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Google stellt klar: Kein Tracking und keine IDs im eigenen Werbekosmos

4. March 2021 (apr)
Bild: Mitchell Luo – Unsplash

Eine Meldung sorgt derzeit für viel Wirbel in der Werbeindustrie: Google will kein individuelles Tracking mehr in seinem Kosmos zulassen. Werbetreibende sollen bei Google nur noch Nutzergruppen zum Targeting zur Verfügung gestellt bekommen. Damit bezieht der Konzern klar Position gegenüber den alternativen ID-Lösungen, an denen allerorts als Ersatz für die auslaufenden Third-Party-Cookies gefeilt wird. Sie sollen weiterhin seiten- und geräteübergreifende Nutzerprofile für personalisierte Werbung ermöglichen. Die Aussage von Google kommt zwar wenig überraschend angesichts der Bestrebungen in Richtung Privacy Sandbox, verfehlt ihre durchschlagende Wirkung aber dennoch nicht.

“Wir möchten es daher heute noch einmal ganz klar sagen: Wir werden nach de[m] stufenweisen Verschwinden der Drittanbieter-Cookies keine alternativen Identifikatoren entwickeln, um Personen beim Surfen im Internet zu tracken, und wir werden diese auch nicht in unseren Produkten verwenden”, schreibt David Temkin, Googles Director of Product Management, Ads Privacy and Trust, in einem Blogpost. Auch Google hat mittlerweile verstanden, dass User nicht getrackt werden wollen. Die Privatsphäre der Nutzer müsse geschützt werden, “ansonsten setzen wir die Zukunft des freien und offenen World Wide Web aufs Spiel”, so Temkin.

Temkin erklärt weiter: “Wir sind uns bewusst, dass andere Anbieter dann möglicherweise eine Stufe der Benutzeridentität für das Ad-Tracking im Web anbieten können, die wir nicht bieten – wie beispielsweise PII-Graphen anhand persönlicher E-Mail-Adressen. Wir sind aber überzeugt, dass diese Lösungen den steigenden Erwartungen der Verbraucher an den Datenschutz nicht gerecht werden oder den sich schnell entwickelnden regulatorischen Beschränkungen standhalten können. Daher sind sie auf lange Sicht keine nachhaltige Investition.”

Google sagt also in aller Deutlichkeit, dass ID-Anbieter in seiner Welt künftig keinen Platz finden werden – eben die Lösungen, an denen das Programmatic-Ökosystem derzeit global arbeitet. Dies ist kein versteckter, sondern vielmehr ein offener Seitenhieb unter anderem an die Unified ID 2.0 und wird das Leben für sämtliche ID-Anbieter schwerer machen. Interessanterweise hat sich Google-Rivale Xandr zeitgleich zu der Verwendung von IDs bekannt.

Fokus auf Privacy Sandbox und First-Party-Daten

Stattdessen setzt der Konzern zum Targeting ausschließlich auf die Produkte aus der Privacy Sandbox wie das Prinzip “Federated Learning of Cohorts” (FLoC), das datenschutzkonform Gruppen von Menschen mit gemeinsamen Interessen bündeln soll. Werbetreibende erreichen damit ersten Tests zufolge “mindestens 95 Prozent der Conversions pro ausgegebenem Dollar im Vergleich zu Cookie-basierter Werbung”, verkündete Google im Januar nach ersten Testläufen.

Außerdem weist der Konzern auf die First-Party-Beziehungen seiner Partner zu den Nutzern hin, die unterstützt werden sollen. Publisher werden also darin bestärkt, eigene Daten durch Logins einzusammeln. Daher lässt sich die Adtech-Größe Criteo, die unter anderem mit an der Unified ID 2.0 schmiedet, derweil nicht irritieren: “Googles Ankündigung, keinen eigenen PII-basierten Identifier erstellen zu wollen, nimmt in keiner Weise Einfluss auf Criteos Vision und Roadmap. Wie wir es auch zuvor geplant hatten, investieren wir weiterhin sowohl in unser eigenes First-Party-Media-Netzwerk, als auch in Kohorten-basiertes und Contextual Advertising, um Marketern auch künftig dabei zu helfen, ihre Kunden datenschutzkonform und effektiv anzusprechen. Nutzererlaubnis und Einwilligung sind zentrale Bestandteile unserer Lösung. Sie ermöglichen es uns, ein besseres Internet für Verbraucher aufzubauen, ebenso wie für Publisher und Marken, die ihre Kunden mit Lösungen erreichen möchten, die Googles Angebot ergänzen.”

