Programmatic Audio als unterschätzter Omnichannel-Baustein
Anton Priebe, 24. November 2025Interview mit Rutger Maree, Magnite
Die Budgets für Audio-Spots bleiben weit hinter der Nutzung des Kanals zurück. Dabei kann gerade Programmatic Audio einen starken Beitrag im Omnichannel-Mix leisten. Auch das technische Fundament des Audiomarkts entwickelt sich weiter und verbessert die Adressierbarkeit der Werbung, weiß Rutger Maree, Commercial Director für Nordeuropa bei Magnite. Im Interview spricht Maree darüber, welche Rolle Audio heute in Omnichannel-Kampagnen spielt, welche technologischen Hürden noch bestehen und welche Innovationen den Markt in den kommenden Jahren prägen werden.
ADZINE: Rutger, wie ist der aktuelle Stand von Audio-Programmatic im Vergleich zu anderen Kanälen? Wo befinden wir uns?
Rutger Maree: Ich glaube, dass wir jetzt mit Audio eine wirklich spannende Zeit erleben. Audio hat sich zu einem komplett digitalen, datenreichen und programmatisch aktivierten Ökosystem entwickelt, ähnlich wie Video oder Display. Plattformen wie Spotify oder Acast treiben diese Entwicklung weltweit stark voran.
Die Verbraucher verbringen sehr viel Zeit mit Audio, aber die Werbeausgaben bleiben noch deutlich zurück. In den USA beispielsweise liegt der Anteil der gesamten Werbeausgaben bei nur rund 1,8 Prozent gegenüber 25 Prozent für Social Media. Das zeigt, welches Potenzial noch vorhanden ist.
Werbetreibende entdecken jedoch zunehmend, dass Audio eine Zielgruppe in bildschirmfreien Momenten erreicht, also in Situationen, in denen visuelle Medien gar nicht wirken können. Programmatic hat hier gezielte, messbare und skalierbare Audiokäufe möglich gemacht. Das zeigt, dass Audio erwachsen geworden ist und sich im Omnichannel-Mix etabliert.
ADZINE: Welche Rolle spielt Audio heute im Omnichannel-Universum im Vergleich zu Display oder Video?
Maree: Audio hat eine sehr wichtige Rolle eingenommen, weil es Menschen in Momenten erreicht, in denen sie nicht auf einen Bildschirm schauen. Es sorgt für emotionale Bindung und Markenbekanntheit. Studien zufolge zeigen 66 Prozent der Musik-Hörer und 72 Prozent der Podcast-Hörer eine stärkere emotionale Verbindung zur Marke nach einem Spot. Dies sind Werte, die mit Video oder CTV vergleichbar sind.
Audio wirkt ergänzend, nicht konkurrierend. Die große Stärke liegt darin, Menschen während Aktivitäten wie Pendeln, Sport, Kochen oder Hausarbeit zu erreichen und damit in Momenten, in denen andere Medien kaum Zugang haben. Audio ist zudem ein sehr intimes Medium. Wenn ich mit Kopfhörern einen Podcast höre, kommt die Botschaft viel direkter an.
ADZINE: Welche Entwicklungen braucht der Markt, damit Audio stärker im Omnichannel berücksichtigt wird?
Maree: Ein entscheidender Punkt ist der Wandel von manuell verkauften Kampagnen hin zu programmatischem Einkauf. Immer mehr Audio-Inventar wird programmatisch verfügbar, was für Mediaeinkäufer über DSPs dieselbe Effizienz und Skalierbarkeit bringt wie bei Video oder Display.
Ein wichtiger technologischer Treiber ist Dynamic Ad Insertion. Sie ermöglicht es Publishern, zielgerichtete Anzeigen in Echtzeit basierend auf Hörerdaten zu schalten, anstatt eine feste Werbung in eine Podcast-Folge einzubetten. Damit wird Audio adressierbarer und messbarer.
Und zum ersten Mal hält auch Dynamic Creative Optimization (DCO) Einzug in digitales Audio. Kampagnen können jetzt je nach Wetter, Tageszeit, Standort oder Podcast-Genre dynamisch angepasst werden – mit maximaler Relevanz und Reichweite.
ADZINE: Diese Entwicklungen sind ja nicht unbedingt neu und es existieren weiterhin technische Hürden. Wie kann Audio-Inventar leichter programmatisch integriert werden, damit die Technologien auch in der Praxis eingesetzt werden?
Maree: Ein wesentlicher Schritt ist die Standardisierung. Im Video-Bereich arbeiten wir seit Jahren mit dem VAST-Standard. Im Audio gab es lange Zeit andere Formate wie DAAST. Inzwischen kann VAST auch Audio verarbeiten – das ist ein großer Fortschritt, weil wir nicht mehr mit zwei unterschiedlichen Standards arbeiten müssen.
