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ANALYTICS

eMetrics 2010: viel Social Media

Jens von Rauchhaupt, 26. März 2010

850 Fachleute für Search-Marketing und Web Analytics (Web Controlling) fanden sich bei schönstem Frühlingswetter auf den gemeinsam veranstalteten Fachkongressen SMX und eMetrics in München ein. Das sind 250 Teilnehmer mehr als im Jahr zuvor. In den Kongressräumen der eMetrics war spürbar mehr los als noch 2009. Dabei nahm Social Media einen Schwerpunkt auf der eMetrics ein.

Vielleicht erinnern Sie sich: „The Internet sucks“, sagte Jim Sterne, weltweite Gallionsfigur für Web Analytics, Buchautor und WAA (Web Analytics Association) Präsident noch 2007 auf der eMetrics in Düsseldorf und äußerte damit seinen Unmut darüber, dass es dem User zu schwer gemacht werde, auf den Webseiten das zu finden, was er wirklich sucht. Inzwischen sei das Netz weit weniger „sucky“, wie Sterne meint. „In den letzten drei Jahren haben die Unternehmen sehr viel Geld investiert. Immer mehr Firmen haben den Wert und die Vorteile des Internets für sich entdeckt und verbessern auch mithilfe der Web Analytics ihre Websites.“ Sterne macht aber eine weitere Entwicklung für den Fortschritts der Websites und damit des Internets verantwortlich: Social Media.

Jim Sterne, WAA Präsident

Social Media als Trafficquelle

„Fehlerhafte Websites machen inzwischen so schnell die Runde. Das zwingt die Unternehmen dazu, ihren Internetauftritt zu verbessern“, sagt Sterne. Für ihn ist Social Media eine weitere Evolutionsstufe der menschlichen Kommunikation. „Social Media ist ein Game Changer, auch für Unternehmen. Eine Marke ist für mich nicht mehr das, was sie über sich selbst sagt, sondern das, was meine Freunde darüber berichten“, und verweist auf das jüngste PR-Desaster von Nestlé auf Facebook. Für Sterne müssen die Unternehmen das Thema Social Media in mehrfacher Hinsicht adressieren.

„Social Networks und Social Media sind für die Unternehmen neue Trafficquellen. Über die eigene Web-Analyse kann ich als Unternehmen genau erkennen, ob die Besucher zum Beispiel von der Facebook Fan Page oder von Twitter kommen und lernen, wie man noch mehr Traffic von diesen Quellen erhält.“ Besonders vorteilhaft ist es natürlich für Unternehmen, die bereits ein Web-Analysetool nutzen, das auch mit Facebook zusammenarbeitet. „Wenn ich also als Unternehmen bereits ein Web-Analysetool nutze, dass auch mit Facebook zusammenarbeitet, dann erhält das Unternehmen wertvolle Zusatzinformationen. Mithilfe der Social Networks kann ich also meinen Content im Netz verbreiten und zudem meine Web-Analytics-Fähigkeiten außerhalb des eigenen Webauftritts auf die Social Networks ausweiten.“

Richtig zuhören

Der zweite Punkt, den Sterne für den Unternehmenseinsatz auf den Social Media Sites anführt, ist, dass die Unternehmen oder Marken dort den Usern zuhören sollten, was über sie gesagt wird. „Wenn dann ein einzelner Angestellter, wie im Fall von Nestlé, sich dazu entscheidet, das Brand Book auf Facebook übertragen zu wollen und negative Äußerungen über das Unternehmen sowie die Nutzung eines veränderten Nestlé-Markenlogos untersagt, dann ist das ‚bizarrely stupid‘. Nun rufen zigtausend Fans dazu auf, Nestlé-Produkte zu boykottieren. Noch mal: Social Media und Social Networks haben die Welt verändert, bleibt zu hoffen, dass Nestlé die Lektion gelernt hat.“ Wäre es also für einige Unternehmen dann nicht besser, überhaupt nicht in Facebook und anderen Social Networks einzusteigen? „Nein“, sagt Sterne. „Erstens sind Social Networks als Trafficquelle zu wichtig. Außerdem muss man als Unternehmen lernen, richtig zuzuhören, was vielleicht auch für Toyota hilfreich gewesen wäre, bevor das ganze Beschleunigungsproblem von der Presse ausgeschlachtet wurde. Ich kenne ein Gegenbeispiel, wo ein Textanalysefirma Ford vor einem ähnlichen Fiasko bewahren konnte.“

