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TCF 2.2 mit Rückendeckung von Google – Die Folgen für Publisher

Tilman Harmeling, 22. Juni 2023
Bild: Guillaume Périgois – Unsplash

Da kommt was auf die Publisher zu: Nachdem das Interactive Advertising Bureau (IAB) die neueste Version des Transparency and Content Frameworks (TCF) fertiggestellt hat, hat Google angekündigt, sich dem Industriestandard anschließen zu wollen – um Nutzern nach eigener Aussage mehr Transparenz bei der Abfrage ihrer Privatsphärepräferenzen zu bieten. Konkret bedeutet das: Publisher, die Googles Produkte Adsense, Ad Manager und Admob verwenden möchten, müssen von nun an Consent-Banner nutzen, die von Google zertifiziert wurden. Für die Verbraucher ist dies positiv, denn sie haben somit deutlich mehr Hoheit über ihre Daten. Bei den Publishern kommt aber Unruhe auf, denn auch beim Thema “berechtigtes Interesse” gibt es Änderungen.

Aufwand für Publisher hält sich in Grenzen

Die gute Nachricht zuerst: Was zunächst wie eine komplizierte Angelegenheit wirkt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als überschaubare Hausaufgabe. Denn der Aufwand hält sich für die Publisher in Grenzen, da fast alle bereits eine frühere Version des TCF nutzen. Sie müssen lediglich dafür sorgen, dass sie eine von Google zertifizierte Consent-Management-Plattform (CMP) im Einsatz haben.

Anfang Juni hat Google eine entsprechende Liste von zertifizierten Consent-Banner-Anbietern veröffentlicht. Bis zum 16. Januar 2024 haben Publisher nun Zeit, sicherzustellen, dass sie eine von Google zertifizierte CMP nutzen, die den Vorgaben des TCF-Standards in der dann aktuellen Version 2.2 entspricht.

Bis Mitte Januar gelten übergangsweise noch mehrere TC-Signale, also auch die der früheren Versionen 2.0 und 2.1. Ab dem 16. Januar 2024 wird nur noch das Signal der Version 2.2 akzeptiert.

Standardisierung als zentrales Element für ein besseres Werbeökosystem

Zusätzlich sollten Publisher eine weitere Änderung im Blick haben: Gleichzeitig mit der Durchsetzung von TCF v2.2 will Google seinen “Additional Consent Mode” verpflichtend machen. Dieser dient dazu, Einwilligungen für Google-Anzeigenpartner einzuholen, die noch nicht Teil des Transparency and Consent Frameworks sind, aber auf der Liste der Ad Tech Provider (ATP) von Google stehen.

Googles Additional Consent Mode (nicht zu verwechseln mit dem Google Consent Mode, dem Advertiser-Produkt, das die Datengenauigkeit erhöhen soll) ist also eine Art Add-on zur Einwilligung durch das TCF des IAB. Das bedeutet: Publisher müssen hier in Zukunft zwei Einwilligungen vorweisen. Zusätzlich zum TC-String, der codierten Zeichenkette, die alle relevanten Informationen rund um die Consent-Entscheidung des Nutzers enthält, muss nun auch der AC-String vorliegen. Denn wenn keine Einwilligung nach IAB-Standard vorhanden ist, bringt auch eine bereits bestehende Einwilligung bei Google nichts und Googles Produkte werden nicht geladen.

Verlust von Werbeeinnahmen und Analysemöglichkeiten

Zur Erinnerung: Alle drei Produkte, die vom Google Additional Consent Mode betroffen sind, sollen Einnahmen durch das Schalten von Werbung ermöglichen. Adsense wird hierzu gern von Website-Besitzern und Bloggern verwendet, Ad Manager ist die komplexere Variante, die unter anderem von größeren Medienhäusern bevorzugt wird, und Admob ist eine Lösung für Apps.

Wenn Werbetreibende diese Produkte nicht mehr nutzen können, droht ein Verlust von Werbeeinnahmen. Außerdem wird es schwieriger, Anzeigen zu verwalten und zu optimieren. Deren Performance zu messen und zu analysieren, wird folglich nicht mehr möglich sein, es sei denn, Publisher nutzen Alternativen zu Google.

Verarbeitung von Daten? Das “berechtigte Interesse” entfällt

Eine weitere Änderung – unabhängig von Google-Produkten – könnte Publishern allerdings Kopfschmerzen bereiten, denn mit dem TCF v2.2 reicht das sogenannte “berechtigte Interesse” als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Daten hinsichtlich der Personalisierung von Online-Werbung, Nutzerprofilen und -inhalten (Purposes 3-6) nicht mehr aus.

