CTV-Werbung bei Disney+: Status quo und Ausblick auf KI-Zukunft
André Gärisch, 8. September 2025Vermarktungsstrategien der Streamingdienste

Seit November 2023 bietet Disney+ in Deutschland ein werbefinanziertes Abo an – Zeit für ein Zwischenfazit. Im Gespräch mit ADZINE gibt Julia Schörner, Director Disney Advertising bei The Walt Disney Company GSA, Einblicke in die Akzeptanz des neuen Modells, erläutert, wie Disney+ Werbekunden gezielt anspricht und welche Rolle Künstliche Intelligenz künftig spielen soll. Zudem verrät sie, welche inhaltlichen Schwerpunkte der Streamingdienst setzen möchte und warum der Einstieg in den Live-Sport dabei nur folgerichtig ist.

ADZINE: Frau Schörner, wie entwickeln sich die Nutzerzahlen von Disney+ in Deutschland? Teilen Sie gerne auch Erfolgskennzahlen zum Werbe-Abo.
Julia Schörner: Zuletzt haben wir bei der Disney Upfront bekanntgegeben, dass weltweit inzwischen 164 Millionen Menschen ein werbefinanziertes Abo bei uns nutzen. Besonders spannend ist, dass sich mehr als die Hälfte bei der Anmeldung auf Disney+ heute direkt für diese Variante entscheidet. Auch in Europa sehen wir eine starke Nutzung und auch ein spürbares Interesse von Werbepartnern seit der Einführung des Ad-Tiers.
ADZINE: Welche Erfahrungen haben Sie seit dem Start des Werbeabos in Deutschland gesammelt? Gab es Erkenntnisse, mit denen Sie nicht gerechnet hatten?
Schörner: Wir hatten den Vorteil, dass wir sowohl in den USA als auch in Deutschland auf jahrzehntelange Advertising-Erfahrung zurückgreifen konnten und bereits ein lokales Ad-Sales-Team hatten – für die TV-Vermarktung, Addressable TV, YouTube und unsere Website. Dennoch war Streaming ein völlig neues Produkt mit neuen Möglichkeiten. Positiv ist hierbei zu erwähnen, dass laut YouGov über 70 Prozent der Abonnenten von Disney+ hierzulande das Werbevolumen als akzeptabel empfinden und wir damit beim Punkt „Werbeerlebnis“ zu den beiden führenden Streamingdiensten zählen. Unsere aktuelle „Generation Stream“-Studie für Deutschland zeigt außerdem, dass 69 Prozent der Befragten generell durch Streaming-Werbung bereits neue Produkte entdeckt haben.
ADZINE: Welche Branchen oder Unternehmen zeigen sich bislang besonders offen für Werbeschaltungen auf Disney+ in Deutschland?
Schörner: Das Spektrum ist ziemlich breit. Wir sehen Interesse aus der Automobilbranche, von Spielwarenherstellern, die gezielt Familien und junge Zielgruppen ansprechen wollen, genauso wie von Kosmetikmarken – zum Beispiel L’Oréal – oder großen Handelsunternehmen wie Lidl. Unsere Kunden schätzen an Disney+ vor allem das hochwertige, markensichere Umfeld und die starke Reichweite.
ADZINE: Sie verzichten im Junior-Modus für Kinder bis sechs Jahre bewusst auf Werbung, um deren Schutz zu gewährleisten. Gab es trotzdem einmal Überlegungen, pädagogisch wertvolle Spots zuzulassen – oder ist das klar ausgeschlossen?
Schörner: Das Werbeerlebnis ist für uns ebenso wichtig wie der Jugenschutz. Deshalb zeigen wir im Junior-Modus grundsätzlich keine Werbung. Darüber hinaus prüft unser Compliance-Team generell alle Werbemittel genau und stellt sicher, dass sensible Inhalte ausschließlich in Erwachsenen-Umfeldern laufen.
ADZINE: Welche Content-Strategie verfolgen Sie aktuell und mittelfristig, um Zuschauer zu gewinnen und zu binden?
Schörner: Unsere über hundertjährige Erfahrung in Storytelling und Kreativität bildet das Fundament unserer Strategie. Darauf basierend bieten wir ein vielfältiges und hochwertiges Programm – von Blockbustern und Serien bis hin zu Dokumentationen und lokalen Produktionen. Unsere etablierten Marken wie Disney, Pixar, Marvel, Star Wars und National Geographic sorgen für eine kontinuierliche Nutzung, während wir etwa mit dem Programmbereich STAR gezielt erwachsene Zielgruppen ansprechen. Zu den Highlights dieses Jahres zählen unter anderem die Filme „Vaiana 2“ und „Captain America: Brave New World“ sowie neue Serien wie „Alien: Earth“ und „All’s Fair“. Außerdem haben wir preisgekrönte Serien wie „The Bear“ oder „Only Murders in the Building“ im Angebot. Ein wichtiger Bestandteil unserer lokalen Strategie sind zudem die deutschen Produktionen wie die Serie „Call My Agent: Berlin“ über das Berliner Filmgeschäft, die im September startet.
ADZINE: Ab der kommenden Saison zeigen Sie europaweit die UEFA Women’s Champions League. Warum war es für Disney wichtig, jetzt auch in den Sportbereich einzusteigen?
