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PROGRAMMATIC - Interview mit Sven Ruppert, Splicky

Eine DSP mit Mobile-DNA in der heutigen Omnichannel-Welt

Anton Priebe, 30. Juni 2025
Bild: Sangharsh Lohakare – Unsplash

Als Programmatic Advertising noch in den Kinderschuhen steckte und Mobile Advertising gerade an Fahrt aufnahm, gründeten Ex-Jamba-Mitarbeitende 2009 in Berlin die Jaduda GmbH. Heute ist die Firma besser bekannt unter dem Namen Splicky. Das Unternehmen positionierte sich als Demand-Side-Plattform mit starkem Fokus auf mobile Umfelder. Seither hat sich viel getan: Der Einkauf von Mobile-Inventar gehört längst zum Alltag, während sich das Spielfeld der DSPs auf neue Kanäle wie Connected TV, Digital Audio oder Digital-Out-of-Home ausgeweitet hat. Wie kann sich also eine Plattform wie Splicky in einem Markt behaupten, der von internationalen Tech-Giganten und spezialisierten Nischenanbietern gleichermaßen hart umkämpft ist? Sven Ruppert, CEO und Co-Founder von Splicky, spricht im Interview über Alleinstellungsmerkmale, zukunftsfähige Targeting-Lösungen, KI im Mediaeinkauf und Omnichannel in der Praxis.

Bild: Linkedin Sven Ruppert, Splicky

ADZINE: Sven, im DSP-Business stoßt ihr sowohl international als auch national auf starke Konkurrenz. Zu den Gründungszeiten half euch sicher der Fokus auf Mobile. Der Einkauf von Mobile-Inventar ist jedoch mittlerweile Standard, oder? Was ist heute euer Alleinstellungsmerkmal im Vergleich mit anderen DSPs?

Sven Ruppert: Mittlerweile sind wir ebenfalls Multichannel aufgestellt, profitieren aber bis heute sicher von unseren Mobile-Wurzeln. In-App war immer ein Business, welches auf IDs basierte. Wir kennen daher dieses Thema von Anfang an, dazu hatte Mobile immer den Aspekt von geobasierter Ausspielung und von einem Medium, das gemeinsam mit anderen konsumiert wird. Von diesem Know-how zehren wir heute noch. Darüber hinaus haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, neue programmatischen Themen zu besetzen. DOOH machen wir beispielsweise bereits seit 2018. Lineares Radio sind wir ebenfalls First Mover. Kombiniert mit einem klaren geografischen Fokus und exzellenten Service sind das die Themen, über die wir uns differenzieren.

ADZINE: Mit der Übernahme durch Goldbach habt ihr sicherlich von Haus aus gute Anbindungen an Digital-Out-of-Home-Inventar. Ihr fokussiert euch zurzeit aber neben Connected TV besonders auf Audio. Warum?

Ruppert: Mit der Übernahme von Goldbach hat sich unser Blickwinkel geweitet. Goldbach ist gerade in ihrem Heimatmarkt, Schweiz, sehr breit aufgestellt in der Vermarktung. Die Goldbach ist dort der klare Marktführer in der TV-Vermarktung, mit der Übernahmen von Clear Channel Schweiz auch die Nummer 2 in der Außenwerbung und mit der Swiss Radio World auch einer der zentralen Player im Audio-Markt. Abgerundet wird das Portfolio durch die GB Audience, die der größte Netzwerkvermarkter ist. Mit all diesen Schwestergesellschaften haben wir viel Expertise, um die Medien besser zu verstehen und programmatische Ansätze zu finden. Audio interessiert uns, da wir viel Wachstum für das Medium prognostizieren und wir noch keine ideale Lösung im Markt sehen für konvergente lineare und digitale Audio-Kampagnen.

ADZINE: Der lineare Audiomarkt wird aktuell vor allem von Anbietern auf der Sell-Side beackert. Ihr bindet letztlich das Inventar über die SSPs an. Was ist eure Aufgabe bei der weiteren “Programmatisierung” des Marktes? Welche Weichen gilt es zu stellen?

Ruppert: Unsere primäre Aufgabe ist es aktuell, alle relevanten Inventare anzubinden und darüber hinaus mit einigen Vorurteilen aufzuräumen. Wir stellen fest, dass – übrigens wie auch bei Mobile und DOOH am Anfang – viele Konzepte und Bedenken in den Köpfen der Marktteilnehmer bestehen, die man durch Gespräche und Beispiele aus anderen Medien Stück für Stück drehen muss. Daher ist die Aufgabe mehr als einfach ein gutes technologisches Tool an den Start zu bringen. Es geht auch darum den Markt zu entwickeln und das geht am besten im Dialog mit allen Parteien.

ADZINE: In der Multikanal-Welt, neuerdings gerne “Omnichannel” genannt, treffen seit jeher verschiedene Identifier aufeinander. Wie sieht eure Strategie für kanalübergreifende Adressierbarkeit aus? Welche Datentöpfe seht ihr datenschutzfreundliche Alternativen für Multichannel-Programmatic, die nicht mit Cookies oder anderen Identifiern verknüpft sind?

