Location-Based Advertising: Bekanntes Konzept neu gedacht
Anton Priebe, 6. August 2025
Obwohl Hybrid bereits international tätig ist, tritt das Adtech-Unternehmen erst jetzt gezielt im deutschen Markt auf. Mit einem eigenen, kompletten Technologie-Stack fokussiert sich der polnische Programmatic-Spezialist hierzulande zunächst auf seine Drive-to-Store-Lösung. Das mag im ersten Moment nach einem alten Hut klingen, doch Florian Hanke, Sales Director DACH von Hybrid Europe, hält dagegen. Im Interview erklärt er, welche systemischen Schwächen bisherige Drive-to-Store-Ansätze haben, was mit kontextuellem Targeting möglich ist und welche Entwicklungen Location-Based Advertising in Sachen Attribution vorzuweisen hat.

ADZINE: Florian, Hybrid beschreibt sich selbst als „Full-Stack Programmatic Advertising Ecosystem“. Damit positioniert ihr euch sowohl auf der Einkaufs- als auch Angebotsseite mit eurer Technologie. Was bringt ihr technologisch dafür mit?
Florian Hanke: Wir verfügen über eine eigene DSP, SSP und DMP und decken damit das gesamte programmatische Ökosystem intern ab. Diese technologische Unabhängigkeit erlaubt es uns, eigene Produkte und Lösungen zu entwickeln. So stellen wir sicher, dass Werbekampagnen in passenden, hochwertigen Umfeldern ausgespielt werden. Durch meine Erfahrung im Brand-Safety-Bereich – unter anderem bei Doubleverify – fließt hier auch viel praktisches Know-how mit ein.
ADZINE: Eine breite Palette an Technologie ist das Eine, aber was kommt davon im deutschen Markt an?
Hanke: Auch wenn wir hierzulande noch nicht lange sichtbar sind, haben wir bereits erste Kampagnen erfolgreich umgesetzt, zum Beispiel mit Drive-to-Store-Ansätzen oder kontextuellem Targeting. Unsere KI analysiert in Echtzeit nicht nur Text, sondern auch Bilder und Videos. Dadurch erkennen wir sehr präzise, was visuell im Umfeld passiert, weit über klassische Textanalysen hinaus. Wenn unsere Systeme etwa ein Auto im Schnee identifizieren, können wir das Umfeld als relevant für einen Reifenhersteller einstufen. Mit unserer Technologie lassen sich dann passende Werbebotschaften direkt im redaktionellen Bild platzieren. Diese Technologie wollen wir jetzt gezielt im deutschen Markt skalieren.
ADZINE: Ihr wurdet vor 14 Jahren gegründet und seht euch als globalen Player. Wie kommt es, dass ein Unternehmen aus Polen erst jetzt seinen Nachbarmarkt für sich entdeckt?
Hanke: Hybrid gibt es seit 2017 in der heutigen Form, mit inzwischen elf Büros weltweit. Internationale Kampagnen gehören längst zu unserem Alltag. Unser regionaler Schwerpunkt lag bislang auf Zentral- und Osteuropa. Seit Mai bin ich als erster deutschsprachiger Ansprechpartner an Bord und bringe ein starkes Netzwerk mit. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, unsere Expertise auch in Deutschland breiter auszurollen, zumal wir hier eine hohe Nachfrage nach skalierbaren, datengetriebenen Lösungen sehen.
ADZINE: Dabei schreibt ihr euch unter anderem Künstliche Intelligenz auf die Fahne. KI ist aber inzwischen in fast jedem Pitchdeck zu finden. Wo siehst du aktuell tatsächlich sinnvolle Anwendungen im Media-Bereich? Wo kann KI Mehrwert generieren?
Hanke: KI ist für uns kein Buzzword, sondern ein integraler Bestandteil unserer Plattform. Wir setzen sie entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein – von der Kreation über die Planung bis hin zur Analyse. Besonders stark sind wir im Bereich Computer Vision. Unsere KI erkennt Inhalte in Bildern und Videos und bewertet deren Kontextualität. Das verschafft uns klare Vorteile im Targeting.