Schörner: Live-Sport bringt eine neue Dynamik auf unsere Plattform und spricht ein breiteres Publikum mit hoher Aufmerksamkeit an. Außerdem ist das bisherige Feedback von Agenturen und Kunden zu Live-Events im Streaming positiv. Mit der Übertragung von „Elton John Live: Farewell from Dodger Stadium“ und den „Oscars“ konnten wir bereits Erfahrungen in diesem Bereich sammeln. Der Schritt hin zum Live-Sport war daher für uns eine logische Weiterentwicklung.
ADZINE: Welche Werbeformate stehen Ihren Kunden im Werbe-Abo zur Verfügung? Sind auch Shoppable-Formate in Planung?
Schörner: Aktuell arbeiten wir mit Pre-Rolls und Mid-Rolls zwischen 5 und 90 Sekunden, nicht überspringbar und geräteübergreifend ausgespielt. Die Werbung läuft in einem kuratierten, markensicheren Umfeld über verschiedenste Inhaltstypen hinweg, darunter Serien, Filme und Bibliothekstitel. Sponsoring-Formate, zum Beispiel für ausgewählte Inhalte oder Specials, bieten Marken die Möglichkeit, sich eng mit einem Thema zu verknüpfen. Shoppable-Formate sind in Deutschland noch nicht verfügbar, werden aber in den USA bereits erfolgreich eingesetzt – mittelfristig ist das sicher auch hier ein Thema.
ADZINE: Apropos USA: Dort sollen Werbekunden mithilfe von KI künftig effizient mehrere Versionen eines Spots erstellen und hochladen können. Bei Live-Übertragungen soll die KI automatisch das jeweils passende Video ausspielen – je nach Stimmung oder Spielverlauf. Wie ist hier der aktuelle Stand der Umsetzung, auch mit Blick auf den deutschen Markt?
Schörner: Unser Team in den USA hat über viele Jahre hinweg einen leistungsstarken Tech-Stack aufgebaut, von dem wir auch hier profitieren, weil die meisten Entwicklungen zeitversetzt zu uns kommen. KI verwenden wir derzeit vor allem in unseren Algorithmen und bei der Ertragsoptimierung. In der Kreation und beim Management von Werbemitteln untersuchen wir aktuell, welche Prozesse wir im Zusammenhang mit KI verbessern können. Schon jetzt – in der Pilotphase – verarbeiten wir global täglich rund 40.000 Assets auf unserer Plattform, die mit den entsprechenden Tools optimiert wurden. Angesichts des Wachstums im Streaming-Bereich werden solche Möglichkeiten an Bedeutung gewinnen, auch hierzulande.
ADZINE: Wie steuern Sie die Häufigkeit von Werbeunterbrechungen? Gibt es für Werbekunden die Option eines Frequency Cappings, sowohl innerhalb Ihrer Plattform als auch in Zusammenarbeit mit externen Bewegtbildpartnern im Rahmen übergreifender Kampagnen?
Schörner: Wir setzen bewusst auf einen reduzierten Ad Load, um ein positives Werbeerlebnis ohne Überreizung sicherzustellen, und kombinieren diesen Ansatz mit einem individuell steuerbaren Frequency Capping. Das gilt nicht nur für Insertion Orders, sondern auch für Programmatic-Guarantee-Kampagnen über externe DSPs und Programmatic Direct. Spielfilme unterbrechen wir grundsätzlich nicht, um den Filmgenuss nicht zu beeinträchtigen. Unser Ziel ist eine ausgewogene Balance zwischen Reichweite, Werbedruck und Nutzerzufriedenheit. Das Feedback unserer Kunden bestätigt diesen Kurs.
ADZINE: Welche Targeting-Potenziale bieten Sie Werbekunden in Deutschland, um Kampagnen präzise und wirkungsvoll auszusteuern?
Schörner: Unsere Werbekunden haben eine Vielzahl wirkungsvoller Targeting-Optionen, die wir kontinuierlich weiterentwickeln. Besonders gefragt sind derzeit kontextuelles Targeting sowie die gezielte Ansprache über das Upmarket Content Bundle. Auch eine Altersdifferenzierung – unter oder über 18 Jahre – ist möglich. Aktuell arbeiten wir an einer Erweiterung um soziodemografische Merkmale und seit dem Frühjahr bieten wir zusätzlich Genre-Targeting an, das eine noch spezifischere thematische Aussteuerung erlaubt. Mit unserer Studie „Generation Stream“ führen wir darüber hinaus künftig vier neue, verhaltensbasierte Zielgruppensegmente ein, die Marken für ihre Ansprache nutzen können: Empathetic Escapists, Reflective Explorers, Social Shapers und Comfort Connectors.
ADZINE: Wie messen Sie den Erfolg von Kampagnen auf Disney+? Und arbeiten Sie dabei auch mit externen Partnern zusammen?
Schörner: Wir bieten ein transparentes und detailliertes Reporting zur Bewertung der Kampagnenperformance, sowohl auf quantitativer als auch auf qualitativer Ebene. Zu den zentralen KPIs zählen dabei unter anderem Impressions, die wir nach Quartilen ausweisen können. Daneben lässt sich die Google-Active-View-Sichtbarkeit geräteübergreifend erfassen, etwa aufgeschlüsselt nach Zeiträumen oder Ausspielungsebenen. Ergänzend arbeiten wir mit renommierten Marktforschungspartnern wie Cint, Kantar, YouGov und Audience Project zusammen. So erhalten wir fundierte Erkenntnisse zur Werbewirkung, etwa zu Brand Uplift, Kaufabsicht, Werbeerinnerung, Imagewahrnehmung und Inkrementalitätsmessung.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview.
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