Eine weitere Herausforderung liegt in der Messung und Attribution. Programmatic basiert normalerweise auf der Analyse von Impressions und Conversions in Echtzeit, was bei Audio schwierig ist, weil kein Bildschirm vorhanden ist. Stattdessen konzentrieren sich viele Publisher auf Downloads oder Ad Requests, was zu Messdiskrepanzen führt.
Wir glauben, dass verbesserte Signale und einheitliche IDs hier helfen. Bei Audio sprechen wir etwa über Listen-Through-Rates statt View-Through-Rates. Unified IDs oder andere ID-Lösungen – unabhängig von Cookies – können helfen, Audio-Exposures mit Geräten im gesamten Netz zu verknüpfen. Das ist wichtig für Multi-Touch-Attribution und um den Beitrag von Audio zum Gesamterfolg einer Kampagne nachzuweisen.
ADZINE: Welche IDs oder Daten spielen dabei eine Rolle?
Maree: Wir selbst arbeiten mit allen marktüblichen IDs wie Unified ID, NetID oder der Utiq ID. Viele Audio-Publisher verfügen zudem über wertvolle First-Party-Daten wie Login-Informationen oder E-Mail-Adressen. Diese Daten werden mit dem Ende der Cookies noch wichtiger.
Auch Frequency Capping ist in dem Zusammenhang ein wichtiges Thema. Advertiser wollen sicherstellen, dass Nutzer nicht zu oft mit denselben Spots konfrontiert werden. Wir leben ohnehin in einer sehr lauten Marketingwelt. Audio kann hier helfen, gezielter und relevanter zu kommunizieren.
ADZINE: Wie sieht aus deiner Sicht das ideale Zusammenspiel zwischen Audio, Video und Display in einer Omnichannel-Kampagne aus?
Maree: Die Integration von Audio in Omnichannel-Kampagnen sollte auf drei Kernsäulen basieren: Sequencing, kreative Verstärkung und Datenvereinheitlichung.
Audio sorgt für Markenpräsenz in bildschirmfreien Momenten, zum Beispiel beim Autofahren, Joggen oder Kochen. Es ist damit eine wichtige Ergänzung zu visuellen Kanälen. In der kreativen Sequenz können Videos die Marke visuell aufbauen, während Audio mit vertrauter Stimme und emotionaler Nähe die Erinnerung stärkt. Display schließlich kann die letzte, klickbare Handlung anstoßen. Zusammen ergibt das ein konsistentes Storytelling über alle Kanäle hinweg.
ADZINE: Welche technologischen Entwicklungen könnten Audio im Omnichannel künftig noch stärker machen?
Maree: Die zunehmende Verbreitung vernetzter Geräte ohne Bildschirm bietet riesige Chancen. In-Car-Audio ist ein gutes Beispiel. Moderne Fahrzeuge integrieren Musik-Streaming und Podcasts direkt ins Infotainment-System. Programmatic wird künftig in der Lage sein, auf solches native Fahrzeuginventar zuzugreifen, mit Targeting basierend auf Echtzeitdaten wie Verkehr, Zielort oder verbleibender Reisezeit.
Auch Smart Speaker und andere IoT-Geräte sorgen dafür, dass Audio zu Hause ständig präsent ist. Das gemeinsame Hören liefert wertvolle Signale, etwa zu Aktivitäten im Haushalt. So können Kampagnensequenzen mit anderen Kanälen wie Connected TV noch besser abgestimmt werden.
Sehr spannend finde ich zudem die Kombination von Audio und KI. Ich höre zum Beispiel beim Kochen eine Werbung über meinen Smart Speaker und kann direkt sagen: „Alexa, erzähl mir mehr über diese Automarke“ oder „Hey Google, verbinde mich mit dem Händler in meiner Nähe“. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten, Kampagnenerfolg direkt messbar zu machen.
ADZINE: Wie ist Magnite in Deutschland in das Audiosystem integriert?
Maree: Wir arbeiten seit Jahren eng mit Spotify zusammen und sind einer der ausgewählten Partner der Spotify Ad Exchange, was in Deutschland eine enorme Reichweite bietet. Außerdem sind wir mit Acast, dem weltweit größten Podcast-Vermarkter, integriert und kooperieren auch mit Deezer. Damit haben wir praktisch eine vollständige Abdeckung im deutschen Markt.
Und ja, wir wollen auch ins lineare Radio. Die technische Integration ist ähnlich wie bei Live-CTV. Wenn ein Werbeblock ansteht, können wir die Auktion auslösen. Wir sind derzeit mit Radiovermarktern in Deutschland im Gespräch – mehr kann ich noch nicht verraten, aber da wird bald etwas kommen.
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch, Rutger.