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Bleibt der Wert von Media auch ohne Third-Party-Cookies erhalten?

Anton Priebe, 27. April 2023
Bild: Ramiro Mendes – Unsplash

Die Werbeindustrie bewegt sich langsam aber stetig Schritt für Schritt in Richtung der sogenannten “Cookiecalypse”. Der Marsch dorthin bedeutet einen Umbruch für das Werbeökosystem, dessen Auswirkungen nicht ganz abzusehen sind. Bislang hat man sich anscheinend vielerorts darauf ausgeruht, dass die Drittanbieter-Cookies zumindest im Browser des Marktführers Chrome weiterhin ihre Aufgaben erfüllen. Doch das wird nicht so bleiben. Die Problematik ist sicherlich vielschichtig, doch speziell für die Vermarktung geht damit die Frage einher, welche Bedeutung der Cookie-Schwund für den Wert der Werbeflächen an sich hat, wenn die damit verknüpften Informationen wegbrechen. Wurde der Wert von digitaler Media zu stark von Informationen aus Cookies gestützt und geht uns am Ende das Produkt Media verloren? ADZINE hat diese Frage an die Marktteilnehmer aus dem Werbeökosystem weitergereicht.

Eins ist klar: Die Third-Party-Cookies haben bis heute eine zentrale Rolle bei der Wertschöpfung für Media gespielt. “Der größte Mehrwert der digitalen Medien ist die Fähigkeit, die richtige Botschaft an die richtige Person zur richtigen Zeit zu übermitteln”, sagt die Media-Expertin Marie Schell vom Agenturnetzwerk Havas. Bei diesem Prozess fungieren die Cookies als Bindeglied, um die passenden Werbeflächen zu bestimmen und einen Rückkanal für die Erfolgsmessung zu bieten. Laut Mandy Schwab von Burdas Brand Community Network (BCN) finden heute immer noch die wichtigsten Use Cases für personalisierte Werbung mit ihnen statt. “Dazu gehören die Nutzerverfolgung über Webseiten mehrerer Publisher und das Erstellen von Nutzerprofilen.”

Bild: Havas Marie Schell, Havas

Durch den Wegfall des Third-Party-Cookies wird Werbetreibenden das gezielte Ausspielen von Werbung und deren Erfolgsmessung also deutlich erschwert. Dies ist jedoch kein neues Problem, betonen sowohl Schell als auch Schwab. Denn viele andere digitale Umgebungen sind bereits cookielos. “Als Media-Agentur stehen wir längst vor cookieless Herausforderungen. Beispiele sind unter anderen das Erreichen von Safari-, Firefox- oder iOS-Nutzern oder die Integration von wichtigen digitalen Kanälen in den Mediaplan unserer Kunden wie Connected TV, Mobile Apps oder DOOH, die schon komplett unabhängig von Cookie-Technologien laufen”, so Marie Schell.

Warum also ist “Cookieless” trotzdem noch ein so großes Thema? “Es steht auf dem Höhepunkt, da Google Chrome mit einem Marktanteil von über 50 Prozent der letzte große Browser ist, in dem Third-Party-Cookies noch unterstützt werden”, erklärt Schwab. Aufgrund des früheren Wegfalls des Third-Party-Cookies in Apples Safari und Mozillas Firefox hatte sich Digital Media ihrer Meinung nach in den letzten Jahren sehr stark auf Chrome konzentriert. “Über Alternativlösungen für andere Browser wurde sich bis zuletzt keine großen Gedanken gemacht, da die Nettoreichweite von adressierbaren Nutzern auf Chrome bisher ausreichte. Dies ändert sich nun und man merkt, wie abhängig der Markt von dem Third-Party-Cookie war und immer noch ist”, glaubt die Vertreterin der Sell-Side.

Kombination aus ID-Lösungen, Contextual und First-Party-Daten soll den Wert von Media erhalten

Bild: Ad Alliance Arne Steinmetz, Ad Alliance

Komplett verschlafen haben die Marktteilnehmer den Umstieg auf cookielose Lösungen natürlich nicht. “Basierend auf Cookies sind ganze Ökosysteme entstanden, was jetzt bereinigt wird”, sagt Arne Steinmetz, Datenexperte von der Ad Alliance. Er ist sich sicher: “Qualität und relevante Inhalte setzen sich auch ohne Cookies durch und funktionieren – mit kontextuellen Lösungen, First-Party-Daten und ID-Lösungen.” Genau das müssten Publisher und Vermarkter transparent und nachvollziehbar machen. Gerade beim Thema Leistungsnachweis würden alternative Identifier in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Sehr gute Lösungen am Markt existieren laut Steinmetz bereits. “Media war und ist wertvoll und funktioniert auch ohne Cookies, wie andere Gattungen belegen. Wir sind weit davon entfernt, dass das Produkt Media verloren geht, vielmehr findet eine Umkehr statt auf Qualität und Brand Safety. ”

Bild: Linkedin Mandy Schwab, BCN

Seine Mitstreiterin Mandy Schwab glaubt ebenfalls fest daran, dass Digital Media ihren Wert behalten kann. Sie pocht wie Steinmetz auf ID-Lösungen, Login-Lösungen und kontextuelles Targeting. “ID-basierte Lösungen können dazu verwendet werden, Nutzer weiterhin über mehrere Webseiten hinweg zu erkennen und Zielgruppenprofile zu bilden. Kontextuelles Targeting basiert, anders als früher, mittlerweile auf einer semantischen Analyse des gesamten Artikeltexts inklusive Video und Audiospur.” Darüber hinaus werde es umso wichtiger, dass Publisher und Advertiser First-Party-Daten auf ihren eigenen Inventaren sammeln, um diese für eine zielgerichtete Werbeausspielung zu verwenden.

