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VIDEO - Herausforderung Multiscreen

Kanalübergreifende Planung und Messung von Videowerbung

Anton Priebe, 12. November 2024
Bild: Bing KI Bild: Bing KI

Die Planung und Messung von Videowerbung über mehrere Kanäle hinweg ist in der heutigen, fragmentierten Medienlandschaft eine komplexe Herausforderung für Werbetreibende. Die Vielfalt an Plattformen und Geräten erschwert vor allem die präzise Reichweiten- und Frequenzsteuerung. Wie finden Advertiser eine solide Basis für ihre Planung, wenn sich die Zielgruppen über (Connected) TV-Bildschirme, Mobile Devices und Desktop-Geräte in unterschiedlichen Apps, Plattformen und Browsern verteilen? Wie lässt sich inkrementelle Reichweite aufbauen oder die Effektivität einer Multi-Screen-Kampagne messen? ADZINE hat sich in der Branche nach Technologien und Ansätzen umgehört, um diese Herausforderungen zu meistern.

Staatsfeind Nummer 1: Fragmentierung

Bild: Unilever Sarah Ostkamp, Unilever

Die derzeitigen Herausforderungen mit Blick auf die Planung und das Measurement im kanalübergreifenden Video-Advertising sind erheblich, betont Sarah Ostkamp von Unilever. Die Datenexpertin ist Digital Marketing & Commerce Lead Ice Cream beim globalen Werbeschwergewicht und weiß, “dass eine übergreifende Bewegtbildplanung kaum realisierbar ist”. Auch der programmatische Ansatz sei problematisch, weil die unterschiedlichen Kanäle über verschiedene Demand-Side-Plattformen (DSP) angesteuert werden. “Die Fragmentierung der Medienlandschaft führt dazu, dass eine umfassende Frequenz- und Reichweitensteuerung als Blackbox erscheint. Dadurch wird es extrem schwierig, den ‘Grenznutzen’ eines bestimmten Kanals oder einer Plattform abzuschätzen und herauszufinden, wann eine Überinvestition stattfindet.” Zudem sei die Messung von inkrementellen Reichweiten weiterhin kostspielig oder durch ein unübliches Setup bedingt, was die Frage aufwerfe, wann sich die Investitionen in die Messung amortisieren würden. “Diese finanziellen Hürden stellen eine erhebliche Barriere dar, insbesondere für Unternehmen, die ihre Kampagnen effizient steuern möchten”, so Ostkamp.

Die Suche nach einer einheitlichen Datenbasis für die Planung

Bild: AGF Kerstin Niederauer-Kopf, AGF

Die AGF Videoforschung versucht Licht in die Blackbox Bewegtbildwerbung zu bringen. Seit den Achtzigern untersuchte sie in der Gestalt der “Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung” das TV-Zuschauerverhalten und bezieht seit der Umfirmierung 2017 auch die Streamingsender mit ein. Die Vorsitzende der Geschäftsführung Kerstin Niederauer-Kopf glaubt, dass Panels mit Messungen zur Mediennutzung für die Planung zentral sind, “da sie eine repräsentative Abbildung der Mediennutzung über unterschiedlichste Zielgruppen ermöglichen und helfen, einen Bias bei zusätzlich hinzugezogenen großen anonymen Datenmengen zu vermeiden oder zu minimieren.” Die Panels würden grundlegende Kennzahlen liefern, wie die Reichweite oder die Zielgruppenstruktur.

Zusätzlich brauche es die technische Messung, die eben jene großen anonymen Datenbestände besteuert, “da sie Größenverhältnisse anzeigen und gut für die Modellierung genutzt werden können”, sagt Niederauer-Kopf. Kontakt sei zwar hinsichtlich der Wirkung nicht gleich Kontakt, “aber die vergleichbare Messung auf Basis von Personen ist das Fundament für die effiziente Aussteuerung von Kampagnen. Dabei ist eine einheitliche Kontaktdefinition für Advertiser unerlässlich, um Vergleichbarkeit und Transparenz in Multi-Screen-Kampagnen sicherzustellen, so die AGF-Chefin weiter. Die stabile Kontaktdefinition bilde wiederum die Grundlage für die Ableitung wichtiger KPIs wie Engagement, Conversion und ROI. “Wenn das Datenfundament nicht stabil ist, können Ungleichgewichte entstehen, die die Bewertung und Optimierung von Kampagnen erschweren”, erklärt Niederauer-Kopf. Die AGF ist also ein Verfechter des hybriden Ansatzes, eine Kombination aus Panel und technischer Messung.

