Es ist kein Geheimnis, dass die Wurzeln der größten Player des digitalen Werbemarkts im US-amerikanischen Kontinent liegen. Ein beträchtlicher Anteil der Werbegelder wandert in die Taschen von GAFA, heute nach der Umbenennung Facebooks und erstarkten Rolle Microsofts eher als “GAMAM” betitelt. Doch der Wunsch hierzulande nach europäischen Adtech-Lösungen ist stark, wie Sebastian Knauf von Connectad weiß. Knauf ist erst kürzlich als SVP Supply Partnerships EMEA zur Wiener Supply-Side-Plattform gestoßen. Im Interview erklärt er, warum er den großen US-Plattformen den Rücken gekehrt hat und wie sich eine europäische Adtech-Industrie gegen die “Big Five” behaupten kann.
ADZINE: Hallo Sebastian, magst du Connectad in so wenig Worten wie möglich beschreiben?
Sebastian Knauf: Hallo Anton, ja sehr gerne. Wir sind eine europäische, Gründer-geführte und somit unabhängige Supply-Side-Plattform, die “bootstrapped” ist. Es ist also kein Fremdkapital im Einsatz! Wir betreiben unsere eigene Infrastruktur und sind auf keine teuren Cloudlösungen angewiesen. Dementsprechend kompetitiv ist unser Bidding-Verhalten und da wir einen Privacy-by-Design-Ansatz vertreten, legen wir auch höchste Maßstäbe, was die DSGVO betrifft. Es fließen zum Beispiel keine Daten über den „Teich“.
ADZINE: SSPs gibt es viele am Markt – was macht ihr anders als die anderen?
Knauf: Wir müssen beispielsweise keine Produkte aus den USA auf Europa und deren Länder aufdrücken, sondern richten uns hier nach den lokalen Bedürfnissen und Gegebenheiten. Das spiegelt sich auch in unseren Claims „With Publishers in Mind“ & „We speak your Language“. Wir sind hier autark und selbstbestimmt. Es gibt kein Ticketing-System, nur direkte Ansprechpartner. So können wir gewährleisten schnell, persönlich und professionell zu handeln und auch dementsprechend auf die Kundenwünsche auf der Sell- sowie Buyside eingehen.
ADZINE: Du hast deine Karriere bei Yahoo begonnen und viele Jahre bei Pubmatic gearbeitet. Beides sind große US-Plattformen. Was treibt dich nun zu einem österreichischen Adtech-Unternehmen?
Knauf: Ich hatte schon immer Spaß daran, Unternehmen mit aufzubauen und wie zuletzt das Thema SSP und Programmatic im DACH-Markt voranzutreiben, beziehungsweise damals auch erstmals zu erklären. In den Märkten sehe ich verstärkt einen Wunsch nach europäischen Lösungen und auch das Wissen und die Wertschöpfung innerhalb der EU zu halten und nicht die Großen noch Größer und Mächtiger zu machen. Ein weiterer Wunsch am Markt ist die Transparenz, die vielen fehlt.
ADZINE: Welchen Eindruck macht die europäische Adtech-Industrie insgesamt auf dich?
Knauf: Wir haben hier bereits viele großartige und innovative Unternehmen, die essenziell für die digitale Wirtschaft sind und stetig wachsen, aber auch Themen vorantreiben, um für Veränderungen bereit zu sein, wie zum Beispiel eine ID5 oder auch eine NetID. Aber auch mit deutschen Lösungen von Virtual Minds und anderen sind wir hier sehr gut und erfolgreich aufgestellt.
ADZINE: Heißt es in Sachen Adtech hier tatsächlich Europa gegen die USA?
Knauf: Ich sehe das so, dass wir hier nicht Europa gegen die USA spielen sollten, was fast unmöglich ist. Dazu ist die Adtech einfach zu fest etabliert und es gibt ja auch sehr gute Produkte, die einfach funktionieren. Wir sollten uns als Europäer für unsere Lösungen starkmachen, Wertschöpfung auf dem Kontinent halten und auch auf unsere Daten achten. In Europa – für Europa!
ADZINE: Was haben die europäischen Lösungen denen aus den USA entgegenzusetzen? Welche Vorteile siehst du auf “unserer Seite”?
Knauf: Ich schließe mich hier unserem Gründer, Richard Tuschkany, an. In seinem Gastbeitrag hat er bereits dazu geschrieben, dass wir die europäischen Werte verteidigen sollten und Transparenz und den Datenschutz in den Vordergrund stellen müssen. Es ist bereits ein derartig großer Anteil des Werbekuchens an die vorwiegend großen US-Player abgeflossen, dass man sich die berechtigte Frage stellen kann, ob dies für den europäischen Wirtschaftsstandort eine gute Sache ist. Abhängigkeiten und Monopole sind meistens eine schwierige Kombination.
ADZINE: Nehmen wir GAFA als Paradebeispiel. Ein klarer Vorteil aufseiten der GAFA sind reichhaltige Daten. Was muss dahingehend hierzulande passieren, um konkurrenzfähig zu bleiben? Wie schätzt du beispielsweise die Erfolgsquote der europäischen Login-Allianzen ein?
Knauf: Die Big Five regulieren den globalen Datenfluss und hier müssen alle europäischen Unternehmen dagegenhalten, aber auch einiges bewegen, dafür tun und vor allem schneller werden. Eine NetID zum Beispiel macht einen hervorragenden Job, jedoch könnten wir hier schon viel weiter und größer sein, wenn die Unternehmen das Thema bei sich höher priorisieren würden. Momentan agiert man noch nach dem Motto – es läuft ja noch alles und das ganz gut. Das Thema Identifier wird dann hier hinten angestellt, da man ja noch Zeit hat. Die haben wir nicht mehr, es ist fünf vor Zwölf.
ADZINE: Steht uns 2024 ein Wendepunkt bevor?
Knauf: 2024 werden wir global weiterhin mit schwankenden Werbeeinnahmen kämpfen, die Wirtschaftslage ist hier volatil und die Euphorie in der Branche ist gedämpft. Zusätzlich werden uns auch Anforderungen zum Thema Datenschutz beschäftigen. Wenn voraussichtlich in Q3 die Third-Party-Cookies eingestellt werden – so ganz fix ist der Termin ja wieder nicht – haben wir definitiv einen Wendepunkt in der Vermarktung. Deshalb sehe ich es als eine gemeinschaftliche Anstrengung, die vor uns liegenden Hausaufgaben zu erledigen, um am Tag X gut vorbereitet zu sein. Es wäre gesellschaftlich schwer bedenklich und auch traurig, wenn Publisher ihren Nutzern keinen guten Journalismus anbieten können oder Angebote reduzieren müssen, da wichtige Einnahmen in der Werbemonetarisierung fehlen.
ADZINE: Danke für das Gespräch, Sebastian!
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