Ruppert: Wir verstehen uns wie gesagt sehr gut auf das Thema Identifier, da dies von Anfang an im Bereich von In-App eine sehr zentrale Rolle gespielt hat. Was man im Bereich von Mobile dann aber auch recht schnell lernen musste war, dass es zwei große Töpfe mit IDs gab: IOS und Android. Natürlich konnte man versuchen, diese wieder zu mappen, zum Beispiel Tablet dort, Smartphone hier, oder Arbeits- und Privatgerät. Man konnte versuchen, dies probabilistisch zu lösen oder über geteilte Logins. Dies ist genau das gleiche Betätigungsfeld in der Omnichannel-Welt, nur, dass es hier tatsächlich viel relevanter ist. Grundsätzlich stellt sich mir jedoch die Frage, ob wir uns als Industrie wirklich einen Gefallen tun, indem wir wieder versuchen, alle Logiken auf das Individuum zu bauen?

Der Gesetzgeber hat mit der DSGVO nicht gesagt, dass ein bestimmtes technisches Verfahren nicht zulässig ist. Im Kern ging es darum, dass mehr Transparenz für den Einzelnen bestehen sollte, welche Daten von ihm oder ihr in welchem Kontext von wem genutzt werden. Dafür haben wir nun neue technische Wege und mehr Einwilligungsmöglichkeiten geschaffen, doch verstehe ich das als Konsument wirklich viel besser? Meine Sorge ist, dass wir in zehn Jahren wieder an dem Punkt sind, dass der Gesetzgeber sagt: “Ich wollte weniger 1:1 Kommunikation, weniger Dateneinsatz, mehr Transparenz und diese Ziele wurde mit den neuen Systemen nicht geschaffen. Ich muss also neue, noch strengere Regeln erlassen.”

Daher ist es für uns als Firma sehr wichtig, auch Targeting-Lösungen zu erdenken, die unabhängig von IDs funktionieren. Die Außenwerbung gibt hier einen Blueprint – wenn ich mich an gewissen Orten aufhalte, verrät mir dies etwas über den Nutzer. Wenn ich dies mit weiteren Parametern verknüpfe, kann daraus etwas Interessantes werden. Ein ganz simples Beispiel ist, wenn ich mich am Morgen an einem Bahnhof aufhalte, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich mich für einen Kaffee interessieren könnte, deutlich wahrscheinlicher als Abends um 21 Uhr.

ADZINE: Künstliche Intelligenz spielt in Programmatic schon lange eine Rolle. Dennoch verspricht sich die Werbeindustrie grundlegende Veränderungen davon – was kann KI im Mediaeinkauf leisten?

Ruppert: Im Bereich von Programmatic ist das Thema Machine Learning bereits seit Jahren etabliert, KI ist hier mehr eine Evolution, die die Leistung der Systeme verbessern wird. Ich denke, gerade in puncto Synchronisation und Data Sourcing wird KI große Mehrwerte entwickeln und dann ist da natürlich Agentic.

ADZINE: Was ist unter Agentic zu verstehen und wie geht ihr damit um?

Ruppert: Agentic ist ein breiter Begriff. Ich glaube nicht, dass KI sehr kurzfristig dorthin kommen wird, dass sie die Kampagnenstrategie übernehmen kann. Was ich sehr wohl glaube ist, dass es zunehmend zu mehr sprachbasierter Ausführung von Tätigkeiten kommen wird, die dann zum Beispiel beim Setup oder beim Editieren manuelle Arbeit für die Nutzer deutlich reduziert. Auch wir schauen uns diesen Aspekt genau an.

ADZINE: In der jüngsten Vergangenheit wurde der Ruf nach Sustainability immer lauter. Wie passt das mit KI zusammen? Mehr Effizienz beim Einkauf hin oder her – das gleicht das Problem des massiven Energieeinsatzes doch nicht aus?

Ruppert: Danke für die Frage, diese Schizophrenie in unserer Branche triggert mich immer wieder. Das Thema ist auch nicht neu. Bereits in puncto des Metaverse war ich doch irritiert, wie viele Brands auf der einen Seite Sustainability offiziell in den Fokus ihrer Aktivitäten stellen und sich im nächsten Moment darüber freuen, nun einen Shop im Metaverse eröffnet zu haben.

Für Programmatic sehe ich, dass KI Möglichkeiten bietet, durch bessere Planung und eine Analyse von Daten Ineffizienzen zu identifizieren und so aktiv CO2 einzusparen. Wo ich sehr skeptisch bin, was den Fußabdruck angeht, ist die dynamische Generierung individualisierter Werbemittel für einzelne Nutzer. Sicher, auch hier muss man zwischen textbasierten Werbeformen und Video differenzieren. Aber in diesem Punkt bin ich überaus skeptisch, dass sich mögliche Steigerungen in Bezug auf Kampagnen-KPIs in einem gesunden Verhältnis zum ökologischen Fußabdruck der Werbung einpendeln.

ADZINE: Danke für das Gespräch, Sven!

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