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MEDIA - Trends 2023

Inhouse-Abteilungen, Netzwerke, Daten – Retail Media wird erwachsen

Karsten Zunke, 11. Januar 2023
Bild: Artem Beliaikin – Unsplash

Retail Media war eines der bestimmenden Marketing-Themen des vergangenen Jahres und dürfte in 2023 noch weiter an Bedeutung gewinnen. Nicht nur, dass sich Onlinehändler damit eine starke Umsatzquelle erschließen – auch für Werbetreibende sind die neuen Optionen hochinteressant, wenn es darum geht, Shopping-affine Zielgruppen von der eigenen Marke zu überzeugen.

Retail Media will vom Hype zum aufstrebenden Marketingsegment werden. Welchen Stellenwert das Thema hierzulande erreicht hat, wurde nicht zuletzt durch die Gründung des Retail Media Circle (RMC) deutlich – dies ist ein Fachkreis unter dem Dach des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW), in dem Handelsunternehmen seit Dezember 2022 ihre Interessen bündeln.

Bild: RMC Patricia Grundmann, RMC / Obi

Das erklärte Ziel des Fachkreises ist es, für den jungen Markt Standards und Transparenz zu schaffen. In den ersten drei Monaten verfolgt man vor allem strategische Ziele. Laut Patricia Grundmann, Vorsitzende des RMC, wolle man zum einen die Marktbedeutung von Retail Media in Europa stärken und diese als festen Bestandteil im Mediaportfolio etablieren. „Zum zweiten ist es der branchenübergreifende Erfahrungsaustausch, der wiederum Punkt drei, die Profilschärfung von Retail Media durch die Erarbeitung von Standards, ermöglicht“, so Grundmann. Parallel wird eine Initiative für Retail-Media-Dienstleister aufgebaut.

Grundmann, die gleichfalls Vice President Retail Media und Geschäftsführerin der Obi First Media Group ist, hat auch für ihre eigene Organisation große Pläne. So möchte das Unternehmen in 2023 mit einem Retail-Media-Martech-Setup live gehen, das auch umfassende Self-Service-Funktionen beinhalten soll. Laut Paul Rottstegge, Head of Offer der Obi First Media Group, sind die Möglichkeiten für die Nutzung von First-Party-Daten im Retail-Media-Kontext generell sehr groß: angefangen bei der relevanten Ansprache im Shop, in der App und via Mail, über Zielgruppen-Targeting der Onsite-Teaser via Adserver und CDP, der Nutzung in der Inhouse-DSP für die Offsite Activation sowie große Datenkooperationen mit Publishern, Advertisern oder Vermarktern. „Für diese Kooperationen sind Clean Rooms eine wesentliche technische Möglichkeit. Händler – insbesondere mit starken CRMs und langfristigen Kundenbeziehungen – haben hier ein unglaubliches Asset, welches via Retail Media für Dritte nutzerorientiert nutzbar gemacht wird.“

Mehrere Optionen, um Retail-Media-Daten zu nutzen

Bild: Raimar von Wienskowski Torsten Ahlers, MediamarktSaturn / Bild: Raimar von Wienskowski

Doch bis alle Optionen ausgeschöpft werden, ist es für viele Handelsunternehmen noch ein weiter Weg. „Retail Media startet im Moment im Lower Funnel on-site“, sagt Torsten Ahlers, Managing Director Retail Media bei MediamarktSaturn. Das heißt, man startet Retail Media von der Transaktion kommend, weil man innerhalb der Shops seine Marktanteile vergrößern möchte. Das ist hier und heute. Laut seiner Einschätzung ist der nächste große Trend, dass die First-Party-Daten, die der Händler hat, ein riesiges Asset darstellen. „Sehr viele Lieferanten haben keine direkten Endkundenkontakte, stattdessen finden die Endkundenkontakte der Lieferanten über Händler statt. Und gerade bei den Diskussionen Richtung Third-Party-Data und Cookieless World hat der Händler natürlich enorme Chancen, Kampagnen mit First-Party-Daten wirksamer zu machen“, so Ahlers.

