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Auf direktem Weg zum Inventar

Karsten Zunke, 31. May 2023
Bild: Chad Peltola – Unsplash

Was viele Werbetreibende vor einigen Jahren schon einmal durchexerziert haben, landet wieder auf der Tagesordnung: Advertiser wollen Transparenz in den Lieferketten der Digitalwerbung schaffen und die Effizienz eines ausufernden Werbeökosystems erhöhen. Daten und direkte Beziehungen rücken dabei in den Fokus. Dahinter steht der Gedanke der Supply-Path-Optimierung (SPO).

Bild: Triplelift Sylwia Iwanejko-Sajewska, Triplelift

Noch vor fünf Jahren haben im deutschen Markt die meisten Publisher mit nur einer oder zwei Supply-Side-Plattformen (SSP) zusammengearbeitet. Nach Einschätzung von Sylwia Iwanejko-Sajewska, Country Manager DACH beim Adtech-Unternehmen Triplelift, hat sich die Lage seitdem deutlich geändert. „AGOF-Top-Publisher arbeiten heute eher mit 30 oder sogar 40 Technologien zusammen. Entsprechend haben sich die Wege zu einer Ad Impression für diese Inventare enorm vervielfältigt“, so die Expertin. Nicht nur deshalb rät sie dazu, Lieferpfade jährlich zu überprüfen. „Eine SPO-Strategie sollte vor allem auf die Direktheit der Inventare großen Wert legen.“ SSPs, die indirekte Inventare bieten – weil sie zum Beispiel als Reseller fungieren –, würden die Pfade verlängern und unnötige Kosten verursachen.

Mit Sellers.json und Ads.txt stehen mittlerweile Lösungen zur Verfügung, die die Supply Chain transparenter machen und der Demand-Side dabei helfen, Ineffizienzen in der Lieferkette zu erkennen sowie entsprechende Player auszusortieren. Vor dem Hintergrund der aussterbenden Third-Party-Cookies wird es zudem wichtiger, First-Party-Daten zu aktivieren. Iwanejko-Sajewska rät Agenturen daher dazu, heutzutage bei einer SPO-Strategie nicht nur darauf achten, welche SSPs verzichtbar sind, sondern auch darauf, welche Daten eine SSP für die Demand-Seite bereitstellen kann.

Hierzulande andere Herausforderungen als im US-Markt

Carsten Becker, OMG / Bild: Raimar von Wienskowski

Carsten Becker, Managing Director von Omnicom Media Group Germany, betrachtet das Thema SPO differenzierter. „Ich habe SPO nie so gesehen, wie es oft propagiert wird, weil wir in Deutschland eine andere Ausgangslage haben“. Im deutschen Werbemarkt hätten Agenturen schon sehr frühzeitig Direktbeziehungen zu Publishern gepflegt. „Es gibt seit jeher einen hohen Anteil an Privat Marketplace Deals“, sagt Becker, der diesen Anteil auf 60 bis 80 Prozent aller programmatischen Buchungen schätzt. Die Konsequenz: Wo keine Zwischenhändler involviert sind, gibt es auch nichts, was man im Zuge von SPO-Maßnahmen „rausoptimieren“ könnte.

In den USA ist die Situation laut Becker hingegen eine andere: Dort ist der Publisher-Markt stark fragmentiert, große Vermarkter, die viele Publisher bündeln wie hierzulande, sind eher selten. „Im US-Markt ist die Herausforderung der Monetarisierung für Publisher deutlich größer und SPO-Maßnahmen sind somit verbreiteter, da ein Publisher dort aufgrund der Marktsituation in der Regel mit vielen SSPs zusammenarbeiten muss“, sagt Becker. Aus seiner Sicht sind der Impact und auch der Bedarf einer SPO hierzulande nicht so groß, wie es mitunter suggeriert wird.

Als einen Teil der Lösung sieht der Experte möglichst direkte Beziehungen zwischen Käufern und Verkäufern. Das Ziel dabei sei, möglichst wenige Zwischenhändler in der Lieferkette zu haben. Initiativen wie Text.ads liefern mittlerweile transparente Einblicke, mit welchen SSPs bestimmte Publisher zusammenarbeiten. Doch bei einer darauf basierenden Bereinigung der Kette rät Becker zur Vorsicht, denn nicht jeder Reseller ist überflüssig. Mitunter handelt es sich sogar um exklusive Vermarkter, die als Reseller gelabelt werden. Nach Einschätzung von Becker bleibt SPO daher auch in Zukunft stets ein Stück Handarbeit.

