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DISPLAY ADVERTISING

RTB: Pur oder lieber light?

Karsten Zunke, 15. Februar 2013

Real-Time Bidding im Display Advertising lebt von Reichweite und Vielfalt. Je mehr Werbungtreibende sich um eine Platzierung reißen, desto einträglicher können sich die Gebote hochschaukeln. Doch dem steht ein natürlicher Feind gegenüber: die Angst. So fürchten viele Publisher, dass sie die Kontrolle über ihr Inventar verlieren, wenn sie blindlings an Ad Exchanges andocken. Das Rad der Entwicklung wollen sie freilich nicht zurückdrehen; die Vorteile eines automatisierten Echtzeithandels sind unbestritten. Die Lösung ist ebenso simpel wie naheliegend: Immer öfter schaffen sich Publisher ihre eigenen Werbemarktplätze, auf denen sie Herr im Hause sind und die Spielregeln bestimmen. So lassen sich nicht nur Restplätze, sondern auch hochwertige Platzierungen gepflegt an den Mann bringen. „Real-Time Bidding light“ liegt im Trend.

„Premium Private Exchange“: So nennt der Online-Vermarkter Spiegel QC seine im Dezember 2012 gelaunchte Sell-Side-Plattform. Das Ziel: Real-Time Bidding soll auf diese Weise zu einer wichtigen Säule in der Premiumstrategie des Vermarkters werden. „RTB beschreibt aus unserer Sicht eine sehr effiziente Form des Einkaufs von IAB-Standard-Werbeflächen. Welche Wertigkeit Umfelder und Formate haben, liegt allein am jeweiligen Publisher“, sagt Martin Rieß, Leiter Digital und Business Development bei Spiegel QC. So sieht der Vermarkter das Umfeld als wichtiges und preisbildendes Merkmal im Bietprozess an und bepreist dies entsprechend mit einem Premiumaufschlag. Der Vermarkter hat seine Sell-Side-Plattform zusammen mit Yieldlab realisiert. Ein Advertiser muss daher den Prozess der Anbindung an den Technologiepartner Yieldlab durchlaufen.

Martin Rieß

„Unsere Preispolitik ist so geschickt gestaltet, dass wir keine Kunden ausschließen müssen beziehungsweise wollen“, sagt Rieß. Der Vermarkter stellt keine garantierten Volumina für die Plattform zur Verfügung und die Preise sind – anders als bei normalen Sales – nicht planbar. „Gleichwohl stellen wir fest, dass auch die großen Mediaagenturen RTB für große Kunden nutzen und gegebenenfalls Planungsprozesse in der Zukunft anders stattfinden. Darauf müssen wir uns vorbereiten“, sagt Rieß.

Stefan Zarnic

Bereits wenige Wochen zuvor hatte InteractiveMedia eine RTB-Plattform gestartet. Die „Premium Publisher Platform“ wurde in Partnerschaft mit dem Technologieanbieter Appnexus entwickelt. „Wir segmentieren unser Inventar nicht nach Plattform-/Premium-Inventar, für uns ist Realtime Advertising kein Restplatzthema“, betont Stefan Zarnic, Vice President Audience & Network InteractiveMedia. Entscheidend seien die Bedürfnisse und Kampagnenziele der Kunden, die man nun mit neuen Produkten noch besser und individueller bedienen könne.

Die Idee: Wer spitze Zielgruppen oder spezifische Nutzungssituationen erreichen möchte, greift auf die Premium Publisher Platform zurück, wer die garantierte Auslieferung in Umfeldern wünscht, ist im klassischen Umfeldportfolio gut aufgehoben. „Wir betrachten unsere Kundenbeziehungen immer ganzheitlich und der Zugang zur Plattform ist entsprechend Teil einer ganzheitlichen Vereinbarung mit unseren Kunden und Partnern“, so Zarnic.

Jay Stevens

PMP als Initialzündung

Mithilfe der Private Marketplaces können Publisher gezielt Online-Inventar mit Targeting-Optionen wie Placement und Größe auswählen und am Markt anbieten. Laut Jay Stevens, SVP und General Manager International von Rubicon Project, sind PMP der erste Schritt in Richtung der Automatisierung der Branche. Außerdem könnten Stevens zufolge Publisher über Private Marketplaces ihr Inventar gefahrlos mit den Userdaten der Werbungtreibenden – First Party Data – aufwerten und so sehr hochwertige Zielgruppen automatisiert buchbar machen. Die Targeting-Parameter könnten beispielsweise Geschlecht, Alter, Demografie, Interesse oder Kaufabsicht sein.

