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ADTRADER

Back to the Roots (of the problem) – Central vs. Local Adserver

Jens Pöppelmann, 22. Mai 2023
Bild: Florian Krumm – Unsplash

Um zu verstehen, warum wir gefühlt bis heute viele der Herausforderungen der Digitalisierung und insbesondere Finanzierung der Medien durch Werbung nicht wirklich gelöst haben, muss man einmal historisch auf die Erfindung und die Entwicklung der Adserver zurückblicken. Der erste Adserver wurde 1995 von Focalink Communications entwickelt, einem Unternehmen, das später in 24/7 Media umbenannt und schließlich von WPP übernommen wurde. Der erste Adserver hieß zunächst Mango, ab 1996 Smartbanner, und war die erste Lösung für die Verwaltung und Auslieferung von Online-Werbung.

Gegründet wurde das Unternehmen mit Sitz in Palo Alto, Kalifornien, von Dave Zinman, Andrew Conru und Jason Strober. Letzteren traf ich 2015 zum 20. Jubiläum der Adserver-Erfindung im Silicon Valley. Wir saßen ganz traditionell bei Kaffee und Kuchen in der Prolific Oven Bakery, vor der Tür stand der erste Tesla, den ich bisher gesehen hatte, und Jason berichtete von den Anfängen des Adserving: Auf dem sogenannten Central Adserver sollten Publisher einfach Fläche auf ihren Websites zur Verfügung stellen, auf der große Brands direkt und zentral ihre Werbung ausspielen konnten – das klingt deutlich anders als das Konzept des Local Adservers, der später von Doubleclick entwickelt wurde. Der Vorteil von Doubleclick war, dass Publisher sehr viel mehr Kontrolle bekommen haben. Doubleclick hatte verstanden, dass es ein Dart for Publisher (DFP) und ein Dart for Advertisers (DFA) geben musste, um der einen Seite die Möglichkeit zu geben, ihr Inventar direkt anzubieten, während die andere Seite ihre Werbung schalten konnte – der Adserver als Motor der Digitalisierung in der Werbung.

Etwas fehlt…

Was weder Focalink noch Doubleclick bedacht hatten, ist, dass selbst ein Tesla nicht nur eine Maschine, sondern auch ein komplettes Auto ist. Kunden und Agenturen hatten jetzt zwar einen Adserver, aber immer noch kein 360-Grad-System, das alles vom Angebot über Beauftragung und Reporting bis hin zur Rechnungsstellung für ausgelieferte Ad Impressions beinhaltete. Ein Problem, das noch Jahrzehnte später dafür gesorgt hat, dass das Faxgerät seinen hohen Stellenwert behielt.

Es ist kein Wunder, dass im Schatten der Adserver tausende Dienstleister entstanden sind, die unser Geschäft so unübersichtlich und die Entscheidung für die richtigen Systeme im digitalen Dschungel so schwierig machen. Im Marketecture-Podcast zum Thema „Oral History of Doubleclick (2004-2008)“ meinte der ehemalige Head of DFP Jonathan Bellack, dass sie sich in dieser Zeit vor allem um das Thema Reporting hätten kümmern müssen – der Adserver lag losgelöst von allen Business-Intelligence-Systemen im digitalen Raum. Die Lücken, die die Adserver ließen, wurden dankbar von vielen anderen Dienstleistern gerade im Reporting genutzt, so hatte schnell jeder Werbekunde eigene Dienstleister für das Messen von Kampagnen-KPI und die Agenturen solche, die ihre Cookies abgeschossen haben.

Aber erst einmal wieder zurück in der Zeit: 2007 habe ich nach einem Buchungs-Chassis für IP Deutschland gesucht, in die man einen Adserver integrieren konnte. Umsetzen konnten wir das Projekt erst 2009. Seitdem ist viel passiert, aber es ist immer noch die Ausnahme und nicht die Regel, dass Buchungen direkt mit dem Adserver synchronisiert werden. Insbesondere bei der Kampagnen-Optimierung wird erst auf dem Adserver geändert und dann umständlich im Buchungssystem. Statt des einen Teams, das sich um alles kümmert, gibt es zahlreiche Teams, die sich um eine einzelne Buchung kümmern – kein Wunder, dass Kunden und Agenturen eher Central-Adserver-Buchungen wie bei Facebook, Youtube über Google oder die anderen großen Netzwerke nutzen oder eben den programmatischen Weg wählen. Es ist einfach einfacher.

