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DATA

Frischer Datentopf für die Verlängerung von TV-Kampagnen

Anton Priebe, 15. Juni 2023
Bild: Alexander Grey – Unsplash

Das lineare Fernsehen sitzt mit seiner Reichweite in Deutschland noch immer auf dem Thron. Doch die Fassade bröckelt und verschiedene Faktoren führen dazu, dass die Schaltung der Spots ineffizienter wird. Welche dies sind, erklärt Stephan Jäckel, Geschäftsführer von Emetriq, im Interview mit ADZINE. Außerdem verrät er, wie Digital dabei helfen kann, TV-Werbung wieder effizienter zu machen – und zielgenau die Personen im Nachgang einer Kampagne erreicht werden, die den Spot zuvor noch nicht oft genug oder gar nicht gesehen haben. Der Schlüssel liegt in einem neu für das Advertising erschlossenen Datensatz aus dem Telekom-Universum.

Bild: Emetriq Stephan Jäckel, Emetriq

ADZINE: Hallo Stephan, lineares TV befindet sich derzeit im Umbruch, das Augenmerk der Zuschauer richtet sich vermehrt auf Streaming. Welche besonderen Herausforderungen bringt dies für Advertiser mit sich?

Stephan Jäckel: Lineares TV ist im Marketing-Mix immer noch der dominierende Baustein. Es gibt kein anderes Medium, das schneller und günstiger pro Kontakt Reichweite aufbauen kann – und das mit einer extrem guten Werbewirkung. Aber es steht unter Druck, statistisch gesehen brechen besonders die jüngeren Zielgruppen weg. Aber auch die Anzahl der Konsumenten aus anderen Altersklassen, die sich überhaupt nicht mehr über lineares TV erreichen lassen, steigt.

Werbetreibende sehen sich daher insbesondere zwei Herausforderungen gegenüber:

Erstens muss jemand, der oder die in einer Upper-Funnel-Kampagne eine möglichst gute Zielgruppendurchdringung mit hoher Nettoreichweite erzielen will, heute noch stärker als zuvor außerhalb des linearen TV nach Kontakten in der Zielgruppe suchen.

Außerdem sinkt zweitens die Effizienz beziehungsweise der Grenznutzen der TV-Budgets. Werbetreibende müssen im Verhältnis sehr viel mehr Media-Budget in die Hand nehmen, um die “letzten” Prozente ihrer Nettoreichweite in der gewünschten Zielgruppe zu erreichen. Die Frage nach dem Absprung in einen anderen Kanal stellt sich zunehmend früher. Zum Beispiel sind 100.000 TV-Euro für zwei Prozentpunkte mehr Reichweite oft nicht mehr ökonomisch sinnvoll, denn mit diesem Investment kann man schon eine deutlich effektivere Kampagne in einem anderen Kanal fahren.

ADZINE: Das ist nicht unbedingt ein neues Problem.

Jäckel: Genau. Schon vor zehn Jahren hat man Kampagnen digital verlängert, vorwiegend in Social Media für eine junge Zielgruppe et cetera. Es gibt auch Targetings wie “TV-Wenigseher”, um weitere inkrementelle Reichweite aufzubauen und die Effizienz des Budgets zu erhöhen.

Die Frage ist aber jetzt, wie es besser geht. Denn eigentlich möchte der Werbetreibende ja zielgenau die erreichen, die er mit der TV-Kampagne vorher noch nicht angesprochen hat. Und das am besten effizient, also bevor das Verhältnis von investiertem Media-Budget zur erlangten Nettoreichweite kippt.

ADZINE: Wie geht es besser? Als Telekom-Tochter vermute ich, dass es dabei um Magenta-TV-Daten geht?

Jäckel: Richtig, ein Datentopf, der sich dafür anbietet, liegt im Telekom-Kosmos bei Magenta TV mit vier Millionen Set-Top-Boxen in deutschen Haushalten. Die sind voll IP-TV-fähig, also mit einem Rückkanal versehen, der signalisiert, welcher Fernseher wann welchem Programm gefolgt ist. So lässt sich sekundengenau feststellen, wer welchen Werbespot gesehen hat.

ADZINE: Was tut ihr mit dieser Information?

