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CONNECTED TV

How to connect Connected TV: Wer bringt Ordnung in den fragmentierten Markt?

Anton Priebe, 16. Oktober 2025
Bild: Mick Haupt – Unsplash

Der Markt für Connected TV (CTV) wächst konsequent weiter. Mit ihm dehnt sich das zersplitterte Angebot aus, das sich über einen Flickenteppich aus Streamingdiensten, Mediatheken, Videoplattformen, Sendern, Geräteherstellern und Betriebssystemen erstreckt. Das Werbeökosystem, das hinter der Mattscheibe operiert, besteht aus vielen unterschiedlichen Parteien, wobei alte Vermarktungsstrukturen und neue Plattformlogiken aufeinanderprallen. Wer soll die fragmentierte CTV-Landschaft zu einem Stück zusammenpuzzeln? Wer hat die Marktmacht und das Vertrauen dazu? Und ist dazu überhaupt jemand in der Lage? Im Vorfeld der ADZINE CONNECT VIDEO haben wir in der Branche nachgefragt.

Zwischen Vertrauen, Skalierung und Technologie

Bild: Pubmatic Jan-Henrik Scharlach, Director Advertiser Solutions von Pubmatic

Einig sind sich die Marktteilnehmer:innen darin, dass kein Akteur allein das Ruder übernehmen kann. „Kein einzelner Anbieter hat derzeit alle Trümpfe in der Hand, aber jede Gruppe hat klare Vorteile", sagt Jan-Henrik Scharlach von der Supply-Side-Plattform Pubmatic. Nicole Mortier von der Adtech-Gruppe Virtual Minds pflichtet bei, betont jedoch die Rolle der Technologie-Anbieter: „Aus heutiger CTV-Perspektive sind es vor allem die Tech-Player, die die größten Chancen haben, Reichweiten über Anbietergrenzen hinweg zu konsolidieren.” Sie würden über die Kompetenzen verfügen, um Inventare datenbasiert plattformübergreifend zu bündeln und anzusteuern.

Doch Technologie allein macht noch keinen Markt. Scharlach betont, dass die klassischen Sender und Publisher „nach wie vor die zuverlässigsten Quellen für Premium-Inventar und vertrauensvolle Zuschauerbeziehungen” seien. „In mehreren europäischen Märkten zeigen gemeinsame Initiativen, dass kooperative Vertriebsstrategien in markensicheren Umgebungen Skalierung und Standardisierung ermöglichen können", so Scharlach. Mortier verweist ebenfalls auf Sender- und Vermarkter-Allianzen wie die D-Force oder EBX auf europäischer Ebene. Gleichzeitig bremsen strukturelle Herausforderungen bei der Abstimmung von Technologie-Stacks, Datenstandards und Wettbewerbsinteressen eine echte Konsolidierung, sagt Scharlach.

Plattformen als dritte Kraft

Bild: Virtual Minds Nicole Mortier, SVP Account Management & Platform Solutions von Virtual Minds

Parallel dazu gewinnen Plattformen und Gerätehersteller an Bedeutung. Sie können das Zuschaueraufkommen über Apps hinweg aggregieren, steuern die Benutzeroberfläche und „verfügen sowohl über First-Party-Zuschauerdaten als auch über eine Werbeinfrastruktur", erklärt Scharlach. Ihre Schwächen lägen jedoch in Transparenzproblemen und einem potenziellen Interessenkonflikt zwischen Plattformkontrolle und Publisher-Unabhängigkeit.

Technologie-Anbieter fungieren letztlich eher als Bindeglieder, so die Introspektive der Adtech-Profis. „Durch einheitliche IDs, kanalübergreifende Messung und Demand-Side-Plattformen, die mehrere Inventare verknüpfen, ermöglichen Tech-Player die Orchestrierung von Kampagnen über fragmentierte Quellen hinweg", erklärt Scharlach. Ihr Erfolg hänge von der Qualität der Publisher-Integrationen sowie der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ab.