E-Commerce sollte bei Social Media nicht übertreiben

Beim Anwendervortrag „Voice of the customer“ von Gernot Knofs vom Erlebnisgeschenkplattform mydays.de ging es ebenfalls ums Zuhören. Freilich außerhalb eines Social Networks oder Social Media. Trotzdem war es interessant zu verfolgen, wie das Unternehmen seinen Seitenrelaunch gemeinsam mit seinen Usern im Wege einer Zufriedenheitsanalyse bewerkstelligte. Auch das ist ein typisches Einsatzgebiet der Web Analytics. Zum Thema Social Media Controlling befragte der eMetrics-Moderator Ossi Urchs den erfahrenen E-Commerce-Experten Patrick Palombo, Geschäftsführer Handels- & eCommerce Consulting.

Hintergrund war sicherlich die neue Web-2.0-Plattform der Otto-Tochter Smatch.com, die Stefan Wolk, Leiter Marketing und Produktentwicklung smatch.com, am ersten Kongresstag vorgestellt hatte. „Neukundengewinnung über Social Networks ist ein Muss und als Kundenbindungsinstrument ebenso wirkungsvoll.“ Auf der anderen Seite ist Palombo der Auffassung, dass viele E-Commerce-Unternehmen im Hinblick auf Social Media den Bogen überspannen. „Tendenzen der User müssen natürlich ernst genommen werden, man darf aber nicht alles dem User überlassen. Der Versandhandel sollte auch im Internet die unternehmerische Kontrolle behalten.“

Datenschützer Peter Schaar

Datenschutzdiskussion durfte nicht fehlen

Wenig überraschend verlief der Auftritt von Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, der noch einmal die Auffassung des Düsseldorfer Kreises über den Personenbezug von IP-Adressen und Cookies erläuterte. Zuvor hatten sich einige Web-Analyse-Anbieter schon Sorgen über Schaars Auftritt gemacht. Schaar ist der Auffassung, dass gespeicherte Cookies durch Zusammenführung mit anderen Daten einen Personenbezug herstellen können und daher das automatische Setzen von Cookies gegen die informelle Selbstbestimmung der Internetnutzer verstoßen würde. Daher sei er der Auffassung, dass der nationale Gesetzgeber die neue EU-Richtlinie so umsetzen muss, dass das Setzen eines persistenten Cookies die generelle Einwilligung des Users erfordert. Hier scheint allerdings fraglich, wie die EU-Richtlinie diesbezüglich überhaupt zu verstehen ist, die eine technische Einwilligung durch die Voreinstellung im Browser eigentlich erlaubt. Mit der Frage, ob ein voreingestelltes Browser-Opt-in für Tracking Cookies also datenschutzkonform ist, werden sich wohl noch viele Juristen herumschlagen.

Auch für Jim Sterne ist Datenschutz ist ein sehr wichtiges Thema. „In vergangener Zeit ging man in den USA viel zu lax mit diesem Thema um. Die beste Lösung für das Marketing ist auch nach meiner Ansicht ein Opt-in. Allerdings nicht generell für Cookies in der Form, dass ich bei jeder Webseite, die ich gern nutze, immer wieder einen Opt-in für den Cookie vollziehen muss. Das ist zu umständlich. Wenn ein Unternehmen einen User auf der Webseite tracke, weiß es nicht, wer der User ist. Dafür benötige ich also keinen Opt-in. Erst, wenn der User etwa einen Newsletter bestellt oder ein Buch kauft und seine Kreditkartennummer hinterlässt, ändert sich das.“ Für Jim Sterne sind Cookies noch immer das beste Mittel der Web Analytics: „Web Analytics funktioniert ohne Cookies nicht besonders gut. Es muss immer eine Technologie geben, die das Klickverhalten auf der Webseite verfolgen (tracken) kann. Ich muss als Unternehmen nicht wissen, wer der User ist, ich muss nur wissen, welche Sites und welche Inhalte er schon gesehen hat. Cookies sind dafür die einfachste und beste Wahl.“