Jäckel: Zunächst nutzen wir, Consent vorausgesetzt, die E-Mail-Adresse vom jeweiligen Vertragspartner, um eine Brücke von TV zu Digital zu schlagen. In unserem Multi-ID-Graph befinden sich mehr als 15 Millionen E-Mail-Adressen, die an digitale Geräte geknüpft sind, und da kommt der Fernseher jetzt hinzu. So entsteht ein komplettes Bild eines Haushalts mit allen seinen Geräten.

ADZINE: Was steckt hinter dem Multi-ID-Graph?

Jäckel: Wir profilieren User auf Websites – beispielsweise von Bertelsmann, Sevenone oder Burda – und verknüpfen dieses Surf-Verhalten mit einem der 90 Millionen Devices in unserem Pool. Dies tun wir deterministisch anhand von E-Mail-Adressen oder First-Party-IDs, die wir mithilfe unserer Partner von Vermarktungsseite einsammeln. Dazu kommt ein probabilistisches Mapping auf der Basis von IP-Adressen. Wenn die Geräte in einem WLAN eingeloggt sind, können wir sie mit hoher Treffsicherheit einem Haushalt zuordnen. Zu vier Millionen von diesen Haushalten kennen wir dank Magenta TV nun zusätzlich das Fernsehverhalten.

ADZINE: Wie genau nutzt dieses Fernsehverhalten den Werbetreibenden?

Jäckel: Erstens können sie nach einer TV-Kampagne eine digitale Verlängerung an die Personen des Haushalts in der Zielgruppe umsetzen, die in Kontaktklasse null waren. Im Klartext: Wenn zum Beispiel laut Magenta-TV-Daten ein Spot für ein Frauen-Shampoo in einem Haushalt noch nicht gesehen wurde, identifizieren wir die Frau im Haushalt und sprechen sie mit möglichst TV-äquivalenten Digitalwerbemitteln auf verschiedenen Geräten an. Wir kaufen dafür beispielsweise Instream- oder Outstream-Inventar ein.

Zweitens können Werbetreibende TV-Budget einsparen, wenn der Grenznutzen sinkt, und es in Digitalkampagnen umshiften, um günstiger Reichweite in der Zielgruppe aufzubauen.

ADZINE: Bietet sich nicht viel eher CTV an, um die Kampagne zu verlängern?

Jäckel: Auf jeden Fall, das zähle ich zu Digital dazu. Das kommt der Werbewirkung des linearen TV ja am nächsten. Leider ist CTV-Inventar in Deutschland begrenzt verfügbar und verhältnismäßig teuer. Daher stocken wir mit anderem digitalen Bewegtbildinventaren auf.

ADZINE: Das klingt alles sehr einfach. Trotzdem würde jeder Datenschützer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wie ist das vereinbar mit dem Datenschutz?

Jäckel: Es gibt zwar viele graue Datentöpfe in unserem Werbeökosystem, aber hinter uns steht die Deutsche Telekom. Die kann sich keine Fehler erlauben. Wir operieren mit einem komplett weißen Datenpool, also ausschließlich consented Data. Das gilt für jede Profilierung auf Partner-Websites, da wir direkt mit den Vermarktern zusammenarbeiten und nicht nur für das Verhalten, sondern auch für die Cross-Device-Verbindung eine Nutzereinwilligung einholen. Auf der Magenta-TV-Box erscheint ebenfalls ein Layer, in dem der Consent gegeben wird.

ADZINE: Euer Multi-Device-Graph basiert auf Cookies. Das ist nicht unbedingt ein Zukunftsmodell, oder?

Jäckel: Zu jedem Device liegen mehrere IDs vor. Heute sind das interessanterweise immer noch sehr viele Third-Party-Cookies, aber auch schon IP- und E-Mail-Adressen, um die First-Party-Cookies der Vermarkter zusammenzuführen. Mithilfe von IP- und E-Mail-Adressen können wir First-Party-IDs seitenübergreifend verknüpfen, aber das funktioniert natürlich aufgrund unserer direkten Integration in viele Partner-Websites. Für die Zukunft schauen wir natürlich, ob wir auch mit weiteren Alternativen wie den ID5s und NetIDs dieser Welt – aber natürlich ebenso unserer Telko-eigenen Lösung Utiq – zusammenarbeiten können.

ADZINE: Danke für die Einblicke, Stephan!

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