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CTV-Werbung heute und morgen

Anton Priebe, 19. Dezember 2022
Bild: Maxim Hopman - Unsplash

Die TV-Welt befindet sich im Umbruch. Der Anteil smarter Geräte dominiert inzwischen auch in den deutschen Haushalten und der Konsum hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend Richtung Streaming verlagert. Die Werbeindustrie beobachtet den Emporstieg von Connected TV (CTV) mit Argusaugen und arbeitet daran, die Möglichkeiten aus der Digitalwerbung auch in die Fernsehumgebung zu transferieren. Der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung bildet mit zehn Millionen Geräten in Deutschland einen großen Ausschnitt des Markts ab und betreibt mit Samsung Ads eine eigene Media- und Werbesparte. Christian Russ ist deren Sales-Chef in DACH und kann für seine Arbeit auf eine breite Datenbasis zurückgreifen. Im Interview gestattet er einen Einblick in die Zahlen, verrät, welche Rolle CTV jetzt und in Zukunft spielen wird und welche Baustellen noch zu beheben sind.

Bild: Samsung Ads Christian Russ, Samsung Ads

ADZINE: Hallo Christian, CTV ist wohl momentan eines der am meist gehypten Themen in der Werbeindustrie. Wie viel ist deiner Meinung nach tatsächlich dran am Hype?

Christian Russ: Ich würde nicht mehr von einem Hype sprechen, denn das Fernsehen verschiebt sich immer weiter Richtung CTV. Das sieht man einerseits an den Geräten. So besagt der Digitalisierungsbericht der Medienanstalten, dass inzwischen 70 Prozent aller deutschen Haushalte einen Connected TV besitzen, wobei in 55 Prozent der Haushalte ein Smart-TV steht. Das ist eine Steigerung von sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nicht-smarte Geräte werden übrigens kaum noch verkauft in Deutschland. Daher glauben wir auch fest daran, dass die Zukunft des Connected TV in Smart-TVs liegt. Denn die Peripherie-Geräte sind nicht mehr notwendig, wenn der Fernseher schon alle Funktionen bietet.

Andererseits lässt sich dies an der Nutzung festmachen, die wir selbst gut beobachten können. Samsung hat in den EU5-Märkten – Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien – einen Marktanteil von 34 Prozent. In Deutschland kommen wir so auf 10 Millionen Geräte. Der Löwenanteil der damit verbrachten Zeit, 54 Prozent, entfällt auf Streaming – weniger als die Hälfte also auf lineares Fernsehen. 47 Prozent unserer Geräte sind Streaming-First-Fernseher, hier läuft unter vier Stunden pro Monat lineares TV.

Darüber hinaus spiegelt sich diese Entwicklung im steigenden Durchschnittsalter der linearen Audience wider: Es liegt laut AGF bei 59 Jahren. Man kann demnach gar nicht mehr von einem Hype sprechen, da sich die Nutzungszeit bereits eindeutig in Richtung Streaming verschoben hat und CTV im Mainstream angekommen ist.

ADZINE: Sind die neuen Möglichkeiten, die CTV Advertisern bietet, also die Fernsehwerbung der Zukunft? Werden “traditionelle” TV-Spots im linearen Programm abgelöst?

Russ: Sie werden nicht abgelöst, sondern ergänzt. Man muss Fernsehen heute ganzheitlich planen, das beinhaltet eben nicht mehr nur lineares Fernsehen. Drei Viertel unserer Fernseher nutzen werbefinanzierte Streaming-Dienste. Die Anzahl der verbrachten Stunden in FAST-Kanälen ist in Deutschland im ersten Halbjahr um 16 Prozent gestiegen. Darüber erreichen Werbetreibende Zielgruppen, die über das lineare Fernsehen nicht mehr so gut, oder gar nicht mehr erreicht werden können. Es geht demnach um den Aufbau von inkrementeller Reichweite.

ADZINE: Welche Formate spielen hier eine Rolle?