Bild: The Trade Desk Jeff Green, The Trade Desk

"Mit dieser Ankündigung verdoppelt Google seine Wette auf eigene Produkte wie Search und Youtube und zieht die Mauer darum höher. Im offenen Internet werden sie keine alternativen Identifier zu Cookies verwenden, aber alle anderen", schreibt Jeff Green, Gründer von The Trade Desk, in einem Kommentar auf dem unternehmenseigenen Blog. Er ist trotzdem – oder gerade deswegen – überzeugt davon, dass die Unified ID 2.0 auf gutem Kurs ist. "Unified ID 2.0 bietet die beste Gelegenheit für eine neue gemeinsame Währung des offenen Internets. Sie ist auch eine, die von keinem Unternehmen kontrolliert werden kann, einschließlich Apple oder Google.“

Google selbst sitzt mit seinen Logins auf einem der größten First-Party-Schätze weltweit und wird diese Informationen sicherlich nicht einfach vergessen. “Google gibt gezielte Werbung nicht auf. In der Tat könnte man sagen, dass sie die einzigen sein möchten, die gezielte Werbung anbieten, und dass sie dies auf ihre 2 Milliarden E-Mail-basierten Logins stützen (etwas, von dem sie andere abhalten wollen)", so Green weiter. "Wenn Sie über diese News nachdenken im Zusammenhang mit der Entscheidung von Google, Cookies von Drittanbietern aus Chrome zu entfernen und durch FLoC-Kohorten zu ersetzen, ist es fast so, als ob Google weniger Autos auf der Straße haben möchte: Die Welt wird sicherer; wir werden unseren Ferrari behalten; und mit Angeboten wie FLoC kann jeder andere ein Fahrrad haben. Während Fahrräder ihren Nutzen haben, gehört der Wettbewerb mit Ferraris nicht dazu.“

Unklarheiten bleiben bestehen

Auch wenn Google von einer klaren Ansage spricht, sind die Auswirkungen auf die Werbeindustrie also alles andere als eindeutig. Denn was passiert eigentlich mit Googles Adtech-Stack in anderen Browsern wie Apples Safari oder Mozillas Firefox? Wie arbeiten DV360 und der Google Ad Manager künftig beispielsweise mit Blick auf Frequency Capping? Welche Rolle spielt Chrome bei der ganzen Sache und welche Android? Was ist mit Youtube? Und wie kommen überhaupt die 95 Prozent Conversions mit dem FloC-Prinzip zustande? Was genau steckt hinter der Technologie? Es gilt momentan also abzuwarten, bis sich der Staub gelegt hat und Google weitere Details zur Privacy Sandbox sowie zum eigenen Vorgehen offengelegt hat.

Bild: ID5 Mathieu Roche, ID5

Mathieu Roche, CEO des ID-Anbieters ID5, prangert Google jedoch jetzt schon an: “Das Hauptproblem hinter dieser Ankündigung ist, dass Google seinen ‘Kohorten’-Ansatz weiterhin als Initiative zum Schutz der Privatsphäre präsentiert. Es ist eigentlich das genaue Gegenteil. Privacy Sandbox bietet alle Zutaten für gruseliges Tracking und Targeting, ohne den großartigen Geschmack von Transparenz und Kontrolle. Es ist also ein Weg, um Verbrauchern das Recht zu verweigern, ihre Daten zu verwalten und den Marken und Medieninhabern, denen sie vertrauen, ihren Consent zu geben. Es heißt ‘Privacy Sandbox’, schützt Benutzer jedoch nicht vor unerwünschter Verwendung ihrer Daten.”

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