden”. Besonders relevant seien Daten aus dem TV- und Streaming-Verhalten, etwa zu TV-Wenigsehern, zum Streamingkonsum oder zu Interessensprofilen. Ergänzend spielten Kontext- und Geo-Daten eine wachsende Rolle, zunehmend unterstützt durch KI.

Daten, IDs und Messbarkeit

Wer über Daten spricht, kommt am Thema Identifier nicht vorbei. IDs bleiben zentral für die kanalübergreifende Steuerung, auch auf dem Big Screen. „Ohne sie sind weder eine vermarkterübergreifende noch eine crossmediale Kampagnenausspielung möglich“, weiß Jens Pöppelman. Unterschiedliche ID-Systeme wie die Werbe-ID von Apple TV, die GAID bei Android-Geräten oder herstellerspezifische Device-IDs müssten konsistent zusammengeführt werden. Offene Standards wie die NetID könnten dabei helfen. Ein sogenanntes Haushalts-Frequency-Capping auf Basis von Cross-Device-Graphen ermögliche eine abgestimmte Aussteuerung über Plattformen hinweg, etwa zwischen RTL+ und Joyn. „IDs sind die Grundlage, um Daten und Inventare über alle Kanäle hinweg zu verknüpfen. Damit diese Daten wirksam genutzt werden können, ist eine Multi-ID-Technologie essenziell“, ergänzt Lorenz.

Die Brücken zwischen TV und Digital funktionieren bereits in der Praxis, ist hingegen Sabine Fischbach-Neumann überzeugt. Werbetreibende kombinieren TV und Digitalaktionen, indem sie TV-Zuschauer mit Retargeting erneut ansprechen oder ihre eigenen Daten in Lower-Funnel-Strategien integrieren. “Mit der zunehmenden Digitalisierung des Fernsehens durch Addressable-, Programmatic-TV und Streaming fallen die Brücken und positionieren sich solide in einer komplementären Koexistenz”, sagt sie.

Verzahnung als Wettbewerbsvorteil

„Der größte Vorsprung entsteht dort, wo Daten, Technologie und Inhalte zusammengedacht werden“, fasst JOMs Roland Köster zusammen. Die Plattformen machen es vor: Disney und RTL setzen seit 2023 und 2024 auf Data Clean Rooms, die einen datenschutzkonformen Abgleich von Publisher- und Advertiser-Daten ermöglichen. Amazon verknüpft mit Prime Video Ads und der Marketing Cloud die emotionale Wirkung von Bewegtbild mit konkreten Kaufsignalen. Commerce-fähige Formate wie Tiktok Shop oder Youtube Shorts verkürzen den Weg vom Impuls zum Kauf. „Wer Qualität im klassischen TV und Messbarkeit auf Connected TV ernst nimmt und Live-Umfelder wie Dazn clever nutzt, verschafft sich klare Vorteile“, sagt Köster.

„Gerade für Werbetreibende, die nicht zu den Top-TV-Spendern gehören, bedeutet die aktuelle Entwicklung eine Rückkehr zum Level Playing Field“, ergänzt Weischers John Schmidt. Gleichzeitig steige die Komplexität, da viele Bewegtbild-Kanäle bewertet, orchestriert und gemessen werden müssen. „Die Abkehr von der reinen TKP-Betrachtung hin zu Attention-Scores und die Renaissance von Marketing-Mix-Modellen sehen wir als Reaktionen darauf“, so der Kinoexperte.

Die Summe der Einzelteile

Video Advertising hat sich zu einem Ökosystem entwickelt, in dem Kanäle, Technologie und Daten zusammenwachsen. Innovation entsteht durch die intelligente Verzahnung über Gattungsgrenzen hinweg, unterstützt durch smartes Targeting, Multi-ID-Management und kanalübergreifende Messung. Wer diese Elemente kombiniert, kann Reichweiten effizient steuern, kreative Potenziale ausschöpfen und den Weg vom Impuls zum Kauf verkürzen. Standardisierung bleibt dabei ein wichtiges Thema, um den Markt transparent und effizient zu gestalten. Die nächste Innovationswelle wird jedoch weniger durch einzelne Technologien bestimmt als durch ihre Integration in das große Ganze.

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