Der Blick auf den TV

Bild: Realytics Sabine Fischbach-Neumann, Realytics

Damit das “unübliche Setup” zur Messung von inkrementeller Reichweite nicht mehr nötig ist, das Sarah Ostkamp von Unilever anspricht, hat das französische Realytics eine eigene technische Lösung entwickelt. Das Adtech-Unternehmen, das inzwischen zur Smartclip-Tochter geworden ist, kommt aus der klassischen TV-Attribution und bietet zumindest laut eigener Aussage einen Ausweg aus dem Messchaos im modernen Video Advertising. Allerdings ist der Aufbau inkrementeller Reichweite “eine elementare Frage für jeden Marketer, für die es kein Geheimrezept gibt”, sagt Sabine Fischbach-Neumann, DACH-Chefin von Realytics. “Die Lösung zur Reichweitensteigerung ist so divers wie die Vielfalt der angewandten Mediastrategien. Sie hängt von einer Reihe unterschiedlicher Komponenten ab, die von der Mediaplanung bis hin zu Formaten oder Targeting reichen.” Ihr Lösungsansatz für die kanalübergreifende Frequenzsteuerung: ein deterministischer Ansatz mit Single Source. Die Technologie erstellt eine Haushalts-ID für anonymisierte IP-Adressen und versucht so die Duplizierung zwischen den Geräten, Sendern und Plattformen zu entwirren, die bei der Konsolidierung der Kontakte für die Frequenzsteuerung auftritt.

Bild: AEOS Benedict Münter, All eyes on screens

Auch All eyes on screen (AEOS) stellt eine Lösung zur Messung der Bewegtbild-Reichweite bereit und setzt dafür zunächst auf das klassische TV. Dazu hat das Unternehmen eine AI-basierte Videoerkennung entwickelt, die mit den TV-Nutzungsdaten von über einer Million Endgeräten aus dem Vodafone Kabelnetz kombiniert wird. Konkret sitzt die Technologie in den Set-top-Boxen von Vodafone und benötigt somit keine Hochrechnung für die Ausweisung der Reichweiten. “Voraussetzung für präzise und faire Messungen sind hohe Fallzahlen und eine sekundengenaue Messung”, weiß Benedict Münter, Managing Director von All eyes on screens. Für die kanalübergreifende Vergleichbarkeit kommen ID-Lösungen ins Spiel. “Je höher der Anteil nicht linearer Nutzung wird, desto wichtiger sind Messmethoden, die auf Basis von IDs die wirkliche Kampagneninkrementalität nachweisen”, sagt Münter weiter. Auch für die zielgenaue Ansprache abseits der Inkrementalität lassen sich IDs einsetzen. “Demographische Zielgruppen sind nicht mehr für alle zeitgemäß”, erklärt Münter. “In Print und Digital machen sich Marken seit Anbeginn Gedanken, über präzisere Profile für Ihre Mediaplanung. In TV funktioniert dies ebenfalls, wenn hohe Fallzahlen verfügbar sind.” Heute würden die Kunden des Unternehmens fast ausschließlich auf maßgeschneiderte Profile optimieren.

Der Blick auf den Smart-TV

Bild: Samsung Christian Russ, Samsung Ads

Bei Samsung geht man hingegen vom eigenen Smart-TV aus, um die diversen Daten zusammenzuführen. “Der Smart-TV ist als größter Screen im Haushalt und möglicher Targeting-Anker ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt, auf dem neben Streaming-First-Audiences auch lineare Fernseh-Audiences erreicht werden können”, ist Christian Russ, DACH-Chef von Samsung Ads, überzeugt. Die besten Datenbasen liefern seiner Meinung nach technologische Lösungen, “die im Kern auf einem Mix aus weitreichenden First- und Third-Party-Daten basieren.” Mit dem Smart-TV und einem eigenen Haushalts-Graph will Samsung Ads die Brücke schlagen, um andere digitale Audiences auf den Big Screen zu verlängern.

