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PROGRAMMATIC - Claudia Zayer von Goldbach Germany im Interview

Außenwerbung als das nächste digitale Massenmedium

Anton Priebe, 5. November 2021
Bild: Denys Nevozhai – Unsplash

Die Außenwerbung wird zunehmend digitalisiert und an das programmatische Ökosystem angeschlossen. Insbesondere die Kombination mit anderen digitalen Welten verspricht spannende Möglichkeiten für Targeting und Personalisierung. Im Interview spricht Claudia Zayer, Leitung DOOH beim Vermarkter Goldbach Germany, über sinnvollen Dateneinsatz in der Außenwerbung und beleuchtet den aktuellen Stand sowie die Zukunft der Digitalisierung des Mediums.

Bild: Goldbach Claudia Zayer, Goldbach

ADZINE: Hallo Frau Zayer, DOOH gilt als ein Wachstumsfeld im Werbemarkt, vor allem in Verbindung mit Programmatic. Dabei sprechen wir aber noch immer von Zeitschienen, die programmatisch gebucht werden, oder? Wie nah kommen Sie an Echtzeit heran und will man das eigentlich?

Claudia Zayer: Da möchte ich Sie gerne korrigieren. Wir bei Goldbach denken im programmatischen Verkauf nicht in Zeitschienen und haben das auch nie getan. Die kleinste Rechnungseinheit, auf der wir aufbauen, ist eine einzelne Einblendung je Screen und die kann theoretisch selektiv eingekauft werden. Bei optimaler Internetverbindung der Screens – und das ist tatsächlich der einzig mögliche, limitierende Faktor – dauert es vom gewonnenen Request nur ein Bruchteil einer Sekunde, bis der Spot gezeigt wird. Das Zeit-Targeting kann zu 100 Prozent autark über die DSP gesteuert werden, wenn das gewünscht ist. Wir haben keinen Delay, wie das noch bei anderen Anbietern der Fall ist.

Daher ergibt es sehr viel Sinn, ein datenbasiertes Targeting zu nutzen, da die Komplexität und vor allem die Vorteile, die durch diesen Echtzeitcharakter entstehen, nicht mehr manuell zu managen sind.

ADZINE: Welche Daten kommen bei der programmatischen Buchung mit ins Spiel? Welche bieten eine sinnvolle Grundlage für Targeting in der Außenwerbung, welche müssen erst noch verfügbar gemacht werden?

Zayer: Das hängt ganz von der Zielsetzung der Kampagne ab und ob der Kunde über eigene Daten verfügt. Wenn bekannt ist, dass die Relevanz eines Produktes durch das Wetter getriggert ist, ergibt ein Wetter-Targeting Sinn und Wetterdaten sind inzwischen auch standardmäßig über fast alle Plattformen hinweg verfügbar.

Wirklich spannend wird es aber dann, wenn man sich mit dem Thema Audience Data, also Daten, die beschreiben, wann und wo sich eine definierte Zielgruppe gerade befindet, beschäftigt. Hier muss man natürlich zunächst die Qualität der Daten bewerten und da gibt es bei unterschiedlichen Zielgruppen mal bessere und mal schlechtere Daten, abhängig von der Erhebungsmethode und der Datenquelle. Einige Agenturen sind hier aber auf einem sehr hohen Niveau unterwegs. Zeitschienen und Standortselektion im Vorfeld der Kampagne gehören damit der Vergangenheit an. Der Spot wird genau dort ausgestrahlt, wo sich meine Zielgruppe mit einem hohen Indexwert gerade befindet. Dies ist natürlich nur sinnvoll möglich, wenn der Delay zwischen gewonnenem Bid Request und der Spotausstrahlung minimal ist.

ADZINE: Inwiefern ergibt Personalisierung von Außenwerbung überhaupt Sinn? Es bleibt doch ein One-to-Many-Medium.

Zayer: Die größte Stärke der Außenwerbung war schon immer, dass man sehr schnell viel Reichweite aufbauen kann. Hier baut sich vielleicht das nächste wirkliche digitale Massenmedium auf. Bei allen Diskussionen rund um den sinnvollen Einsatz von Daten sollte man nicht den Fehler machen, sich durch Mikromanagment der Kampagnen diesen Vorteil kaputtzumachen.

