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DATA - Siegfried Stepke von E-Dialog im Interview

Data Science im modernen Advertising

Anton Priebe, 13. September 2021
Bild: E-Dialog / Fotografiefetz

Datenstrategien und der Einsatz der richtigen Technologie bekommen einen immer höheren Stellenwert im digitalen Marketing. Vor allem angesichts dessen, dass der Third-Party-Cookie als Auslaufmodell gilt und auch von Google ein Ultimatum bekommen hat. Viele Marktteilnehmer im Digital Advertising befürchten daher künftig Einbußen in der Genauigkeit ihres Targetings – das muss aber nicht sein, meint Siegfried Stepke von der Digitalagentur E-Dialog. Im Interview spricht der Agenturgründer über die Bedeutung von Data Science für das Marketing und die Personalisierung von Werbemaßnahmen sowie der seiner Meinung nach wichtigsten Voraussetzung dafür: Consent Management.

ADZINE: Hallo Siegfried, magst du E-Dialog bitte in zwei Sätzen erklären?

Siegfried Stepke: Wir sind eine Agentur für datengetriebenes, digitales Marketing. Wir reißen Silos ein, verknüpfen also viele Datentöpfe miteinander, und bringen sowohl mit “Quick Wins” als auch nachhaltigen Strategien Effizienz in den Mediaeinkauf, denn da sind meiner Meinung nach noch viele Schätze zu heben.

ADZINE: Ihr schreibt euch vor allem Data Science auf die Fahne. Was gehört deiner Meinung nach dazu und welchen Stellenwert nimmt Data Science im modernen Marketing ein?

Stepke: Jedes Unternehmen verwendet automatisch Data Science, weil es implizit bereits in vielen Marketing-Tools drinnen steckt, ob man’s merkt oder nicht. Sei es beim Bidding oder der Audience-Bildung, das wird heute ja nicht mehr händisch gemacht.

Unternehmen profitieren insbesondere dann davon, wenn sie es explizit zu nutzen beginnen. Das heißt, zuerst einmal die Daten zu haben und darauf zugreifen zu können. Dann können sie mit Machine Learning etwa Forecasting betreiben. Ich kann nicht nur Revenues oder Leads vorhersagen, sondern vor allem auch TKP- oder CPC-Entwicklungen und kanalübergreifend darauf reagieren. Hier kommt dann zum Beispiel auch die Anomaly Detection in Echtzeit ins Spiel.

ADZINE: Was wäre eine solche Anomalie?

Stepke: Beispielsweise ein plötzlicher Nachfragerückgang. Eine solche Entwicklung muss man als Verantwortlicher noch während desselben Tages bemerken und nicht erst, wenn es zu spät ist. So kannst du eine Kampagne direkt anpassen oder eben nicht, falls etwa nur das Wetter ausschlaggebend war.

ADZINE: Was steckt noch hinter Data Science?

Stepke: Clustering ist ein Riesenthema, denn Demografien und Personas sind veraltete Modelle. Hier bei den Kunden zu erkennen, welche Zielgruppen und Attribute wirklich funktionieren, ist spannend. Klassische Personas kannst du ja nicht targeten, fein modellierte Zielgruppen sehr wohl. Darüber hinaus sind Custom Recommendation Engines zur Personalisierung ein großer Punkt, nicht nur für Produktempfehlungen, sondern auch spezifische Contents.

ADZINE: Baut ihr euren Kunden eigene Technologielösungen?

Stepke: Wir greifen auf bestehende Stacks und Technologien zurück. Martech-, Adtech- oder Cloud-Stacks gibt es auf dem Markt, die man optimal verknüpfen und richtig beleben muss. Das ist unser Know-how. Customized Algorithmen, die individuell implementiert, trainiert und angepasst werden, funktionieren dann besser als von der Stange und sind oftmals günstiger im Betrieb.

ADZINE: Wie sieht der typische Bauplan für eine effektive Datenstrategie aus?

