Adzine Top-Stories per Newsletter
DATA

Effiziente Budgetverteilung in einer zersplitterten Medienwelt

Karsten Zunke, 8. Juli 2025
Bild: Wynand van Poortvliet – Unsplash

Die zunehmende Zersplitterung der Medienlandschaft stellt Werbungtreibende vor neue Herausforderungen. Inhalte sind wichtiger als Kanäle, Zielgruppen sind fragmentierter denn je. Vor allem die Jüngeren bewegen sich zwischen CTV, Social Media und Streaming-Plattformen. Im Interview erklärt Michaela Schmitz, Geschäftsführerin von Audienceproject in der DACH-Region, wie Werbetreibende in dieser komplexen Medienlandschaft den Überblick behalten, Reichweite effizient aufbauen und ihr Mediabudget strategisch einsetzen können.

Bild: Audienceproject Michaela Schmitz, Audienceproject

ADZINE: Die Mediennutzung ist stark fragmentiert. Wie nutzt ihr eure Technologie, um die Unterschiede im Medienkonsum zwischen verschiedenen Zielgruppen genau zu erfassen und auszuwerten?

Michaela Schmitz: Unsere Lösung basiert auf einem hybriden System: einerseits erheben wir umfassende Nutzungsdaten, andererseits greifen wir auf ein Panel zurück, um diese Daten zu validieren und zu deduplizieren – insbesondere bei den Integrationen der Walled Gardens wie Google, Amazon oder Meta. Dabei setzen wir unter anderem auf den Abgleich gehashter E-Mail-Adressen, um Werbekontakte sicher nachweisen zu können. So erhalten wir eine robuste und zielgruppenspezifisch präzise Messung.

ADZINE: … Social Media oder Streaming-Dienste werden dabei auch gemessen?

Schmitz: Ja, wir arbeiten mit Data Clean Rooms, die uns erlauben, unsere Daten mit den Daten der Plattformanbieter wie Netflix, Amazon, Meta oder Disney+ zu matchen – jeweils in plattformspezifisch angepassten Setups. Direkte Datenzugriffe sind in Walled Gardens nicht möglich, aber über unsere tiefen technischen Integrationen lassen sich Kampagnenreichweiten valide erfassen.

ADZINE: Welche Trends im Medienverhalten habt ihr in euren Daten entdeckt?

Schmitz: Die Mediennutzung ist zersplittert wie nie zuvor. Die Nutzung erfolgt generell weniger loyal gegenüber festen Kanälen, sondern orientiert sich stark an Inhalten und Interessen. Für Werbungtreibende bedeutet das: Die Ansprache wird komplexer, Reichweite muss differenzierter aufgebaut werden. Vor allem jüngere Zielgruppen – insbesondere die Generation Z – bewegen sich stark fragmentiert durch die Medienlandschaft. Sie nutzen vermehrt Streaming-Angebote, Walled-Garden-Plattformen oder sind im Gaming-Umfeld aktiv. Klassisches lineares Fernsehen spielt für sie kaum noch eine Rolle, es sei denn, bestimmte Formate werden über Streaming-Plattformen bereitgestellt.

ADZINE: Was bedeutet das für die Mediabudget-Allokation?

Schmitz: Die Fragmentierung des Medienkonsums macht eine breite Budgetverteilung zwingend notwendig. Zunächst sollte man allerdings überprüfen, ob man als Marke in einem bestimmten Kanal überhaupt stattfindet und welche Alters- beziehungsweise Zielgruppe dort unterwegs ist. Wer heute Zielgruppen effektiv erreichen will, muss darüber hinaus neue und inkrementelle Reichweitenpotenziale identifizieren. Auch die Playstation oder Twitch sind beispielsweise interessante Kanäle, auf denen sich insbesondere jüngere Zielgruppen gut erreichen lassen. Die heutige Fragmentierung erfordert sehr gezielte Allokationsstrategien, die dynamisch anpassbar sind. Über Messungen lassen sich Trends sehr gut erkennen. Wir beobachten, dass große Werbungtreibende zunehmend einzelne Kanäle sehr detailliert analysieren und gezielt investieren.

ADZINE: Warum sollte man nicht das gesamte Budget in den Best-Performer investieren – welche Chancen bietet eine Budget-Diversifizierung?

Schmitz: Durch Diversifizierung können Reichweiten effizienter aufgebaut werden, insbesondere wenn Plattformen unterschiedliche Zielgruppen bedienen. Eine Möglichkeit ist es beispielsweise, sich die Netto-Reichweite seiner Kampagnen anzuschauen, sich auf inkrementelle Reichweiten und die Overlaps zu konzentrieren und daraus entsprechende Strategien abzuleiten. Wer Reichweitenverläufe, Kosten und Zielgruppenabdeckung kontinuierlich analysiert, kann die Budgets selbst innerhalb laufender Kampagnen flexibel anpassen und optimieren.