Es geht mehr darum, durch den gezielten Einsatz von Daten die Relevanz der Werbebotschaft in der Zielgruppe zu erhöhen. Ich kann zwar nicht eine einzelne Person ansprechen – dafür gibt es auch sicherlich wesentlich geeignetere Kanäle im Mediamix –, ich kann aber dafür sorgen, dass meine Botschaft dann wahrgenommen wird, wenn meine Zielgruppe empfänglich dafür ist. Außerdem kann ich meine Zielgruppe im öffentlichen Raum finden. Da tun sich andere Medien in ihrer Fragmentierung wesentlich schwerer.

ADZINE: Nimmt die Nachfrageseite das Angebot wahr oder vertraut man dort noch immer lieber auf den Standort anstatt auf Zielgruppendaten?

Zayer: Digitalagenturen nehmen das Angebot sehr gut an und verfügen eigentlich immer über eigene Daten, die zur Kampagnenoptimierung genutzt werden. Bei Buchungen aus dem Bereich der klassischen Außenwerbung wird noch sehr stark ein Vorfilter auf Top 5 oder Top 10 Städten gesetzt. Dies ist ein eher statisches, tradiertes Wissen und steht immer häufiger im Gegensatz zu einem dynamischen datengetriebenen Ansatz.

Beispiele machen das schnell sinnfällig: da liegt der Flughafen München dann nicht in München, sondern in Freising oder das Einkaufscenter Centro als frequenzstärkste Mall in Europa wird zum lokalen Shoppingcenter für Oberhausen et cetera. Tatsächlich kommen die Fluggäste in München nicht nur aus der Stadt Freising und das Centro zieht Gäste aus dem gesamten Ruhrgebiet und darüber hinaus an. Große Mengen von Menschen verbringen dort Ihre Freizeit, gehen shoppen und lassen es sich gut gehen. Perfekt, um Kaufanreize zu setzen. Hier würde ich mir wünschen, dass die Planungen etwas mehr auf das tatsächliche Mobilitätsverhalten der Menschen angepasst werden würde.

ADZINE: Es gibt immer wieder kreative DOOH-Kampagnen in Verbindung mit anderen Bereichen wie Mobile oder Audio. Inwiefern lässt sich DOOH mit anderen Kanälen wirkungsvoll verknüpfen?

Zayer: Gerade im Bereich Programmatic-DOOH und in der datengetriebenen Welt, in der wir uns befinden, gibt es vielfältige Kombinationsmöglichkeiten. Besonders bei der Zielgruppenansprache via Mobile und DOOH, bei der man nur die DOOH-Werbemittel ausspielt, wenn sich genug Leute der Zielgruppe oder User einer bestimmten App-Gruppierung in der Nähe der Screens befinden.

ADZINE: Wann wird Programmatic zum Standard in DOOH?

Zayer: Programmatic ist der Standard. I/O und programmatischer Verkauf sind inzwischen ungefähr gleich wichtig für uns.

Ich lege aber viel Wert darauf zu betonen, dass wir hier über eine Technologie sprechen, die nicht als Selbstzweck gesehen werden sollte, sondern immer nur dazu dienen kann, eine gute Kampagne in ihrer Wirkung noch besser zu machen. Im Fokus steht immer das Briefing des Kunden und das Kampagnen Setup. Es ist nicht zwingend schlechter, wenn man auf klassischem Wege am Samstag eine Kampagne in Einkaufszentren bucht, wenn der Kunde Menschen in Freizeitlaune beim Shoppen ansprechen möchte.

ADZINE: Welche Entwicklungen sehen Sie hier für die kommenden Jahre voraus?

Zayer: Ich denke, dass die Qualität der Daten noch deutlich besser und auch deren Verfügbarkeit für Kampagnen vereinfacht werden wird. Momentan müssen wir mit jedem einzelnen Anbieter sprechen und Verträge abschließen. Ich wünsche mir eine Plattform, auf der „on Demand“ und anbieterübergreifend Zielgruppensegmente ausgewählt werden und direkt für die Kampagnen genutzt werden können. Hier ist der Onlinebereich sicherlich deutlich weiter als der DOOH-Markt.

Weiter wird auf dem Thema „Währung“ einiges passieren. Unsere Mediengattung benötigt zwingend eine einheitliche Erhebung und Definition von Leistungswerten. Damit ermöglichen wir den Werbetreibenden erst, ihre Planung zielgerichtet umzusetzen.

ADZINE: Danke für das Interview!

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