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ECOMMERCE

Eine CDP ist ein lebendes System

Anton Priebe, 10. November 2023
Bild: JJ Ying – Unsplash

Der Kunde muss im Mittelpunkt stehen – so lautet seit jeher ein beliebtes Paradigma in Marketingabteilungen. Das datenbasierte Online-Marketing scheint den Verantwortlichen heute dafür die richtigen Werkzeuge an die Hand zu geben. Doch Kundenzentrierung sucht man im E-Commerce aktuell oftmals vergeblich, weiß Florian Lillig, Head of Sales DACH von Bloomreach. Der Technologieanbieter unterstützt Unternehmen dabei, mit ihren Kunden personalisiert in Kontakt zu treten, unter anderem mit einer Customer-Data-Plattform, kurz CDP. Im Interview beleuchtet Lillig die Hürden, die Händlern bei der Kundenansprache im Weg stehen, zeigt auf, wie es besser geht, und gibt Hilfestellung für den Aufbau von Daten, die für gutes Bestandskunden-Marketing notwendig sind

Bild: Bloomreach Florian Lillig, Bloomreach

ADZINE: Hallo Florian, es gibt jede Menge CDP-Anbieter im deutschen Markt, vor allem aus Übersee kommen sie herübergeschwommen. Wie wollt ihr euch in diesem hart umkämpften Segment durchsetzen?

Florian Lillig: Man muss sich selbst im Klaren darüber sein, was für eine CDP man anbietet, und dies den Kunden gegenüber auch klar kommunizieren. Denn es gibt ein breites Spektrum von CDPs.

Beispielsweise konsolidieren manche Technologien lediglich Daten, andere wiederum machen sie tatsächlich fürs Marketing nutzbar, verpacken sie in Botschaften und personalisieren. Im letzten Spektrum haben wir uns positioniert und uns hauptsächlich auf Retail, also Shops, spezialisiert.

ADZINE: Was läuft heute falsch im E-Commerce? Warum brauchen die Händler eine CDP?

Lillig: Das Versprechen von Customer Centricity, also den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, ist leider noch ein leeres Versprechen. Es geht im E-Commerce eher um Themen wie Warehouse-Management oder Sales-Mechaniken, anstatt um die Kundenerfahrung an den einzelnen digitalen Touchpoints. Da kann eine CDP durchaus helfen.

ADZINE: Was macht gutes Bestandskunden-Marketing heute aus?

Lillig: Shops sollten den einzelnen Kunden so weit wie möglich kennenlernen und verstehen, warum er oder sie gekauft hat. Liegt es an gewissen Affinitäten zu Produktkategorien, Farben oder Materialien? Das hilft viel mehr als nur zu wissen, dass der Kunde über Google Ads kam, schwarze T-Shirts gefiltert und dann gekauft hat. Es geht um das Drumherum: Hat er sich sonst noch etwas angeguckt, wurde das T-Shirt retourniert, hat Größe L gepasst, war er danach nochmals auf der Seite?

Wenn ich weiß, dass jemand am Saisonende zu mir kommt und alles kauft, was es noch im Sale in seiner Größe gibt, muss ich ihn anders ansprechen, als jemanden, der immer die neueste Kollektion shoppt und eher im Empfehlungssegment unterwegs ist. Dort gilt es hinzukommen und es skalierbar zu machen, ohne eine ganze Armee an Marketern zu beschäftigen.

ADZINE: Von welcher Art der Ansprache reden wir? Beispielsweise von E-Mail-Kampagnen, Display Ads oder Video-Spots, die irgendwo anders eingekauft werden?

Lillig: Das hängt vom Kunden ab – da sind wir wieder bei der Customer Centricity. Die Brand sollte ja nicht vorgeben, auf welchen Kanälen kommuniziert wird. Das tut der Kunde durch sein Verhalten. Ein Shop, der das versteht und sich entsprechend anpasst, macht es richtig.

Wenn jemand regelmäßig auf dem Weg zur Arbeit in der Tram seine E-Mails checkt, dann sollte die Marke da präsent sein. Wenn ein anderer Kunde zum Beispiel in acht von zehn Fällen nach dem Kontakt mit einem Influencer auf Social Media kauft, kann sich die Marke die E-Mail sparen.