ADZINE: Wo liegen aus deiner Sicht die Grenzen von KI im Media-Bereich? Was ist reiner Hype?
Hanke: Wir stehen noch am Anfang. Das Potenzial ist riesig, aber die Anwendung entscheidet. Viele sprechen darüber, jedoch setzen es nur wenige wirklich sinnvoll ein. Der Hype wird sich legen, aber KI wird bleiben und den Markt strukturell verändern.
ADZINE: Apropos Hype – Location-Based Advertising erlebt ebenfalls regelmäßig Hype-Wellen. Ihr selbst wollt euch mit einer solchen Lösung verstärkt in dem hiesigen Markt behaupten. Wo lagen bislang die systemischen Schwächen solcher Modelle und was ist diesmal anders?
Hanke: Viele frühere Modelle waren zu ungenau, weil sie auf probabilistischen Methoden basierten. Unsere DMP nutzt über 160 Signale – etwa Mobile Ad ID, Geolocation und Zeitstempel –, um deterministisch zu erkennen, ob ein Nutzer wirklich vor Ort war. Das funktioniert auch in großem Maßstab und natürlich DSGVO-konform, nur bei vorhandenem Consent.
ADZINE: Das ähnelt doch sehr dem Pitch der anderen Anbieter am Markt? Wo liegt der Unterschied?
Hanke: Viele arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten – wir mit klaren, messbaren Daten. Zum Beispiel schließen wir Personen aus, die regelmäßig acht Stunden täglich an einem Ort verbringen. Dies ist vermutlich der Arbeitsplatz. Über Geofencing identifizieren wir exakt, ob es sich um einen Supermarkt, eine Filiale oder einen Fachhändler handelt und wann der Besuch stattfand.
ADZINE: Wie kommt ihr an den nötigen Consent für die Mobile Ad IDs, um die Daten zu verknüpfen? Andere Anbieter verbauen beispielsweise ihr SDK in den Apps.
Hanke: Wir arbeiten komplett SDK-frei. Die Einwilligung wird uns im Rahmen des Bid Requests über die SSP beziehungsweise Publisher übermittelt. Ohne gültigen Consent werden Daten verworfen. So bleibt unsere Lösung skalierbar und rechtlich sauber.
ADZINE: Zu Drive-to-Store gehört, die Besuche zu messen und auf die Ads zurückführen zu können. Wie genau ist die Attribution? Oder: Wo endet Attribution und wo beginnt Fantasie?
Hanke: Wir wissen genau, wann und wo eine Impression ausgespielt wurde, zum Beispiel in der Nähe eines Stores oder bei einem Wettbewerber. Wenn derselbe Nutzer später im Zielgeschäft auftaucht, können wir einen Bezug herstellen. Kombiniert mit Couponing oder Loyalty-Programmen lässt sich sogar der direkte Abverkauf messen.
ADZINE: Viele Händler sind datenarm, wollen aber auch keine Risiken eingehen. Wieso sollten deutsche Retailer bereit sein, jetzt in digitale Besucherlenkung zu investieren, speziell abseits der großen Player?
Hanke: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss man seine Kunden besser verstehen als der Wettbewerb. Dafür reichen oft schon die richtigen Signale – wenn man sie richtig nutzt. Unsere Lösungen ermöglichen eine relevante, skalierbare Ansprache, auch für kleinere Händler.
ADZINE: Braucht der deutsche Werbemarkt neue Ideen, oder einfach mehr Mut, alte endlich konsequent umzusetzen?
Hanke: Beides. Viele Ideen sind längst da, werden aber nicht genutzt. KI hilft dabei, bekannte Konzepte besser umzusetzen. Gleichzeitig braucht es Mut, Neues auszuprobieren. Fehler gehören dazu. Entscheidend ist, aus Daten zu lernen. Dafür bauen wir flexible Systeme, die sich individuell anpassen lassen.
ADZINE: Danke für das Interview, Florian!
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