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MEDIA - Trends 2023

Viel Dynamik für den digitalen Mediaeinkauf in 2023

Karsten Zunke, 14. Dezember 2022
Bild: Annie Spratt – Unsplash

2022 war ein herausforderndes Jahr – auch für Mediaeinkäufer. Doch Krisen, negativen Umfeldern und einem verhaltenen Konsumverlangen stehen auch erfreuliche Entwicklungen gegenüber: So können Advertiser künftig von neuen Kanälen, schlaueren Werbemöglichkeiten und besseren technischen Optionen profitieren. Was wird 2023 für Einkäufer digitaler Media bringen? ADZINE hat sich in der Adtech-Branche umgehört.

„Werbung auf den großen Streaming-Diensten wird die Werbeplanung in Europa erheblich stärker digitalisieren“, ist Lukas Fassbender, Vice President DACH bei The Trade Desk, überzeugt. Advertiser, deren wichtigster Werbekanal das Fernsehen ist, haben das Jahr 2022 genutzt, um wichtige Erfahrungen im Connected TV zu sammeln. Dieses Wissen kommt ihnen nach Einschätzung von Fassbender in 2023 zugute, wenn die großen Streaming-Anbieter in Europa werbefinanzierte Dienste anbieten – und damit attraktive Zielgruppen. Und weil sich der Werbekanal TV rasant ins Digitale verschiebt, ergebe es mehr Sinn als je zuvor, alle digitalen Kanäle ganzheitlich zu betrachten und kanalübergreifende Planung, Kontaktklassenoptimierung und Erfolgsmessung vorzunehmen. „Bei holistischer Betrachtung kann auch die Optimierung und Budgetverschiebung von einem Kanal auf den anderen flexibler gestaltet werden, wenn sich im Laufe einer Kampagne herausstellt, dass Anzeigen auf bestimmten Kanälen besser funktionieren“, erläutert Fassbender, der in der Beschleunigung der Digitalisierung des TV einen großen Schritt hin zu Omnichannel-Kampagnen sieht.

Mehr Omnichannel, mehr Identity

Bild: The Trade Desk Lukas Fassbender, The Trade Desk

Dafür, dass künftig deutlich mehr Advertiser auf Omnichannel-Kampagnen setzen werden, macht er zwei Gründe verantwortlich: erstens die rasante Zunahme an CTV-Inventar. „Kanal- und geräteübergreifendes Targeting, Frequenzsteuerung und Messung sind im offenen Internet bereits in den letzten Jahren in den Fokus gerückt. 2023 wird das TV deutlich digitaler, wodurch dieser wichtige Werbekanal besser in digitale Multi-Channel-Kampagnen integriert werden kann“, sagt Fassbender.

Einen zweiten Grund sieht der Experte in neuen Identity-Standards, die dafür sorgen, „dass die Modelle und Methoden zur kanalübergreifenden Aussteuerung auf Daten beruhen, die viel verlässlicher sind als die Third-Party Cookies.“ Die branchenweite Kooperation zur Entwicklung und Etablierung neuer ID-Standards wird nach Einschätzung des Experten 2023 weiterhin deutlich an Fahrt aufnehmen. „Wir werden zusammen mit Branchenpartnern die EUID und die Unified ID 2.0 deutlich weiterentwickeln“, kündigt Fassbender an. Die EUID ist eine eigene Variante der Unified ID 2.0 für Europa. Diese Version unterstützt die besonderen Bedürfnisse und gesetzlichen Anforderungen des Marktes (wie die DSGVO) und befindet sich aktuell in der Alpha-Phase mit ausgewählten Partnern. Zusammen mit diesen Partnern arbeitet The Trade Desk nach eigenen Aussagen mit Hochdruck daran, EUID so schnell wie möglich in die Beta-Phase zu überführen und für weitere Partner zu öffnen.

Supply Chain wird transparenter

Und noch eine weitere Entwicklung könnte den Mediaeinkauf im kommenden Jahr verändern. So geht Fassbender davon aus, dass die Supply Chain weiter deutlich optimiert wird. „Die Wege vom Werbetreibenden zum Publisher werden kürzer und die Transparenz wird sich erhöhen.“ Dafür sprechen aus seiner Sicht drei Entwicklungen: Zum einen geraten Walled-Garden-Systeme aufgrund inhärenter Interessenkonflikte zunehmend unter Druck. Zum anderen beschäftigt sich die gesamte Branche so intensiv wie nie zuvor mit Upgrades zum Cookie: „Bei der Unified ID 2.0 und EUID werden sich Unternehmen wie Disney, AWS, Procter & Gamble und sogar Wettbewerber von The Trade Desk einig.“ Und nicht zuletzt geraten dem DACH-Chef von The Trade Desk zufolge redundante, intransparente Reseller-Arbitrage-Modelle durch Supply-Chain-Transparenz unter Druck, „die nicht nur ineffektiv sind, sondern häufig auch Ursache von Betrug waren.“

Bild: MiQ Nils Kopnarski, MiQ

Auch Nils Kopnarski, Operations Director DACH bei MiQ, sieht in der Supply-Path-Optimization weiterhin ein wichtiges Thema im Einkauf: „Gewinnen kann man hier vor allem mit einem agnostischen Ansatz, der sich nicht auf das Angebot einzelner Publisher konzentriert.“ Ebenso rechnet Kopnarski damit, dass das Thema Identity in all seinen Facetten den Mediaeinkauf weiterhin stark beeinflussen wird. Viele Stakeholder am Markt haben bereits cookielose Targetingprodukte an den Markt gebracht, oder planen, dies in 2023 zu tun. „In der tatsächlichen Zukunftsfähigkeit dieser Angebote gibt es aber starke Unterschiede. Das gilt vor allem auch, weil nach wie vor kein einheitlicher Standard feststeht“, sagt Kopnarski. Aus seiner Sicht sind die Nutzungsraten der Identifier noch nicht das, was sie sein könnten. Er wünscht sich hier ein höheres Tempo. „Mit seinen ewigen Verlängerungen der Frist zur Abschaltung der Third-Party-Cookies in Chrome hat Google nicht nur bewirkt, dass sich die Akteure am Markt auf der gewonnenen Zeit ausruhen. Die enorm gesunkene Qualität der Cookie-Datenlage zeigt auf, dass auch ohne den finalen Tod des Cookies auf neue Technologie gesetzt werden muss, um Targeting und Messbarkeit sicherzustellen.“