Kürzere Ketten, weniger CO2

Nicht zuletzt geht es Becker bei SPO auch darum, zu entscheiden, was ein Intermediär ist – und was nicht. Ist eine Demand-Side-Plattform (DSP) ein Intermediär? Und eine SSP auch? „Wenn man rein die Working Media betrachtet, muss man diese Fragen mit Ja beantworten, weil dann keine SSP- und DSP-Kosten anfallen. Das heißt aber nicht, dass dies im Sinne einer KPI-Zielerreichung der beste Weg wäre“, so Becker. Hinzukommt, dass über eine I/O-Buchung keine Optimierung über verschiedene Inventare hinweg möglich ist, was letztlich einen wichtigen Vorteil von Programmatic darstellt.

Somit ergeben sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten einer SPO: die Optimierung nach KPI und die Optimierung nach Working Media. Beides sollte nach Meinung von Becker Hand-in-Hand miteinander gehen und kein Widerspruch sein.

Eine Working-Media-Optimierung geht zudem mit einer CO2-Reduzierung einher, denn weniger Partner in der Kette bedeuten auch weniger CO2-Emissionen. „Jeder ist gefordert, den CO2-Ausstoß zu reduzieren“, sagt Becker. Damit dies nachhaltig und vergleichbar wird, seien jedoch noch Standards nötig, führt der Experte aus. Erste Ansätze gibt es bereits: So hat Scope3 ein System entwickelt, das die End-to-End-Emissionen des digitalen Werbezyklus erfasst und dabei den kompletten Adtech-Graphen hinter allen gemessenen Impressions berücksichtigt. Das Modell basiert auf einer Mischung aus offenen Daten, der Zusammenarbeit mit Kunden, Partnerschaften mit Drittanbietern von Daten sowie unabhängiger Forschung und Analyse. Über die hauseigene Nachhaltigkeitsunit OMG Momentum unterstützt die Omnicom Media Group ihre Kunden ebenfalls auf dem Weg zur Klimaneutralität und hilft ihnen, den ökologischen Fußabdrucks in Media zu reduzieren.

Auch Publisher räumen auf – effizienzgetrieben

Doch nicht nur Agenturen optimieren die Lieferkette. Auch Publisher können von ihrer Seite aus die Kette aktiv effizienter gestalten, indem sie eine Demand-Path-Optimization (DPO) durchführen. „Wir beobachten mittlerweile wieder einen gegenläufigen Trend“, sagt Sylwia Iwanejko-Sajewska, „mit Aufkommen des Header Bidding waren Publisher bestrebt, mit möglichst vielen SSPs zusammenzuarbeiten, um ihre Monetarisierungs-Chancen zu verbessern. Mittlerweile stellen immer mehr Publisher fest, dass nicht alle einen Mehrwert bringen und trennen sich wieder von diesen SSPs“. Erste große Publisher seien diesen Weg bereits erfolgreich gegangen und hätten sich deutlich verschlankt. Neben dem Transparenzgewinn können sie ihre Technologie-Partner nun mit deutlich weniger Aufwand orchestrieren.

Bild: Relevant Digital Petri Kokkonen, Relevant Digital

Für Petri Kokkonen, CEO von Relevant Digital, liegt es ebenfalls auf der Hand, dass Publisher die direktesten Verbindungen zu den Werbekunden bevorzugen. Um ihren Tech-Stack zu optimieren, sollten sie dem Experten zufolge bei der Effizienz ansetzen: Dabei geht es darum, die optimalen Kombination von Technologien, Anzeigenplatzierungen und Partnern zu identifizieren, um die besten Ergebnisse zu erzielen und gleichzeitig „digitalen Müll“ zu minimieren.

