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MEDIA

Die häufigsten Fehler beim Media Buying sind leider die fatalsten

Anton Priebe, 14. Dezember 2023
Bild: Schankz – Adobe Stock

Mediaagenturen hantieren im Namen ihrer Kunden mit sehr hohen Werbebudgets. Insbesondere im programmatischen Ökosystem wird regelmäßig mit beeindruckenden Summen gehandelt. Damit tragen die Personen, die auf Agenturseite die Kampagnen aufsetzen, eine große Verantwortung. Fehler sind nur menschlich, sollten dabei jedoch besser nicht geschehen. Die Auswirkungen kennt Max von Weber, Gründer und CEO vom Adtech-Startup Adnomaly, zur Genüge. Mit seiner Technologie sorgt der ehemalige Agenturler dafür, dass den Manager:innen von Ad Accounts keine Fehler passieren. Im Interview spricht von Weber über ein maschinelles Vier-Augen-Prinzip und erklärt, was dies mit Mental Health sowie Nachhaltigkeit zu tun hat.

Bild: Adnomaly Max von Weber, Adnomaly

ADZINE: Hallo Max, magst du Adnomaly in so wenig Worten wie möglich beschreiben?

Max von Weber: Adnomaly ist ein maschinelles Vier-Augen-Prinzip für Ad Accounts. Ein Kunde sprach von uns mal als “ein Babyphone für seine Ad Accounts”. Wir monitoren also die Kampagnenerstellung und Auslieferung und schicken Alerts, wenn etwas nicht so läuft, wie es laufen sollte.

ADZINE: Was spricht gegen das menschliche Vier-Augen-Prinzip?

von Weber: Es löst das Problem von fehlerhaften Kampagnen nicht, zum Beispiel einen Overspent oder alles andere, was beim Aufsetzen und Ausliefern von Kampagnen schiefgehen kann.

Außerdem ist das menschliche Gehirn nicht gut in repetitiver Arbeit, bei der es auf Details ankommt. Eine Software kann das viel besser. Die arbeitet 24 Stunden am Tag gleich gut, egal ob es Freitagnachmittag, Wochenende oder Montagmorgen ist.

ADZINE: Eure Technologie löst das Problem?

von Weber: Jein. Wir wollen die Vier-Augen-Checks nicht komplett ersetzen. Wir können nicht prüfen, ob das Werbemittel in der Version A oder B verwendet werden sollte. Das Ziel ist es, die Fehler mit den größten finanziellen Auswirkungen zu vermeiden.

ADZINE: Welches sind typische Fehler, die beim Media Buying schnell passieren können?

von Weber: Das sind leider gleichzeitig die fatalsten, und zwar Punkt- und Kommafehler oder Daily- statt Lifetime-Budget. Beispielsweise treten die auf, wenn das Budget aus einem deutschen Mediaplan in einen englischen Ad Manager oder eine DSP hineinkopiert wird. So werden aus 25.000 Euro schnell 2,5 Millionen Euro. Dies ist einem Kunden gerade erst wieder an einem Freitagnachmittag passiert. Freitagnachmittags beobachten wir übrigens die meisten Fehler und dann läuft die Kampagne – ohne Adnomaly – schön bis Montag, bevor der Fehler entdeckt wird.

ADZINE: Ist dir ein solcher Fall besonders in Erinnerung geblieben?

von Weber: Ja, statt 50.000 Euro wurden 5 Millionen Euro eingebucht, ebenfalls am Freitagnachmittag. Aber da gab es unsere Software noch nicht. Als die Person am Montag ins Büro kam, wurde schon eine Million Euro davon ausgegeben. Der Kunde hat sich gefreut, aber die Agentur musste 950 Tausend Euro kompensieren.

Menschen machen nun mal Fehler, aber in den Sphären, in denen man sich als Agenturler bewegt, bedarf es Sicherheitsmaßnahmen. Solche Fehler machen auch auf persönlicher Ebene etwas mit dir.

