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“Traditionelle Zielgruppen sind längst überholt” – Michael Zeisler, Nano Interactive

Anton Priebe, 4. Dezember 2023
Bild:  Tim Mossholder – Unsplash

Google hat anscheinend die Weichen dafür gestellt, dass die letzte Bastion der Third-Party-Cookies am Ende doch noch fällt. Nach dem Jahreswechsel soll ihnen auch im Chrome-Browser sukzessive der Garaus gemacht werden. Auf der Suche nach skalierbaren Methoden, um Nutzer:innen weiterhin zu erreichen, ist die kontextuelle Ansprache zunehmend in den Fokus der Werbeindustrie geraten – ganz zur Freude von Michael Zeisler, Director Sales Programmatic von Nano Interactive. Das einstige Geschäftsmodell des Müncher Adtech-Unternehmens machten die Suchmaschinen zunichte, doch als Contextual-Anbieter verschafft ihm Googles Entscheidung heute wiederum Rückenwind. Im Interview spricht Zeisler über das Potenzial der kontextuellen Ansprache für Advertiser und Publisher, Stereotypen im Cookie-basierten Targeting und kommende Entwicklungen in Contextual.

Bild: Nano Interactive Michael Zeisler, Nano Interactive

ADZINE: Hallo Michael, Nano Interactive wurde bereits vor zehn Jahren gegründet, aber das jetzige Geschäftsmodell des Unternehmens unterscheidet sich vom damaligen. Magst du uns auf eine kurze Zeitreise mitnehmen und verraten, wie das gekommen ist?

Michael Zeisler: Nano Interactive hat mit Search Retargeting angefangen. Die Suchmaschinen haben dann irgendwann damit begonnen, das Know-how zu den Suchbegriffen selbst zu monetarisieren und Dritten die Information nicht mehr zugänglich zu machen. Diese Entwicklung hat Nano für eine Neuausrichtung hin zu Contextual Targeting genutzt. Da beim Search Retargeting auch Wissen um Kontext extrem wichtig ist, war Contextual der logische nächste Schritt. Das vorhandene Wissen zu Suchmaschinen hat uns wiederum in unserem neuen Betätigungsfeld dabei geholfen, uns von der Konkurrenz abzusetzen.

ADZINE: Jetzt seid ihr also ein Contextual-Targeting-Anbieter – mit starker Konkurrenz aus Übersee. Wie schafft ihr es, euch auf dem hart umkämpften Markt zu behaupten? Was macht euren Ansatz besonders?

Zeisler: Einer unserer USP ist die Analyse von Live-Intent-Signalen. Das sind beispielsweise Informationen, ob User:innen von einer Suchmaschine kommen und vieles mehr. Dank des Einsatzes von Machine Learning analysieren wir täglich 3,5 Milliarden Live-Intent-Signale und nutzen diese Erkenntnisse für die Kampagnen-Optimierung in Echtzeit (Pre-Bid) basierend auf den KPIs. Zusammen mit einer sehr detaillierten semantischen Analyse des Inhalts der Webseiten – einschließlich der Stimmung einer Seite basierend auf allen ihren Elementen wie Marken, Personen, Themen et cetera – können wir hochmoderne Targeting-Lösungen anbieten. Für die Leistung einer Kampagne ist es entscheidend, die Absicht der Nutzer:innen zu verstehen.

ADZINE: Euer Targeting-Angebot klingt zunächst wie ein Advertiser-Produkt. Aber auch Publisher stellen zunehmend auf Contextual-Lösungen um, um ihr Inventar ohne Third-Party-Cookies zu monetarisieren. Bekommt ihr diese Entwicklung zu spüren?