ADZINE: Schaffe ich es heute überhaupt noch, die Kundenreise so nachzuvollziehen? Lassen sich die einzelnen Schritte angesichts schwindender Identifier verknüpfen?

Lillig: Ja. Oft verwehren Kunden Shops diese Daten, weil sie keinen Mehrwert darin sehen, sie herzugeben. Hier müssen Händler strategisch herangehen und erklären, warum es sich lohnt. Dann lässt es sich technologisch gut nachvollziehen.

ADZINE: Wie lässt sich das kommunizieren? Wie also sammeln Online-Händler effektiv First-Party-Daten?

Lillig: In dem Moment, in dem sie nach Daten fragen, müssen sie erklären, was sie damit vorhaben. Es klingt sehr simpel, aber es geht darum, diesen Aspekt nicht zu verstecken.

Wir haben zum Beispiel einen Kunden, der nach dem geplanten Geburtsdatum deines Kindes fragt. Dabei handelt es sich um einen Shop für Babyausstattung. Der Kunde erklärt jedoch dabei direkt: “Wenn du mir dieses persönliche und extrem emotional behaftete Datum verrätst, bekommst du Informationen über deinen Schwangerschaftsverlauf und über die für dich richtige Ernährung. Außerdem zeigen wir dir, welche Produkte für dich im aktuellen Schwangerschaftsabschnitt interessant sind.”

Die Performance-Raten der Kampagne sind extrem hoch. Wenn Shops es also schaffen, diesen Werteaustausch nicht zu verklausulieren, ist schon ein großer Schritt gemacht.

ADZINE: Wie müssen sie technologisch aufgestellt sein, um das Beste aus diesen Daten zu machen?

Lillig: Eine CDP bildet als zentrales Tool für den Single Customer View die Ausgangsbasis. Anschließend geht es darum, einen Techstack zu finden, der für von der Organisation und den Business-Usern effizient genutzt werden kann. Wir sehen hier im Markt einen Trend zur Konsolidierung, also mehr Funktionen aus einer Hand zu nutzen, um die Teams nicht mit zu vielen einzelnen Tools zu überfordern

ADZINE: In welchen Fällen ergibt eine CDP keinen Sinn?

Lillig: Manche sind noch nicht digital genug, um eine CDP sinnvoll einzusetzen. Oft betrifft dies traditionelle Händler, die vielleicht nur aufgrund von Corona gezwungen wurden, in die digitale Welt einzutreten. Eine CDP kostet ja auch Geld. Wenn man nicht die Möglichkeit hat, genug Daten zu sammeln, dann sollte man erst in Bereiche wie Customer Service oder den Online-Shop generell investieren, sodass eine CDP einen Hebel bekommt.

ADZINE: Sagen wir, ein Händler hat eine CDP integriert. Was machen viele Händler heute immer noch falsch?

Lillig: Viele denken, mit der initialen Implementierung der CDP ist es getan. Doch CDPs leben von neuen Touchpoints, Tests vonseiten des Marketings, neuen Kanälen oder Datenquellen. Eine CDP ist ein lebendes System, das mit dem Shop mitwachsen sollte. Wenn man sie nur implementiert und fleißig E-Mail-Kampagnen aufsetzt, hat man nicht lange Freude daran.

ADZINE: Wo ist noch Raum für Innovation im E-Commerce?

Lillig: Künstliche Intelligenz wird die nächste große technologische Disruption. Mit KI werden viele neue Formen des Shoppens entstehen, Conversational Commerce wird sicher eine davon sein. Eine KI, die den Kontext versteht, die Historie des Kunden kennt, kann tatsächlich beraten. Das hat dann nichts mehr mit der Qualität der Chatbots heute zu tun, die zwischen rot und blau unterscheiden können. Beispielsweise könnte ein Kunde eintippen oder -sprechen, dass er heute eine Dinnerparty mit zehn Gästen gibt und Steak zum Hauptgang sowie Käse zum Nachgang serviert. Dafür bekommt er dann zwei passende Weine empfohlen.

KI wird aber auch bei der Prozessoptimierung eine Rolle spielen, sodass die Mitarbeiter wieder mehr Zeit haben werden, sich innovative Gedanken zu machen.

ADZINE: Vielen Dank, Florian!

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