Push für CTV und In-Feed-Ads

Insbesondere in vergleichsweise neuen Kanälen wie CTV sind Targeting und Messbarkeit bereits heute ein großes Thema. Zwar wird CTV schon geraume Zeit als Trend gehandelt, doch bisher war der Supply noch limitiert und Targeting und Messbarkeit dürftig. „Nicht zuletzt durch den Markteintritt einiger Größen wie Netflix und Disney, aber auch die Erweiterung einiger anderer Supplier, sowie die weiter steigende Reichweite, wird die Nachfrage hier deutlich steigen und Gelder aus linearem TV in die digitalen Kanäle fließen“, ist Kopnarski überzeugt.

Bild: Invibes Ben Weiß, Invibes

Doch nicht nur CTV-Kampagnen liegen momentan im Trend. Die Nachfrage nach In-Feed Ads erweist sich ebenfalls selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten als robust. Dabei handelt es sich um Werbeplatzierungen im Lesefluss der User innerhalb redaktioneller Artikel. Beim In-Feed-Spezialisten Invibes Advertising erwartet man auch im kommenden Jahr eine steigende Nachfrage durch Mediaeinkäufer. „Die vielseitigen Kommunikationsmöglichkeiten über In-Feed-Anzeigen nutzen Kunden vermehrt individualisiert und zeigen damit das wachsende Interesse an kontextbezogener Werbung“, sagt Ben Weiß, Commercial Director von Invibes Advertising. Einer der Hauptschwerpunkte des Plattformbetreibers sind für 2023 Innovationen im Bereich multivariates und intelligenteres Targeting. Ziel ist es, dadurch ein noch besseres Nutzererlebnis zu schaffen.

Eine immer größere Rolle dürfte künftig auch die Bedienung des mitunter komplexen Adtech-Stack spielen. Für Mediaeinkäufer steht dabei die DSP-Seite im Fokus. Damit Agenturen und Werbetreibende ihre Zielgruppen tatsächlich erreichen können, setzen diese in ihrem Adtech-Stack auf mehrere DSPs. Das ist auch sinnvoll, weisen doch alle Marktteilnehmer unterschiedliche anwendungsbezogene Stärken auf. Um in dieser Konstellation arbeiten zu können, ist es wichtig, diese Tools möglichst einfach bedienen zu können. „Es wird immer mehr Planungskompetenz auf die DSP-Seite verlegt“, sagt Oliver Bolenius, Managing Director DACH beim europäischen Adtech-Unternehmen Hawk. Insbesondere Programmatic DOOH und Programmatic Audio würden aufgrund der stetig steigenden Möglichkeiten und der damit einhergehenden Komplexität eine Technologie verlangen, die mit Klarheit glänze. „Strategien müssen einfach planbar und definierte Zielgruppen greifbar sowie ganzheitlich im Rahmen von Omnichannel-Kampagnen aktivierbar sein.“

Kanalverständnis wichtiger denn je

Bild: Hawk Oliver Bolenius, Hawk

Viel Bedeutung wird dabei schon heute der Werbewirkungsmessung zugeschrieben. Für Bolenius ist der Wunsch des Marktes nach tiefergehenden Insights über die Effekte des eingesetzten Budgets in diesen besonderen Zeiten absolut nachvollziehbar. „Mit diesen Erkenntnissen können neue Handlungsoptionen abgeleitet werden, die in die Strategien einfließen“, so der Experte, nach dessen Einschätzung ein weitreichendes Multi-Kanal-Footfall-Measurement (DOOH-, Mobile-, Audio, -to-Store) für Filialisten sowie integrierte Brand-Lift-Studies die Schlüssel sein werden, um diesem Wunsch nachzukommen. Darüber hinaus geht Bolenius davon aus, dass es immer wichtiger wird, das Zusammenspiel der einzelnen Kanäle zu verstehen, um so Mediabudgets effizienter einsetzen zu können.

Sven Markschlaeger, Chief Digital Officer bei Krombacher, misst dem künftigen Kanalverständnis eine ähnliche Bedeutung zu: „Die größte Herausforderung ist immer noch die Verzahnung und Wertbeimessung der einzelnen Kanäle, kombiniert und individuell“ Selbst innerhalb digitaler Kanäle tue man sich mit Angeboten im Open Web vs. Walled Garden immer noch schwer. „Eine Lösung wäre ein wirklicher Meilenstein“, sagt Markschlaeger.

Bild: Krombacher Sven Markschlaeger, Krombacher

Neben solchen strategischen und technischen Herausforderungen dürfte auch das Know-how eine immer wichtigere Rolle auf der Einkäuferseite spielen. Markschlaeger geht davon aus, dass das Wissen über die Funktionsweise von Media in einer immer stärker verzahnten, technisierten Landschaft zunehmend zu einem der Wettbewerbsvorteile innerhalb des Marktes wird. „Auch sind die Anforderungen je nach Marke und Zielsetzung oft so individuell, dass sich der Aufbau einer eigenen Unit lohnt. Hier werden wir mit Sicherheit eine Veränderung im Markt erleben.“

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