Auf der Suche nach einem zentralen System

Der Kampf der Adserver zwischen eher zentral agierenden Systemen wie Google haben Focalink und Doubleclick verloren. Logisch, dass Google eher dafür ist, Cookies abzuschaffen. Fremde Supply-Side-Plattformen (SSP) waren Google schon immer ein Dorn im Auge und werden systematisch benachteiligt, wie Dina Srinivasan 2019 in ihrem Artikel „Why Google Dominates Advertising Markets“ schrieb. Andere große Demand-Side-Plattformen (DSP) denken inzwischen ähnlich. Sie wollen direkt an das Inventar, ohne Umwege über SSPs. Aber das passiert nicht ohne einen Kampf. Inzwischen kappen auch SSPs wie Pubmatic DSPs den Demand bei CTV und Online Video Ads ab und werden dabei selber zu zentralen übergreifenden Buchungsclients. SPO nennt man dann das Ganze.

SPO, ein weiteres Akronym in der digitalen Marketing-Welt, steht für Supply Path Optimization und bedeutet, dass man in der programmatischen Kette beispielsweise entweder SSP oder DSP eliminiert, um Kosten zu sparen. Zu diesem Thema gibt es auf der Adtrader Conference ein Panel mit dem Titel: „SPO neu gedacht – brauchen wir noch DSPs und SSPs?“, ich hoffe hier auf eine spannende Diskussion!

Hinter dem SPO-Gedanken steckt die Suche nach dem zentralen System. Alle großen Adtech-Unternehmen streben inzwischen an, das zentrale System zu sein – und damit auch der Central Adserver, in dem ein Publisher einfach sein Inventar zur Verfügung stellt, und ein Kunde einfach bucht. Publisher verschicken keine Angebote oder bestätigen Aufträge, sie bekommen einfach nur eine Gutschrift. Ob der Umsatz ausreicht, der mit der Gutschrift kommt, um guten Journalismus oder gute Unterhaltung zu finanzieren, ist ja nicht das Problem des Adservers.

Es lebe die Vielfalt, aber bitte gemanagt

Vielleicht war die Connect-Initiative des OVK vor zehn Jahren, als die direkte Verknüpfung zwischen Buchungssystemen der Agenturen und der Vermarkter/Publisher, zu früh, denn Programmatic stand ja noch am Anfang. Mit dem Ansatz „Digital Booking Communication for Media“, kurz DBCFM, gibt es jetzt aber eine neue Initiative von Agenturen und Dienstleistern, die verstanden haben, dass kreative Lösungen nicht nur programmatische skalierende Werbeformen wie Super-Banner sind, und Kontrolle eben nicht immer bedeutet, dass man zentral bucht.

Will der Markt weiterhin Vielfalt, dann müssen wir auch besser darin werden, diese Vielfalt zu managen. Wir als Markt sollten nachhaltiger und datenhygienischer agieren und uns darauf konzentrieren, was wir am besten können: gute und richtige Inhalte schaffen, und diese smart und direkt vermarkten. Die Agentur Masterplan mit ihrem Case „Gifflar – vom schwedischen Gruß zur Mass Market Brand“ hat auch deswegen einen Deutschen Mediapreis gewonnen, weil sie eben nicht einen zentralen Ansatz über Facebook, Youtube, Tiktok oder Instagram gewählt hat, sondern einen übergreifenden Versuch von RTL und Prosieben, Unterschiede zu harmonisieren, Komplexität zu reduzieren und übergreifende Buchungen einfach zu ermöglichen. Von daher hat der Markt noch Chancen, sei es programmatisch oder in den Direktbuchungen. Wir müssen sie nur ergreifen.

Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Jens Pöppelmann Über den Autor/die Autorin:

Jens Pöppelmann ist CEO von d-force

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