Retailer haben die Datenhoheit

Bild: Raimar von Wienskowski Kolja Brosche, Liveramp / Bild: Raimar von Wienskowski

Doch klar ist auch: Daten sollten, egal mit welchem Anbieter ein Retailer arbeitet, immer unter Kontrolle und Hoheit des Retailers verbleiben. „Ob und wie die Daten auch außerhalb des Retailer-eigenen „owned and operated“-Inventars genutzt werden, entscheidet allein der Retailer“, sagt Kolja Brosche, Country Manager Germany von Liveramp. Üblicherweise nutzen Retailer ihre Daten zunächst, um das eigene Inventar zu monetarisieren. Oft werden die Daten anschließend auch für den Mediaeinkauf außerhalb des eigenen Inventars genutzt, also off-network. „Dies wird häufig als Managed Service durch den Retailer angeboten und findet im Account des jeweiligen Retailers statt“, so Brosche. Der Retailer könne einem Werbetreibenden ebenso ermöglichen, diese Daten in der Einkaufsplattform oder dem eigenen Account des Werbetreibenden zu nutzen (DSP, Social-Media-Plattform, etc.). In allen drei Fällen gehe es darum, Daten des Retailers für die Ausspielung des Mediainventars zu nutzen.

„Selbstverständlich gibt es die Möglichkeit, die Transaktionsdaten des Retailers für detaillierte Measurement & Analytics Use Cases zu nutzen. Auch hier ist es möglich, dass der Retailer dies als Managed Service anbietet oder aber dem Werbetreibenden Zugriff auf Transaktionsdaten in einer Analytics-Umgebung gewährt“, so der Experte.

Bereits heute nutzen vereinzelt Retailer ihre Daten, entkoppelt vom Mediainventar, für die Monetarisierung. Sei es für die Aktivierung von Mediakampagnen oder um Transaktionsdaten zur Erstellung von Measurement-Reports für Markenhersteller zur Verfügung zu stellen, die typischerweise keinen Zugriff auf Transaktionsdaten oder Abverkaufsdaten haben. Das heißt, dass der Retailer dem Werbetreibenden Transaktionsdaten für Measurement & Analytics zur Verfügung stellt, damit der Werbetreibende seine Werbeaktivitäten anhand des ROAS bewerten kann. „Im Bereich Aktivierung bedeutet das, dass ein Retailer Transaktionsdaten in zu definierender Granularität für die Aktivierung in Walled Gardens oder über den programmatischen Mediainkauf über DSPs und SSPs, zur Verfügung stellt“, erläutert Brosche. In Deutschland finde das bisher noch selten statt, „jedenfalls noch nicht in umfangreichem, skalierbarem Maße.“

Inhouse-Abteilungen und Netzwerke im Trend

Bild: Criteo Robert Kießling, Criteo

Die Beobachtungen von Robert Kießling, Head of Retail Media Supply DACH bei Criteo, decken sich mit dieser Aussage. Demnach beschäftigen sich immer mehr Retailer damit, wie sie den Werbetreibenden ihre Daten für Kampagnen im offenen Internet zur Verfügung stellen können, um das volle Potenzial zu nutzen. „Diese Verbindung von Retail Media und Programmatic Advertising mündet in der Disziplin Commerce Media, die McKinsey kürzlich als größten Paradigmenwechsel in der digitalen Werbung eben seit dem Wachstum von Programmatic bezeichnet hat“, sagt Kießling. Bei Criteo adressiert man diesen Bedarf unter anderem mit einer neuen, eigenen Lösung.

In Bezug auf die weitere Entwicklung von Retail Media sieht Kießling aktuell zwei große Trends: Zum einen bilden einige große Retailer eigene Inhouse-Abteilungen, um Brands Retail Media zum Beispiel im Self-Service basierend auf White-Label-Lösungen anzubieten und dabei alles in eigener Hand halten zu können. „Zum anderen setzt sich der Netzwerkgedanke immer weiter durch; in den USA generieren Retailer bereits circa 40 Prozent ihrer Umsätze über Netzwerke.“ Nach Einschätzung des Experten bieten Retail-Media-Netzwerke vor allem für Werbetreibende, die in diesem Marketing-Segment schon weit vorangeschritten sind, einige Vorteile. So müssen sie sich nicht in jedes System separat einloggen, sondern können eine zentrale Plattform nutzen, um ihre Performance- und Awareness-Budgets Retailer-übergreifend zu platzieren.