Russ: Es gibt zwei Arten der Zielgruppenansprache auf Smart-TVs. Einerseits klassische Video Ads, andererseits Werbemittel, die direkt im Menü sitzen. Das Startmenü wird unseren Analysen nach zunehmend intensiv genutzt. Daher haben wir hier mit dem Masthead-Format eine neue große Werbefläche geschaffen. Die Werbung dort ist bei uns jedoch Kunden vorbehalten, die auch TV-Inhalte anbieten, wie Broadcaster, App-Betreiber oder Gaming-Anbieter. Wir sprechen aber auch mit Marken darüber, wie man etwa Sponsorings oder eigene TV-Produktionen auf den Startbildschirm bringen könnte.

ADZINE: Habt ihr als Samsung etwas mit den Ads zu tun, die in den Apps auf euren Fernsehern laufen?

Russ: Wenn ich eine Streaming-App wie Joyn, Disney oder Netflix öffne, dann befinde ich mich in deren Hoheitsgebiet. Wir vermarkten zwar einen Teil des Inventars in Rakuten- oder Pluto-Apps auf Samsung-Fernsehern und veredeln dieses mit unseren Daten. Aber in der Regel nehmen die Dienste ihre Vermarktung selbst in die Hand. Anders sieht es natürlich bei unserem eigenen Streaming-Dienst Samsung TV Plus aus.

ADZINE: Welche Baustellen muss CTV noch angehen, um dem großen Versprechen für Werber gerecht zu werden?

Russ: Wir hören immer wieder die gleichen Bedenken: Reichweite, Transparenz und Messung sowie eine holistische Planung. Die Reichweite in CTV befindet sich noch im Aufbau, aber das Problem wird sich basierend auf unseren Zahlen von selbst lösen. Außerdem kommen hier Player mit großer Reichweite wie Netflix und Disney hinzu.

Transparenz und Messung sind wir über eine Consent-Management-Plattform (CMP) angegangen, die wir speziell für unseren eigenen Streaming-Service gelauncht haben. Wir bitten unsere User zwar beim ersten Einrichten des Fernsehers um ihren Consent für Recommendations und interessenbasierte Werbung. Im Streaming-Service selbst fragen wir jedoch mithilfe der CMP nochmals danach. Dies ermöglicht uns darüber hinaus, Third-Party-Tracking und -Verification zuzulassen. Ich hoffe, dass noch weitere Dienste eine CMP dieser Art launchen.

Die gesamtheitliche Planung gehen wir mit den großen Mediaagenturen an, die wir dabei unterstützen, ihre eigenen CTV-Produkte zu entwickeln. Die Agenturen spielen in dem fragmentierten Markt sicherlich eine Schlüsselrolle. Wir haben aber auch einen eigenen Identifier für unser Betriebssystem Tizen aufgesetzt, die Tizen ID for Advertising (TIFA). Dabei handelt es sich nicht um einen personen- oder gerätebezogenen, sondern einen sich regelmäßig erneuernden Identifier. Damit können Werbetreibende zumindest in unserem Ökosystem Reichweiten und Frequenzen besser aussteuern und Targeting umsetzen, wenn der Werbepartner den Identifier mit übergibt.

ADZINE: Wo siehst du Anzeichen für Konsolidierung?

Russ: Auf der Angebotsseite von Inhalten wird es spannend, und zwar nicht nur bezüglich der Konsolidierung, sondern auch der vollen Nutzung aller Möglichkeiten, um möglichst alle TV-Audiences zu erreichen und Inhalte umfänglich zu monetarisieren. So hat zum Beispiel ZDF einen eigenen Sender Terra X gelauncht, um über noch mehr Touchpoints mit Zuschauern zu gewinnen – auch solche, die sonst vielleicht kein ZDF schauen. Dazn hat mit dem gleichen Ziel gerade einen frei zugänglichen Kanal gelauncht, in dem neben Champions-League-Highlights auch top Live-Fußball aus Italien, Spanien und Frankreich läuft. Ich sehe aber auch Konsolidierung in der Planung, sonst wird CTV immer ein Stückwerk bleiben. Um hier etwas beizusteuern, arbeiten wir mit Third-Party-Datenanbietern zusammen. In Deutschland ist das beispielsweise Kantar, um so die gerätebezogenen Daten, die wir haben, mit panelbezogenen zusammenzuführen. Dies soll letztlich die Planung in demographischen Zielgruppen erleichtern.

ADZINE: Danke für das Interview, Christian!

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