„Sender sorgen für Vertrauen, Plattformen für Skalierung, Technologie für Interoperabilität – aber nur kooperative Ökosysteme ermöglichen eine langfristige und echte Lösung für den Markt”, fasst Scharlach zusammen. Nicole Mortier erwartet für die Zukunft ein hybrides Modell: „Tech-Player treiben die technologische Integration und Reichweitensteuerung voran, Publisher- und Broadcaster-Allianzen sorgen für Qualität, Standards und vertrauenswürdige Umfelder." Die Zukunft liege zudem in der konvergenten Verknüpfung von CTV-Reichweiten mit linearen TV-Reichweiten, wie dies bereits in Deutschland und Österreich begonnen wurde.

Zahlreiche Modelle versuchen bereits, die strukturelle Zersplitterung zu überwinden. Scharlach sieht Bewegung vor allem bei gemeinsamen Vertriebs- und Datenallianzen. „Unternehmen investieren in geräteübergreifende Messung und Attribution und kombinieren lineare und CTV-Impressionen zu vergleichbaren Kennzahlen", erklärt er. Dies stärke das Vertrauen in kombinierte Käufe, die Harmonisierung der Kennzahlen sei jedoch noch in Arbeit.

Programmatic als Bindeglied

Programmatic ist dabei der Kitt, der vieles zusammenhält. „CTV-Inventar wird zunehmend programmatisch verkauft, häufig über Private Marketplaces oder kuratierte Deals", sagt Scharlach. Das ermögliche Käufern ein Targeting über Streamer und Sender hinweg bei gleichzeitiger Kontrolle über Frequenz, Zielgruppenprofile und Markensicherheit. „Die Angebotsfragmentierung bleibt jedoch bestehen: Jeder Sender, jede Plattform und jeder OEM definiert ‚programmatisch' etwas anders”, warnt Scharlach.

Bild: Rakuten Gregor Fellner, Sr. Director Media GSA/EE von Rakuten TV

Gregor Fellner von Rakuten sieht ebenfalls Programmatic als entscheidenden Hebel. „71 Prozent der Vermarkter verlassen sich auf DSP-Partner und Publisher-Netzwerke, um die Fragmentierung zu bewältigen", berichtet er. Programmatic spiele eine entscheidende Rolle, indem es aggregierte Signale und IDs für datengestützte Werbeplatzkäufe nutze.

„Es geht darum, eine gemeinsame Sprache für Daten, Inventar und Messung zu schaffen", betont Scharlach. Da Premium-Videoangebote immer adressierbarer werden, würden programmatisch kuratierte Marktplätze wahrscheinlich zur Norm. Eine weitere Entwicklung sieht Scharlach an der Schnittstelle zwischen CTV und Retail Media, wo Einzelhändler ihre First-Party-Daten für Videoumgebungen öffnen. Dies könne Lücken in den Zielgruppendaten schließen und gleichzeitig besser nachverfolgbare Ergebnisse gewährleisten.

Die Grenzen der Standardisierung

Vollständige Standardisierung bleibt jedoch Wunschdenken. Sie hänge noch von einer universellen ID und Nettoreichweiten-Messung ab. „Die Fragmentierung wird von den Walled Gardens bisher noch eher erhöht als minimiert", so Fellner. Mortier pflichtet ihm bei: “Viele Streaminganbieter halten an ihren proprietären Systemen fest und schaffen so neue Walled Gardens, von denen vor allem internationale Anbieter profitieren.” Kurzfristig bleibe der CTV-Markt kleinteilig, insbesondere aufgrund der technologischen Heterogenität und fehlender Standardisierung. Mittelfristig zeichne sich jedoch ein klarer Trend zu mehr Kooperation, Integration und Automatisierung ab.