Christian Bennefeld, Geschäftsführer von eTracker, sieht das nicht so drastisch: „Wir brauchen nicht zwangsläufig Cookies zum Tracken der Besucherströme auf den Websites. Cookieless Tracking ist möglich. Wir können die User über 60 verschiedene technische Merkmale tracken.“. Vielleicht wird zum Thema Cookies bald Matthias Bettag, der neue Vorsitzende der WAA Deutschland, etwas einbringen können. Gegenüber Adzine machte der Content-Management und E-Mail-Marketingexperte von Bayer Schering Pharma einen äußerst engagierten und dynamischen Eindruck.

Entwicklung der Web Analytics

Die Entwicklung und die steigende Bedeutung von Web Analytics für die Unternehmen lässt sich beispielhaft an dem deutschen Unternehmen eTracker ablesen. Vor 10 Jahren „im Wohnzimmer“ von Christian Bennefeld gegründet, beschäftigt eTracker inzwischen 44 Mitarbeiter und betreut 80.000 Websites. „Web Analytics ist im breiten Massenmarkt angekommen. Die Zeiten, als wir noch missionarisch über die Chancen und Möglichkeiten aufklären mussten, sind glücklicherweise längst vorbei“, sagt Bennefeld.

Vistor Motion kann jede Mausbewegung des User tracken

eTracker hatte eine eigene Neuentwicklung auf der eMetrics zu verkünden, die sie selbst „Visitor Motion“ nennen. Diese Nutzererlebnisanalyse kann wie eine Kamera auf der Schulter des Users jede Mausbewegung nachverfolgen und erstellt eine Art Heatmap. Zusammen mit dem Zufriedenheitsanalysetool Visitor Voice soll dieses Produkt neue und detaillierte Erkenntnisse zum Nutzerverhalten der User auf einer Webseite liefern können. Gerechterweise sollte aber hier angemerkt werden, dass auch andere Unternehmen wie etwa m-pathy aus Leipzig eine ähnliche Lösung entwickelt haben.

Neue Zertifizierung der WAA zum Web-Analysten

Doch was sollen die Unternehmen mit all den gesammelten Datensätzen anfangen? „Das ist wie ein Pixelbild“, sagt Jim Sterne. „Je mehr Pixel ein Bild hat, umso besser die Auflösung. Genauso verhält es sich auch bei der Web-Analyse.“. Doch die Unternehmen erhalten so viele unterschiedliche Arten von Daten, dass sie bisher nicht vollständig genutzt werden können. „Das Problem ist, dass derjenige, der die Daten auswerten soll, auch zuvor die richtigen Fragen stellen muss. Im Mai wird die WAA daher damit beginnen, eine Zertifizierung zum Web-Analysten anzubieten. Hier geht es nicht darum, die Nutzung der einzelnen Web Analytics Tools zu erlernen. Es geht viel mehr darum, welche Daten man für welche Aufgabenstellung benötigt. Was der Web Analytics zudem noch fehlt, ist die Anerkennung im Senior Management. Diese Managementebene muss besser verstehen können, wie wertvoll Web Analytics für das eigene Unternehmen sein kann“, erläutert Sterne.

Laut Frank Reese von Ideal Observer gibt es in Deutschland noch viel zu wenige Fachleute, die sich professionell dem Thema Web Analytics widmen. Auffällig war in diesem Zusammenhang, dass noch immer zu wenig Vertreter aus den mittelständischen Unternehmen den Weg zur eMetrics finden. Dabei ist dieser Kongress genau die richtige Veranstaltung für all jene „Hidden Champions“, die global ihre Zielgruppen ansprechen. Daher wird ein hohes Know-how in der Web Analyse immer mehr zu einem echten Wettbewerbsvorteil.

Über den Autor/die Autorin:

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