„Der wichtigste Faktor aber ist, dass die Publisher über Private Marketplaces einen TKP erreichen, der im Schnitt um ein Drei- bis Fünffaches über dem des frei auktionierten RTB liegt und sich immer mehr dem TKP der direkten Verkaufsteams annähert“, so Stevens. Dabei können Publisher mithilfe der verfügbaren Kontrollmechanismen einer echten SSP genau die Regeln anwenden, die auch für das Verkaufsteam gelten. „Mindestpreise und Zugriffskontrollen bieten für den automatisierten Handel die gleiche Steuerung wie im Direktverkauf“, so Stevens.

Katharina Meran

Aus Sicht des Käufers liegen die Vorteile eines PMP vor allem in Transparenz und Markenschutz, meint Katharina Meran, Country Manager von Pubmatic. Zudem sei es eine kosteneffiziente Ergänzung zum direkten Einkauf, da die operativen Kosten minimiert werden. „Die Verträge werden zwischen Käufern und Publishern verhandelt. Dabei hängt ein Abschluss nicht nur von höheren Preisen oder besseren Conversions ab, das Listenmanagement und allgemeine Geschäftsbeziehungen spielen ebenfalls eine Rolle“, so Meran.

Zugang beschränkt

Black- und Whitelists gelten bei den PMP-Anbietern als probates Mittel, das eigene Inventar kontrolliert zu versteigern. Direkte Verträge sind ebenfalls eine Möglichkeit. Doch feste Regeln haben sich noch nicht herausgebildet. „Die Zugangsvoraussetzungen zur Nutzung einer PMP liegen eher in ‚weichen‘ Faktoren, wie Größe, Relevanz und Marktmacht – von vor allem etablierten Playern. Publisher mit geringer Reichweite und Agenturen/Werbekunden mit geringen Budgets werden es schwer haben, private Deals zu verhandeln“, sagt Henning Lange, CEO von Adcloud.

Automatisierte Deals über sogenannte „Deal IDs“ könnten den kontrollierten RTB-Handel weiter beleben. „Die Vergabe von Deal-IDs als Vorkaufsrecht für Advertiser umfasst Rahmenbedingungen wie feste Preise oder Trageting-Kriterien. Eventuell verlangt der Vermarkter, festgelegte Kontingente von Ad Impressions abzunehmen. Die Abwicklung erfolgt dann automatisiert über eine RTB-Plattform“, erläutert Lange.

Henning Lange

Das Prinzip: Auf der DSP wird eine Deal-ID angelegt, eine SSP schickt eine Gebotsanfrage an die DSP. „In diesem Fall würde die dort hinterlegte Deal-ID dafür sorgen, dass die Ad Impression – bei Erfüllung der definierten Kriterien – zunächst an den Advertiser gesendet wird, der sich über die Deal-ID ein Vorkaufsrecht gesichert hat“, schildert Lange. Der Advertiser entscheidet dann, ob er die Ad Impression zu den hinterlegten Konditionen abnimmt oder nicht. Lehnt er ab, kann die Werbeplatzierung dem nächsten Advertiser angeboten oder frei versteigert werden. Lange rechnet aber nicht damit, dass es eine Vielzahl von Deal-IDs auf eine Ad Impression geben wird, „da ein mehrfaches Prüfen und Ablehnen zu viel Zeit kostet“. Wahrscheinlicher sei, dass nur ein oder zwei Agenturen beziehungsweise deren DSPs mit einem Erst- und Zweitvorkaufsrecht ausgestattet werden, um in den Fällen einer Ablehnung, die Ad Impression in den freien RTB-Handel zu geben.

Doch egal, welcher technologischen Mittel sich RTB künftig bedient, eines zeichnet sich ab: RTB wird das Klischee „Billigmarkt“ ablegen und auch für große Vermarkter wichtig werden. Bei Spiegel QC ist die Resonanz bereits sehr positiv. „Unser Premiumansatz benötigt aber sicherlich noch Zeit, um den Markt zu durchdringen – diese Zeit haben wir aber!“

Bild Karsten Zunke Über den Autor/die Autorin:

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