Für den technologischen Brückenschlag gibt es diverse Ansätze, sagt Russ. Die Tochter des koreanischen Elektronikkonzerns setzt dafür auf die ACR-Technologie (Automated Content Recognition). ACR erkennt in Echtzeit die Bilder, die auf dem Bildschirm laufen und so werde gemessen, was wirklich passiert – “natürlich nur, wenn eine Einwilligung vorliegt”, erklärt Russ. “Diese Daten werden noch wertvoller, wenn sie mit weitreichenden demografischen, geografischen, einstellungsbezogenen und vertikalen Daten kombiniert werden.” Auch für Look-a-Like Modelling mithilfe von Machine Learning ließe sich die Datenbasis einsetzen, um Zielgruppen zu erweitern.

Christian Russ ist im Allgemeinen zuversichtlich, dass die Konsolidierung einzelner Services für besser integrierte Technologieerfahrungen und tendenziell solidere Datenbasen sorgt. Zudem seien immer mehr Formate, wie CTV, mittlerweile programmatisch recht einfach über alle gängigen Demand-Side-Plattformen wie ganz normales Video-Inventar buchbar. “Advertiser können also die Möglichkeiten des Programmatic Advertisings nutzen, um ihre Kampagnen effizient, zielgerichtet und miteinander verknüpft einzukaufen und auszuspielen, sogar auf dem Big Screen”, meint Russ.

Der Blick auf die Wettbewerber

Bild: Gemius Ernest Kolek, Gemius

Gemius baut wie die AGF Videoforschung auf ein Panel, das hierzulande aus PC-, Smartphone- und TV-Nutzern besteht. Laut Ernest Kolek, Sales Director Germany von Gemius, wird es in der fragmentierten Medienlandschaft immer wichtiger, historische Daten zu analysieren und von den Erfolgen der Konkurrenz zu lernen. Kolek hebt hervor, dass die Walled Gardens der großen Plattformen hierbei eine immer größere Rolle spielen, da sie auf ihre umfangreichen historischen Daten zugreifen können, um die besten Werbestrategien zu identifizieren. “Erzielt die Konkurrenz mehr Ad-Impressions, Frequency, Reichweite oder Anzeigenkontaktzeit? Wie sieht es mit ihren Mediaausgaben aus? Diese Daten sind für die Vorbereitung der Marketingbudgets von entscheidender Bedeutung”, sagt Kolek. “Für jede Marke gibt es ein Medium, das innerhalb der einzelnen Altersgruppe die beste Performance aufweist. Einige Marken wissen genau, wo sie ihre eigenen Budgets am besten investieren können, aber manchmal ist der Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg das richtige Medium und ein Anteil daran in unserem Medienbudget.”

Der Blick in die Praxis

Wie bringt nun der Advertiser die zahlreichen losen Enden in der Praxis zusammen? Unilever verfolgt einen mehrschichtigen Ansatz, erklärt Sarah Ostkamp. “Zunächst messen wir den Overlap und die inkrementellen Reichweiten der einzelnen Kampagnen regelmäßig mit, um Werte und Learnings über die einzelnen Plattformen aufzubauen. Hier ist es aber gerade im Open Web Bereich – also beim Zugriff auf lokalere Angebote – immer sehr herausfordernd.” Darüber hinaus kommen qualitative Messungen wie Brand Lift Studies zum Einsatz, um die Auswirkungen auf die Markenwahrnehmung und andere Brand KPIs zu verstehen. “Auf Basis dieser Analysen kalkulieren wir den ‘Inkremental Reachpoint’ und einen entsprechenden Wirkungsfaktor. Wenn ein Kontakt auf einer bestimmten Plattform einen stärkeren Effekt erzielt, aber gleichzeitig teurer ist, betrachten wir das als fair und werden diese Plattform dennoch nutzen.”

Für Ostkamp ist auch die Frage der Zielgruppe ein entscheidender Aspekt bei Multi-Screen-Lösungen. “Der Mix der ‘Screns’ variiert definitiv je nach Zielgruppe. Zudem ist es von großer Bedeutung, nicht nur zu überlegen, wo die Zielgruppe angesprochen wird, sondern auch wie.” Es sei unrealistisch auf Social Media einen 20-sekündigen Spot einzusetzen, selbst wenn dieser im richtigen Format vorliegt. ”Wir müssen die Ansprache der Zielgruppe an die spezifischen Gegebenheiten und das Nutzerverhalten auf den verschiedenen Plattformen anpassen, um effektiv zu kommunizieren, eine Zielgruppen Penetration zu erreichen und die Werbebotschaft zu landen”, schließt Unilevers Tech-Spezialistin.

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