ADZINE: Welche Kennzahlen sind nötig, um die Media-Budgets wirksam zu diversifizieren?

Schmitz: Tägliche, datenbasierte Insights zu kanalspezifischen Reichweiten, CPM-Entwicklungen, Zielgruppenverteilungen und Kostenverläufen sind die Voraussetzung. Auf dieser Basis können Werbungtreibende erkennen, wann sich ein Wechsel von einem Kanal zum anderen lohnt – etwa, wenn vergleichbare Zielgruppen in anderen Kanälen günstiger erreicht werden können.

ADZINE: Die immer kleinteiligere Mediennutzung ist das eine – aber schaffen es tatsächlich auch immer mehr Kanäle in den Marketing-Mix?

Schmitz: Ja, wir bemerken eine zunehmende Ausweitung des Marketing-Mix. Immer öfter werden neue Kanäle in Betracht gezogen, entsprechend integrieren auch wir immer mehr Kanäle in unsere Lösung. Bei uns sind beispielsweise unter anderem Netflix, Disney+, Amazon, YouTube, Meta sowie zahlreiche CTV-Anbieter bereits integriert. Auch Werbeinventare von Herstellern wie Samsung oder LG können wir über Pixel-Messungen abbilden. Und es werden immer mehr Integrationen. Diese Entwicklung hat auch etwas damit zu tun, dass digitale Werbung ein bisschen normaler geworden ist. Man besinnt sich jetzt wieder auf Basics wie Reichweite und Werbewirkung.

ADZINE: … wie äußerst sich diese Rückbesinnung?

Schmitz: Digitale Werbung ist heute ein etablierter Bestandteil des Media-Mix. Die Phase, in der es primär um Klickzahlen ging, ist überwunden. Stattdessen steht zunehmend die Netto-Reichweite und die Werbewirkung im Mittelpunkt – also die Frage, wie viele Personen erreicht wurden, wie häufig und in welchen Zielgruppen. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist der Strategiewechsel von Nike. Die Sport-Marke hatte sich zu stark auf Performance-Marketing konzentriert, dabei das Branding vernachlässigt und dadurch deutliche Verluste beim Markenwert hinnehmen müssen. Mittlerweile hat auch Nike erkannt, dass Markenwerbung einen echten Wert bietet und ebenfalls zu Abverkäufen führt. Zwar nicht immer eins zu eins auf dem direktesten Weg, aber es macht ‚Klick‘ im Kopf der Leute. Die Konsumenten bauen eine positive Assoziation zu einer Marke auf und wenn sie später in einem Store stehen, treffen sie die entsprechende Kaufentscheidung zugunsten dieser Marke. Diese klassische Medialogik gewinnt wieder an Bedeutung.

ADZINE: Welche Strategie ist aus eurer Sicht jetzt die beste, um als Advertiser sein Online-Werbebudget – auch in Anbetracht der beobachteten Veränderungen im Mediaverhalten – optimal einzusetzen?

Schmitz: Die Werbe-Strategie sollte auf drei Prinzipien beruhen: Zum einen sollte man Abhängigkeiten von einzelnen Plattformen minimieren. Dazu ist es nötig, sich breit aufstellen. Zum anderen zieht die Fragmentierung der Medienlandschaft automatisch eine Fragmentierung des Medienkonsums nach sich, auf die man mit der Diversifizierung seiner Media-Budgets reagieren muss. Das dritte Prinzip lautet „messen, messen, messen.“ Viele Unternehmen werben noch blind oder schauen nur isoliert auf ihre Kanäle. Budget-Verteilungen sind dann oft auch Bauchentscheidungen. Doch man sollte tägliche Insights generieren – und zwar von den laufenden Kampagnen. Dabei muss man zwingend alle Kanäle im Blick behalten, um Optimierungspotenziale zu identifizieren. Nur wer seine Kampagnen systematisch analysiert, erkennt schnell genug, welche Kanäle welche Reichweite liefern und wo sich Investitionen lohnen.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Michaela!

Tech Finder Unternehmen im Artikel

EVENT-TIPP ADZINE Live - SPOTLIGHT: Audio Innovation am 09. September 2025, 11:30 Uhr - 12:15 Uhr

In dieser SPOTLIGHT-Folge nehmen wir Innovationen im Audio-Bereich unter die Lupe. Jetzt anmelden!

Events

Whitepaper