ADZINE: Wie sicher ist die Anomalie-Erkennung? Müsste es nicht unbekannte Fälle geben? Der Algorithmus muss ja erstmal alle Fehler kennengelernt haben, um sie zu erkennen, oder?

von Weber: Das wird mithilfe von Mustererkennung und Machine Learning gelöst. Unsere Detection Engine arbeitet als Metamodell – eine Kombination aus mehreren Machine-Learning-Modellen und in unserem Fall vier gleichzeitig – und stützt sich auf über 30 verschiedene Merkmale. Die Fehler müssen also nicht alle bekannt sein. Auf Basis von historischen Ad-Account-Daten schauen wir uns Frameworks an, wie die Kampagnen in der Vergangenheit aufgesetzt wurden. Falls etwas ungewöhnlich aussieht, schicken wir einen Alert aus – lieber einen zu viel als einen zu wenig.

ADZINE: Ich checke im Winter gerne ein zweites Mal, ob alle Fenster geschlossen sind, bevor ich schlafen gehe. Geht es Media-Einkäufern ähnlich mit ihren Kampagnen, bevor sie Feierabend machen? Weißt du aus eigener Erfahrung, ob so ein Stressniveau entsteht?

von Weber: Definitiv. Beispielsweise denkt man gerne im Feierabend darüber nach, ob man das Geotargeting bei der duplizierten Kampagne von Österreich tatsächlich auf Deutschland umgestellt hat. Das ist vergleichbar mit dem Schließen der Tür oder Kontrollieren des Herds beim Verlassen der Wohnung. Oder eben mit dem Fensterschließen beim Schlafengehen.

Mental Health und das Wohlbefinden der Mitarbeiter sind immer mehr Thema in der Agenturwelt. Das bekommen wir auch zu spüren.

ADZINE: Ihr schreibt euch zudem Nachhaltigkeit auf die Fahne. Was hat Anomalie-Erkennung mit Nachhaltigkeit zu tun?

von Weber: Es geht dabei vor allem um verschwendetes Media-Budget, also überflüssige Ausgaben. Wir optimieren keine Kampagnen auf CO2-Werte, sondern stellen sicher, dass kein Budget verschwendet wird und CO2-Emissionen verursacht. Unsere Industrie hat inzwischen ja erkannt, dass ihr CO2-Ausstoß zu hoch ist.

Ich habe gerade im Rahmen einer Studie erfahren, dass die CO2-Werte von 1.000 Impressions einer programmatischen Kampagne mit einer Waschmaschine zu vergleichen sind, die eine Stunde läuft. Und 1.000 Impressions sind nichts in der Werbewelt. Im Black-Friday-Stress hätte einer unserer Kunden gerade fast eine fünfstellige Summe im falschen Land ausgegeben. Das wären 7 Millionen Impressions gewesen. Da kann eine Waschmaschine lange für laufen.

ADZINE: Woran hapert es deiner Meinung nach im Media Buying noch?

von Weber: Kampagnenmanager investieren zu viel Zeit darin, operativ Kampagnen einzubuchen. Dadurch entfernen sie sich von ihren Kunden, die vielmehr auf Beratung oder Strategieentwicklung angewiesen wären. Kampagnen aufzusetzen, sie zu optimieren und zu betreuen, ist einfach viel Arbeit. Außerdem gibt es zu viele Tools, die man erstmal erlernen muss. Eigentlich wünscht sich ja jeder, dass das Wissen näher an die Kunden rückt.

ADZINE: Kann KI dabei helfen? Und wird sie bald den kompletten Einkauf gleich mit erledigen?

von Weber: Operativ brauchen wir noch sehr lange dafür. Es scheitert häufig an dem Unterschied zwischen einem Mediaplan auf dem Papier und dem, was der Kampagnenmanager letztlich einbucht. KI wird nicht die magische Lösung dafür sein.

Dennoch sehen wir schon jetzt, was KI bei der Optimierung der Kampagnen leisten kann. Die DSPs rund um Meta, Google oder The Trade Desk machen die Kampagnenausspielung heute bereits sehr viel effizienter.

ADZINE: Wenn ich mit Google spreche, kommt die Antwort: “Bei uns musst du nur das Ziel festlegen, Geld hineingießen und die KI erledigt den Rest”.

von Weber: Die Aussage sollte man vielleicht mit Vorsicht genießen, aber genau das meine ich mit Kampagnenoptimierung. Denn irgendjemand muss noch immer aktiv die Kampagne einstellen, Ziel und Budget festlegen. Die KI wird einen Menschen nicht zu 100 Prozent ersetzen.

ADZINE: Danke für das Gespräch, Max!

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