Für Publisher sind Kennzahlen entscheidend

„Die idealen Metriken schaffen ein Gleichgewicht zwischen Nutzererfahrung und Umsatz“, sagt Kokkonen. Die Nutzer zögen es vor, Latenzzeiten zu vermeiden, die manchmal aus unnötigen Anzeigenplatzierungen resultieren, die zu früh im nicht sichtbaren Websitebereich geladen werden. „Die Beseitigung von überflüssiger Technik und überflüssigem Inventar kann die Nutzerzufriedenheit erhöhen und externe Technologien wie Suchmaschinen, die Websites in den Suchergebnissen ranken, dazu veranlassen, eine Website zu bevorzugen“, so Kokkonen. Aus der Sicht des Umsatzes ist dem Experten zufolge der Umsatz pro 1.000 Seitenaufrufe die optimale Kennzahl, auf die man sich konzentrieren sollte. Diese einfache, aber aussagekräftige Kennzahl gleiche Schwankungen zwischen Domains und Traffic-Spitzen effektiv aus. „Eine weitere wichtige Kennzahl ist die Gebotsrate, die die Bereitschaft der Käufer anzeigt, auf ein Inventar zu bieten.“ Wer mehrere Domains, Websites und Anwendungen verwaltet, sollte diese Kennzahlen vergleichen, um Diskrepanzen zu erkennen und die Faktoren zu verstehen, die zu positiven oder negativen Ergebnissen führen.

Wenn Publisher ihren Tech-Stack optimieren, gilt es also, kontinuierlich zu testen und aus Misserfolgen zu lernen. „Eine erfolgreiche Strategie von heute kann die Schwäche von morgen sein – und umgekehrt“, so Kokkonen. Ein entscheidender Faktor seien außerdem die Daten, da sich die Regeln für Daten in naher Zukunft ändern werden. Publisher, die ihren Tech-Stack optimieren möchten, sollten sich daher fragen: Wie werden sie diese Änderungen angehen? Wurde bereits mit relevanten Nutzeridentifikatoren (UIDs) experimentiert? Kann man Wachstum erzielen, indem man seine First-Party-Daten nutzt? Versteht man den Wert des Kontexts, den die Inhalte erzeugen? „Die Vorbereitung auf diese Veränderungen ist der Schlüssel zur Navigation in der sich entwickelnden Landschaft“, sagt Kokkonen.

Direktbuchungen sparen Drittsysteme

Doch damit nicht genug: Der kürzeste Weg zwischen Nachfrage- und Anbieterseite ist und bleibt die Direktbuchung. Denn es lässt sich schlichtweg nicht alles, was ein Vermarkter oder Publisher anbieten kann, programmatisch vermarkten – zum Beispiel Sonderwerbeformen oder Crossmedia-Buchungen, in denen verschiedene Gattungen von Print, TV, DOOH, Video, ATV, CTV und Display bis hin zu Audio kombiniert werden. Solche Direktbuchungen waren früher mit viel Handarbeit verbunden, heute lassen sich immer besser automatisieren.

Bild: SQL Jens Pöppelmann, SQL

Möglich macht dies das sogenannte Digital Booking Communication Austauschformat (DBCFM). Der Standard ist ähnlich dem Open-RTB-Protokoll. Der entscheidende Unterschied ist, dass er aus dem Agentur-eigenen System generiert wird und dann maschinell lesbar beim teilnehmenden Vermarkter ankommt. „Man muss eben nicht über Drittsysteme wie DSPs oder SSPs gehen, sondern kann direkt miteinander buchungsrelevante Daten austauschen“, sagt Jens Pöppelmann, Co-CEO von SQL Service. „Damit wird bei Direktbuchungen Komplexität im Einkauf reduziert.“

Auch für die Verkäuferseite ist die Automatisierung der Buchungsprozesse ein Vorteil, weil so schneller akkuratere Zahlen zur Verfügung stehen. Ebenso lassen sich „Medienbrüche“ wie im Programmatischen damit umgehen: Für einen Private Deal muss eine Deal ID in der SSP erstellt und an die Agentur übergeben werden, die diese dann in der DSP einträgt, um entsprechend das Inventar buchen zu können. Damit wiederum die Lieferungsdaten in der Business Intelligence der Vermarkter erscheinen, müssen die Daten aus der SSP exportiert und im Buchungssystem des Vermarkters gemappt werden. Erst nach drei bis vier Tagen sieht der Verkauf dann, wie die Umsätze seiner Kunden bei Direkt-Buchungskampagnen und programmatischen Kampagnen aussehen. Richtig automatisiert, sieht ein Verkäufer hingegen täglich ein aktuelles Reporting. „Wer gedacht hat, die Automatisierung sei schon ausgereizt, dem sei gesagt, dass es immer noch genügend Prozesse innerhalb der Buchungssysteme gibt, die man optimieren kann“, sagt Pöppelmann, der davon ausgeht, dass die Direktbuchung an Relevanz zunehmen wird.

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