Konkret bedeutet das: Unternehmen können personenbezogene Daten nun nur noch auf der Grundlage einer wirksamen Einwilligung der Nutzer verarbeiten, um so individuelle Werbung und Inhalte zu schalten. Publisher müssen sich demzufolge auf monetäre Einbußen einstellen. Wie hoch diese ausfallen, wird sich zeigen, denn Werbung kann zwar auch ohne Einwilligung der Nutzer noch ausgespielt werden, aber die TKPs/eCPMs – also die effektiven Tausenderkontaktpreise – sind hier deutlich geringer, da die Werbung so ungenau ist.

Die Alternative? Viele Publisher nutzen das sogenannte PUR-Modell (oder Wege-Modell), um Nutzer zur Einwilligung zu bewegen. Und auch Contextual Advertising, wie beispielsweise die Tenniswerbung neben dem Tennisbericht, und dessen moderne Nachfolger erleben eine Renaissance.

Erklärtes Ziel von IAB und Google: Mehr Transparenz für Verbraucher

Von den sonstigen Änderungen, die die neue TCF-Version 2.2 mit sich bringt, profitieren ebenfalls die Verbraucher. So muss zukünftig unter anderem die Gesamtzahl der Datenempfänger bereits bei der Einwilligungsabfrage auf der ersten Ebene offengelegt werden.

Zudem wird der Widerruf der Einwilligung (Opt-out) einfacher: Eine spezielle Schaltfläche muss es ermöglichen, die Einwilligungsabfrage erneut aufzurufen und die Einwilligung zu widerrufen. Zusätzlich erhält der Nutzer nun ausführliche Informationen über die Zwecke der Verarbeitung seiner Daten, die Datenempfänger und die jeweiligen Speicherfristen.

Nachbessern in Bezug auf Verbraucherschutz

Nach viel rechtlichem Tauziehen und andauernden Rechtsstreitigkeiten, u. a. mit der EU, hat das IAB also beim TCF nachgebessert, auch weil die belgische Datenschutzbehörde im Februar 2022 unter anderem Änderungen hinsichtlich der Transparenz und der Personalisierung ohne explizite Einwilligung verlangte. Dass diese Änderungen aus Sicht der Verbraucherschützer nicht nur längst überfällig waren, sondern auch einen großen Schritt in Richtung Verbraucherschutz bedeuten, ist klar.

Allerdings: Das Mehr an Privatsphäre könnte sich negativ auf die Nutzererfahrung auswirken. Denn wer der Datenverarbeitung nicht zustimmt, erhält in der Regel schlechter zugeschnittene Werbeangebote.

Branchenstandards und Transparenz als Schlüssel für erfolgreiche Monetarisierungsmodelle

Wie es jetzt für Publisher weitergeht? Eines ist klar: Die Zeiten, in denen Daten ohne die Einwilligung der Verbraucher erhoben wurden, sind vorbei. Die Verbraucher kennen den Wert ihrer Daten und wollen wissen, wie diese verwendet werden. Die jährlichen Aktivitätsberichte der Datenschutzaufsichten zeigen zudem: Nutzer nehmen ihre Datenschutzrechte immer häufiger wahr und reichen Beschwerden ein. Alles bewegt sich hin zu einem fairen, transparenten Austausch – und zwar auf Augenhöhe mit dem Verbraucher.

Was es dazu braucht? Auf jeden Fall: Vertrauen. Und das bekommt, wie im echten Leben, der, der mit offenen Karten spielt. Branchenstandards wie das IAB TCF sind hier sicherlich ein Anfang. Denn sie funktionieren bereits in vielen Bereichen: Beispiele sind Nutrition Labels bei Lebensmitteln, internationale Gefahrensymbole und Verkehrsschilder. Wieso soll das nicht auch im Bereich Privacy möglich sein?

Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Tilman Harmeling Über den Autor/die Autorin:

Tilman Harmeling ist Experte für Datenschutz und Entrepreneur in Residence beim Münchner Consent-Management-Platform-Anbieter Usercentrics. Dort befasst er sich vor allem mit datengetriebenen Projekten rund um das Thema “Consent based Marketing” wie zum Beispiel Opt-in-Analyse und Optimierung oder dem Einfluss von AI auf Consent & Preference Management. Vor seiner Tätigkeit bei Usercentrics hat Harmeling an der Technischen Universität München ein Modell zur Optimierung von Elektrizitätshandel umgesetzt. Zur DSGVO und Privacy-Tech-Themen kam er erst später.

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