Zeisler: Ja, wir sehen diese Entwicklung. Nachdem wir als Lösung für Werbetreibende begonnen haben, führen wir zunehmend Gespräche mit Publishern, die nach Wegen suchen, Traffic ohne Cookies zu monetarisieren. Besonders Publisher-Netzwerke mit vielfältigen Portfolios profitieren von Contextual-Targeting-Lösungen. Sie ersparen sich dadurch eine manuelle Zuordnung spezifischer Themenrotationen wie Automobil, Finanzen et cetera. Zudem sind sie nicht auf eine bestimmte Anzahl vordefinierter Rotationen beschränkt, sondern können auch themenfremde Inhalte entdecken und den relevanten Kampagnen zuordnen: So könnte ein Artikel in einem Automagazin zur Vorstellung eines neuen E-Cabrios in Südafrika auch für Reisewerbung getargeted werden.

Ich plädiere zudem dafür, den Einsatz von Cookieless-Technologien nicht nur von der Anwender-Seite zu betrachten. Diverse Marktstudien bestätigen, dass viele Nutzer:innen nicht getrackt werden möchten. Diesen Wunsch sollten wir respektieren – unabhängig von der verwendeten Technologie. Nicht zuletzt besteht bei einer Lösung, die ohne persönliche Identifikatoren auskommt, auch kein Risiko, dass Datenschutzbestimmungen verletzt werden.

ADZINE: Wie arbeitet ihr auf der Grundlage der Publisher-Daten, um daraus interessante Audiences zur Vermarktung zu machen?

Zeisler: Da wir zu 100 Prozent Cookie- und ID-free arbeiten, bilden wir keine Audiences. Wir betrachten jede Impression von neuem und entscheiden in Realtime, ob und für welche Kampagne sie genutzt werden kann.

ADZINE: Inwiefern ist das besser als Audiences aus Cookies? Die Publisher könnten ihre Nutzerdaten ja auch mit First-Party-IDs verknüpfen.

Zeisler: Publisher werden und sollten immer ihre First-Party-Daten verwenden. Wir können der Branche trotzdem einen großen Mehrwert bieten. Die Unabhängigkeit von Cookies und jeglicher Art von IDs ermöglicht uns eine 100-prozentige Skalierbarkeit. Egal, wie viele User:innen Tracking-Methoden ablehnen, erreichen wir dennoch alle potenziellen Kunden. Da sich die Gesellschaft rasant verändert, sind traditionelle Zielgruppen längst überholt. Männer kaufen Küchenprodukte, Frauen kaufen Werkzeuge, um ihren VW-Bus umzubauen. Contextual Targeting ist völlig unvoreingenommen und erreicht die richtige Zielgruppe im richtigen Umfeld, auch ohne Informationen wie Alter und Geschlecht.

ADZINE: Hand aufs Herz – siehst du sämtliche IDs künftig vom Markt verschwinden?

Zeisler: Nein, das glaube ich nicht. Es wird immer die Bestrebung geben, IDs als Alternative zum Cookie einzusetzen. Das ist aus Sicht der Werbetreibenden ja auch verständlich. Uns ist nur wichtig, den Willen der User:innen zu respektieren. Wenn diese nicht getrackt werden möchten, geht es nicht um die verwendete Technologie, sondern um das Tracking im Allgemeinen.

ADZINE: Wohin wird sich die Werbeindustrie in den kommenden Jahren entwickeln?

Zeisler: Das Thema Cookie-Alternativen wird weiter an Bedeutung gewinnen, ob mit oder ohne alternativen Identifier. Bei den KPIs werden Awareness sowie User Engagement weiterentwickelt, standardisiert und hoffentlich die Klickrate ersetzen. Letztendlich ist es nahezu unerheblich, ob ein/e User:in von 1.000 oder zwei von 1.000 das Werbemittel klicken. Wir müssen uns darauf fokussieren, dass die Mehrheit der Nutzer:innen das Werbemittel positiv im relevanten Kontext wahrnimmt.

ADZINE: Wo siehst du noch Raum für Innovation, speziell auf dem Feld des Contextual Targeting?

Zeisler: Im Contextual Targeting gibt es noch viel Entwicklungspotenzial. Durch die detaillierte Analyse der Stimmung einer Webseite lassen sich zum Beispiel auch Rückschlüsse auf die Emotionen der User:innen ableiten. Das gelingt beispielsweise durch die Kombination der semantischen Analyse mit Befragungen der User:innen.

ADZINE: Danke für das Gespräch, Michael.

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