Heißt cookielos gleichzeitig ID-los?

Die Agenturfachfrau Marie Schell sieht das Ende von Third-Party-Cookies als “eine signifikante Herausforderung für die Werbebranche, aber auch als eine große Chance, um innovativere und datenschutzfreundlichere Targetingsmethoden zu entwickeln und dadurch die Sinnhaftigkeit von digitalen Kanälen zu behalten.” Die Media-Buying-Strategien bei Havas seien schon entsprechend angepasst, um weiterhin einen personalisierten Ansatz bieten zu können. “ID-Lösungen sind auch eine mögliche zukünftige Alternative, die wir gerade testen, mit der Hoffnung, dass der Markt sich zeitnah konsolidiert.”

Bild: Ogury Jan Heumüller, Ogury

Auf der Adtech-Seite haben sich währenddessen einige Anbieter neu positioniert, um solche innovative Lösungen für die Adressierbarkeit ohne Third-Party-Cookies bereitzustellen. Einer davon ist Ogury, dessen Zentraleuropa-Chef Jan Heumüller nicht von alternativen IDs überzeugt ist – ganz im Gegenteil. “Der Glaube, dass gehashte E-Mails oder andere Neukonfigurationen ID-basiertes Targeting datenschutzkonform machen werden, ist ein Trugschluss. Stillstand ist einfach und bequem, aber potenziell tödlich. Die Augen werden davor sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite verschlossen”, sagt Heumüller. “Diejenigen, die auf die diskreditierte und zunehmend abgelehnte ‘personalisierte’ Werbung bestehen, sind im besten Fall naiv und im schlimmsten Fall arrogant.” Der Anbieter glaubt, mit dem sogenannten “Personified Advertising” eine zukunftssichere und nutzerfreundliche Lösung gefunden zu haben.

Bild: Google Dr. Karsten Müller, Google

Google als “letzte Bastion” für Drittanbieter-Cookies schraubt derweil ebenfalls fleißig an Cookieless-Ansätzen – auch aus Eigeninteresse, den Wert von Media aufrechtzuerhalten. Schließlich sind Googles größtes finanzielles Standbein seine Werbeerlöse. Der Konzern setzt seine Hoffnung unter anderem in Topics, eine Lösung, die gerade erst erneut getestet wurde. Dabei definiert der Browser Chrome regelmäßig temporäre allgemeine Interessen auf der Grundlage der besuchten Websites auf einem Gerät. “Fakt ist: Nutzer:innen erwarten heute, dass ihre Privatsphäre respektiert und besser geschützt wird. Sie erwarten außerdem Transparenz über den Umgang mit ihren Daten”, sagt Dr. Karsten Müller, Head of DV360 Media Sales für Zentraleuropa. Daher würde Chromes Privacy-Sandbox-Initiative Lösungen ohne Cookie-basierte Ansätze hervorbringen. Müller ist zuversichtlich, “ganz im Sinne der Nutzer:innen und gemeinsam mit der Industrie auf dem richtigen Weg zu sein.” Die jüngst veröffentlichten Testergebnisse mit Display & Video 360 und Google Ads hätten zum einen gezeigt, dass die neuen, vom Google-Chrome-Team entwickelten datenschutzfreundlichen Lösungen ähnlich gute Ergebnisse im Vergleich zu Drittanbieter-Cookies erzielen können. Zum anderen könnten Kampagnen mithilfe von KI-gestützten Lösungen optimiert werden.

Probieren geht über Studieren

Noch bleibt Zeit, die Auswirkungen der Cookie-Deadline – aktuell Ende 2024 – auf Digital Media zu schmälern. Doch dafür müssen alle Marktteilnehmer aktiv werden. “Eine nachhaltige Werterhaltung von Digital Media klappt nur, wenn sich der Markt rechtzeitig um ein Testing und Implementierung der Third-Party-Cookie-Alternativen bemüht”, meint Mandy Schwab. “Der Safari und der Firefox Browser bieten sich hierfür ideal als Testumgebung an.” Das BCN hätte in den vergangenen Monaten bereits Maßnahmen getroffen, um nachhaltige Zielgruppenansprache auf seinem Portfolio zu gewährleisten.

Der Fahrplan aufseiten der Ad Alliance steht ebenfalls: “Cookies machen nicht den Wert von Media aus. Wir werden weitere relevante Zielgruppen bereitstellen, basierend auf First-Party-Daten. Wir werden unsere kontextuellen Lösungen weiter ausbauen und die Bedeutung unseres Umfelds weiter stärken. AI und Machine Learning ermöglichen das umfassende Auslesen und Interpretieren von Angeboten und ermöglichen so innovative Ansätze. Und wir werden auf Basis von Identifiern Verifikations-Lösungen anbieten. Wir haben nicht nur einen Plan, sondern setzen ihn Stück für Stück um”, fasst Arne Steinmetz zusammen.

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