Stepke: Der erste Schritt ist der Consent, da führt kein Weg mehr dran vorbei. Nicht nur, weil es die DSGVO vorschreibt, sondern auch allein schon aus Wertschätzung gegenüber den Userinnen. Der nächste Schritt ist es, die Daten vernünftig zu sammeln. Dabei gilt es, sie mit Consent zu erheben und die Qualität hochzuhalten. Drittens musst du viele Datenquellen miteinander verknüpfen, ob CRM, Data Warehouse, oder wo immer ein Unternehmen seine Touchpoints und damit Quellen hat. Viertens geht es darum, aus diesem riesigen Datentopf zu lernen.

Das Wichtigste ist allerdings letztlich das Aktivieren. Und da spielen die programmatischen Kanäle ihre Stärken aus, wenn Algorithmen in Echtzeit personalisieren, targeten und bidden können.

ADZINE: Es erwachsen immer mehr Kanäle, die oftmals trotz fehlender Brücken miteinander verbunden werden müssen – in welchem Maße ist Personalisierung in Zukunft noch möglich? Und welches sind die wichtigsten Faktoren dafür?

Stepke: Ich bin optimistisch, weil es viele Entwicklungen gibt, die uns weiterhelfen werden. Zum Beispiel sehen wir ID-Anbieter und Konsortien, die sich zusammenschließen. Die sind zwar noch nicht fertig, machen aber gute Fortschritte. Gleichzeitig modellieren die Technologieanbieter heute Eigenschaften von Usern, ohne über personenbezogene Daten zu verfügen. Darüber hinaus gibt es auch noch Ökosysteme wie Facebook & Co., innerhalb derer der Consent der User immer noch vorliegt. Dann kommen die eigenen Datenstrategien der Unternehmen, also deren First-Party-Daten, hinzu. Hier werden wir viel mit Kohorten und Modellen arbeiten können.

Es reicht ja zu wissen, dass ich in einem der 5 Millionen Töpfe stecke, der vielleicht “Wanderer, die auch gerne Gin trinken” heißt. Für eine Kampagne suchen wir dann die richtigen 200 Töpfe zusammen. Viele unterschätzen die technologischen Entwicklungen, die sich derzeit anbahnen. Da muss man weniger die Marketing-, sondern vielmehr die Data-Science-Medien verfolgen.

ADZINE: Welchen Stellenwert nimmt Consent Management in Zukunft ein?

Stepke: Den größten. Man muss es positiv sehen und nicht als Last, sondern als Asset verstehen. Die User, die mir den Consent geben, haben mir extrem viel Vertrauen entgegengebracht. Unternehmen müssen aber den nächsten Schritt gehen und das Thema Consent holistisch sehen. Heute schauen alle auf die Cookie-Banner und die Apps werden schon vergessen. Im E-Mail-Marketing liegt der Consent oftmals schon vor, heißt dann eben Opt-in. Die Frage ist, ob ich den auch im CRM abbilde? Und habe ich auch einen Consent fürs Telefon?

So können wir extrem viele Touchpoints aufbauen und verwalten, die wir nutzen dürfen. Selbst in sensiblen Umfeldern haben wir Kunden, bei denen die Consent-Rate weit über 50 Prozent liegt, also jenseits der Horrorvorstellungen, die viele verbreiten.

ADZINE: Das Streben nach mehr Privatsphäre geht bekanntlich auf Kosten der Genauigkeit des Targetings. Wie kann Werbung wirkungsvoll bleiben, wenn die Präzision künftig abnimmt?

Stepke: Meiner Meinung nach haben wir Targeting manchmal übergenau betrieben. So haben wir Leute aus dem Blick verloren, die eigentlich noch in die Zielgruppe gehören. Ich glaube aber auch fest daran, dass uns die vorgenannten zukünftigen Methoden und Modelle sehr genaues Targeting ermöglichen werden.

Viele behaupten, dass das Schwinden der Cookies die Renaissance des Umfeld-Targetings und der semantischen Methoden wird. Die haben jedoch in einem Teil des Funnels, Mid und Upper, immer eine große Rolle gespielt.

ADZINE: Erstarken kontextuelle und semantische Lösungen demnach, oder nicht?

Stepke: Lass es mich so formulieren – diejenigen, die das Neue nicht im Griff haben, müssen stärker darauf zurückgreifen.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview!

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