CTV und lineares Fernsehen: kein Gegeneinander mehr

Bild: Hearts & Science Clara Diehl, Managing Partner von Hearts & Science

CTV ist längst kein Nischenkanal mehr, sondern Teil des Mediaplans und zunehmend in Kombination mit linearem Fernsehen geplant. „CTV und lineares TV werden zum überwiegenden Teil Hand in Hand geplant", bestätigt Agenturexpertin Clara Diehl von Hearts & Science. „Für die meisten Zielgruppen kann man es nach wie vor so formulieren: Lineares TV ist der Reichweitenlieferant, CTV dient der individualisierten Justage im Sinne inkrementeller Reichweiten, spezifischer Targetings oder auch geografischer Anreicherung." Lediglich bei den unter 35-Jährigen sei CTV heute tatsächlich Substitut.

Im Vergleich zu Online- oder Social-Video hebe sich CTV deutlich ab. „Die Aufmerksamkeit ist in CTV durch das signifikant geringere Clutter deutlich höher, die Nutzungssituation unterscheidet sich und auch der Screen", so Diehl. „CTV profitiert in der Nutzung von den gleichen Lean-Back-Assoziationen und Big-Screen-Moments wie der große Bruder lineares TV."

Bild: Linkedin Sven Stühmeier, Abteilungsleiter Data & Media bei Vodafone

Sven Stühmeier von Vodafone beschreibt es ähnlich: „Die Mediennutzung zeigt ganz klar, dass wir einen deutlichen Wandel sehen – und das nicht nur in der vermeintlich jungen Zielgruppe. Insgesamt sollte es nicht mehr um TV vs. CTV gehen, sondern darum, dass man effizient beide Kanäle in Planungs-Einklang bringt.” Noch hapere es jedoch an belastbarer Messung. „CTV ist mittlerweile elementar in einem Mediaplan und nimmt eine wichtige Rolle ein. Leider fehlen aktuell noch Messmethodiken, wie wichtig diese Rolle wirklich ist, da das Thema Inkrementalität beziehungsweise Erstkontakt-Reichweite noch nicht gelöst ist", kritisiert Stühmeier.

Eine Währung für alles?

Eine universelle Währung für lineares, Connected TV und Online-Video würde der Konsolidierung des Angebots in CTV helfen, ist aber derweil nicht in Sicht. „Die Standards für die Planung sind heute vielleicht so individuell wie die Agenturen und ihre Kunden", sagt Diehl. „Zeitnah wird sicher kein flächendeckender, einheitlicher Standard für CTV, LTV und OLV entstehen – dafür dreht sich der Markt auf dem Thema schon zu lange im Kreis." Die Entwicklung von Technologie zur Adressierbarkeit im linearen Fernsehen oder das komplette Neudenken von Metriken seien größere Treiber in Richtung Standardisierung.

Stühmeier geht weiter: „Aus Advertisersicht benötigt es keine zusätzliche Währung für CTV – vielmehr sollte geschaut werden, dass eine einheitliche Basis für Videoplanung geschaffen wird.” Diese Planung sollte vom Empfänger ausgedacht sein, nicht durch die Verbreitungsart definiert werden. „Im Sinne einer transparenten und nachvollziehbaren Messung und Planbarkeit ist es erstrebenswert, eine Messmetrik zu haben, die transparent, unabhängig – das heißt nicht durch Sender oder Techplattformen bestimmt – und wirksam über alle Kunden-Touchpoints mit Videoinventaren wie CTV, linear TV, Social- oder Online-Video ist.”

Kooperation als Bedingung für Wachstum

Der Markt für Connected TV ist auf dem Weg zu mehr Struktur, doch die Kräfte bleiben zersplittert. Sender und Vermarkter bringen Vertrauen und Qualität, Plattformen liefern Skalierung, Tech-Player schaffen Interoperabilität – und Programmatic verbindet alles miteinander.

Der Markt bleibt absehbar kleinteilig, bewegt sich jedoch schrittweise in Richtung Vereinheitlichung. Entscheidend wird sein, ob die Akteure ihre jeweiligen Stärken in den Dienst einer gemeinsamen Lösung stellen können, statt an proprietären Systemen festzuhalten. Die Frage ist nicht mehr, ob der Markt zusammenwächst, sondern wie – und wer ihn anführt, ist immer noch nicht geklärt.

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