Heute Lower Funnel, morgen Branding

Bild: Yahoo Maximilian Weigel, Yahoo

Doch nicht nur typische Onlineshops können mit Retail Media in die digitale Vermarktung einsteigen. Nach Einschätzung von Maximilian Weigel, Managing Director Germany von Yahoo, werden Media Networks auch in anderen Bereichen, wie der Reise- oder Automobilbranche, immer wichtiger werden. „Sowohl im Einzelhandel als auch in den anderen Verticals werden Werbetreibende beginnen, ihre Strategie in einem Full-Funnel-Modell auszurichten. Sie werden Aktivierungen im unteren Funnel-Bereich und gleichzeitig größere Branding- und Awareness-Möglichkeiten ausbauen, um die Kundentreue sowie den Wert für die Verbraucher zu steigern.“ Beides werde mehr Interesse und Chancen für nicht-endemische Werbetreibende mit sich bringen.

Yahoo hat im US-Markt bereits mehrere Partnerschaften, beispielsweise mit Lowe’s One Roof Media Network, um Mediennetzwerke führender Retailer mit personalisierten Omnichannel-Erlebnissen zu unterstützen. „Wir werden weiterhin signifikant in diesen Bereich investieren, um solche Kooperationen im Einzelhandel und darüber hinaus zukünftig auch in weiteren Märkten auszubauen“, sagt Weigel.

Douglas setzt ebenfalls zunehmend auf Retail Media. Das Unternehmen vermarktet seine Daten komplett selbst. Es unterhält Vertriebsbüros, die Buchungen in neun Ländern ermöglichen – über DACH, Benelux, Polen, Frankreich, teilweise Spanien und Italien. „Für die Zukunft sind Partnerschaften und Allianzen mit Netzwerken oder über Data Clean Rooms natürlich denkbar und wir sind offen für Kooperationen jeglicher Art“, sagt Jessica Koch, Vice President New Business & Retail Media Douglas.

Ausblick: Neue Lösungen, neue Länder

Bild: Douglas Jessica Koch, Douglas

Die Entwicklung rund um Retail Media zeigt sich weiterhin hochdynamisch. Alle Marktplayer drücken die Power-Taste. Douglas plant beispielsweise, sein Onsite-Portfolio weiter auszurollen, zum Beispiel nach Spanien, wo man bisher auf Offsite beschränkt ist. Zudem möchte das Unternehmen seine eigenen Werbelösungen in weiteren europäischen Ländern ausbauen und nach der Beta-Phase „Smart Sampling“ in Deutschland ausrollen, „vermarktet auf einer Cost-Per-Lead-Basis mit der vollen Klaviatur der Douglas Akquisitionskanäle“, wie Koch erklärt. Das Portfolio wächst zudem im Bereich CRM, hier biete Douglas E-Mail-basierte Nachkauf-Strecken an, um existierende Käufer effizient zu reaktivieren. Um den Mid und Long Tail effizienter bedienen zu können, arbeite man zudem an einer Self-Service-Lösung für Onsite.

Auch bei Obi ist der Plan klar: Das Retail-Media-Martech-Setup, mit dem man in diesem Jahr live geht, beinhaltet umfassende Self-Service-Funktionen. Im ersten Schritt soll dies die Vermarktung innerhalb des Obi-Ökosystems betreffen. „Gleichzeitig werden wir weitere Potenziale im Offsite-Targeting erschließen, sodass wir unseren User*innen auch außerhalb unseres Ökosystems noch passendere Anzeigen ausspielen können“, kündigt Grundmann an.

Bei MediamarktSaturn wird es ebenfalls Neuerungen geben. Das Unternehmen gilt als führender CE-Retailer in Europa. Entsprechend stark positioniert man sich auch im digitalen Markt. Ahlers zufolge deckt der Konzern die am meisten nachgefragten Retail-Media-Lösungen für seine Partner bereits ab. In diesem Jahr soll nun auch eine Branding-Lösung hinzukommen.

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