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AFFILIATE MARKETING

Die vielen Gesichter des Affiliate Marketing

Anton Priebe, 23. Juni 2021
Bild: Arno Senoner – Unsplash

Das Affiliate Marketing wurde in der Vergangenheit bereits öfter totgesagt, doch hat sich diese Aussage immer wieder als grobe Fehleinschätzung erwiesen. Mit dem Schwund der Third-Party-Cookies kommt zwar eine neue Herausforderung auf die Disziplin zu, doch scheint die bereits gemeistert, wobei der E-Commerce-Boom gleichzeitig für das nötige Wachstum sorgt. Tobias Conrad, CCO und Co-Geschäftsführer bei Yieldkit, erklärt im Interview, welche Strömungen derzeit das globale Affiliate Marketing beherrschen und an welchen Stellen es noch hakt. Als Metaplattform für Publisher aggregiert das Adtech-Unternehmen über 72 Affiliate-Netzwerke weltweit und hat somit einen guten Einblick in die aktuellen Entwicklungen.

Tobias Conrad, Bild: Raimar von Wienskowski

ADZINE: Hallo Tobias, ihr seid als Startup für Affiliate Marketing gestartet. Nun sprecht ihr von “der Vernetzung von Content mit E-Commerce-Kampagnen”. Woher kommt dieser Wandel? Und warum vermeidet ihr den Begriff Affiliate Marketing?

Conrad: Die Antwort hat zwei Dimensionen. Einerseits sind wir als Unternehmen nicht mehr nur im Affiliate Marketing unterwegs. Dort hat sich sehr viel getan.

Das Entscheidendere sind aber die Marktentwicklungen wie zum Beispiel das Wachstum im E-Commerce. Die ersten Unternehmen – und zu denen zählen wir uns auch – sprechen schon nicht mehr von Affiliate Marketing, sondern von Partnership Economy. Denn wir vernetzen Publisher mit Advertisern. In diesem Zuge entwickeln sich auch gerade die Trends Commerce Content und Content Commerce.

ADZINE: Lass mich da kurz einhaken – Affiliate Marketing bedeutet für mich, dass ein Dritter Aufmerksamkeit für einen Händler schafft, und wenn ein Konsument dieses Produkt daraufhin kauft, bekommt der Dritte eine Provision. Das tut ihr immer noch, oder?

Conrad: Das ist unser Kerngeschäft, ja. In der Klaviatur der Abrechnungen ist dabei CPO das Risiko-freieste für den Advertiser und CPM das Risiko-freieste für den Publisher. Wir haben aber im Bereich Performance Marketing viel mit CPC zu tun. Das ist nicht mehr klassisches Affiliate Marketing. Am Ende bringen wir aber einen potenziellen Käufer über einen Publisher zu einem Advertiser, ja.

ADZINE: Kommen wir zu “Content Commerce” und “Commerce Content”. Was meint ihr damit?

Conrad: Die Begriffe sind bislang nicht eindeutig definiert und werden häufig vertauscht. Commerce Content ist vom Publisher produzierter Content über Produkte und Dienstleistungen, die monetarisierte Links zu diesen Angeboten enthalten. Also Content, der für Zwecke der Monetarisierung geschrieben wurde. Das sind zum Beispiel Ratgeber zu Produktkategorien. Content Commerce ist der Content, den Advertiser um ihre Produkte herum schreiben, um weitere Informationen und Mehrwerte zu liefern.

Schauen wir uns dazu eine verkürzte Customer Journey von jemandem an, der beschließt, E-Gitarre zu lernen und sich eine kaufen möchte. Als Erstes googelt er nach “E-Gitarre”. Da landet man relativ schnell bei Youtube und den Influencern. Den einen oder anderen Produkt-Tipp aus den Videos gibt man wieder bei Google ein und stößt auf Gitarrenseiten. Diese Websites, die Gitarren und ihre unterschiedlichen Stärken vergleichen und auf die einzelnen Gitarren in Onlineshops verlinken, sind Commerce Content. Sie sind vom Publisher getrieben, wobei das Redaktionsteam, Blogger oder Influencer auf Basis von Daten und eigenen Recherchen schreiben. Die Empfehlung zum Shop mit dem Link abzugeben – das ist technologisch dann Affiliate Marketing.

Folgst du einem der Links, wirst du feststellen, dass auch die Gitarrenshops oftmals über die Gitarren schreiben und zusätzlich etwa noch eine digitale Kaufberatung anbieten. Das ist der Content Commerce, der ist vom Advertiser getrieben.

ADZINE: Steht über dem Content “Sponsored” oder ähnliches?

Conrad: Der Redakteur wird nicht vom Hersteller bezahlt und berichtet neutral. Daher werden zwar die Links als Anzeige gekennzeichnet, aber nicht der Artikel selbst.

ADZINE: ...und ihr findet die Redakteure, die diese Artikel verfassen?

Conrad: Die Redakteure kommen nach wie vor vom Publisher. Wir bieten die Technologie, damit die Verlinkung auch tatsächlich monetarisierbar ist. Und wir finden bereits vorhandene Links im Content der Publisher und können sie automatisiert gegen diejenigen austauschen, die besser performen, ja. Die Redakteure können aber auch bei uns in der Datenbank direkt nach Affiliate Links für bestimmte Produkte suchen.

ADZINE: Ihr bietet in diesem Zusammenhang auch eine Targeting-Lösung an. Wie funktioniert die und wer nutzt sie?

Conrad: Dabei handelt es sich um eine kontextuelle Targeting-Lösung. Ein Javascript liest die Seite durch und sucht nach kaufrelevanten Keywords. In einem Artikel über Smartphones werden beispielsweise dann Smartphones unterstrichen und mit Kampagnen versehen.

ADZINE: Das Affiliate Marketing ist wohl einer der Branchenzweige, in denen es zurzeit am ehesten “brennt”. Der Abschied vom Third-Party-Cookie stellt viele Geschäftsmodelle auf die Probe. Inwiefern betrifft euch dieser Umbruch?

Conrad: Wir setzen nur einen First-Party-Cookie, der ist aber für Reichweitenzahlen und Geotargeting und kann vom Nutzer durch die Consent-Abfrage blockiert werden. Für die interne Zuordnung speichern wir zwar die IP-Adresse des Users, kürzen aber die letzten drei Zahlen, wodurch der Nutzer nicht identifizierbar ist.

Auf der Netzwerkseite, an die wir den User “übergeben”, haben wiederum alle ihre Hausaufgaben gemacht. Das Kauftracking funktioniert mittlerweile ohne Third-Party-Cookie. Die Herausforderung sehen wir auf Advertiser-Seite, welche die Tracking-Möglichkeiten der Netzwerke etablieren muss. Große Advertiser können das schon, aber hier und da gibt es kleinere Advertiser, bei denen die Netzwerke massiv nachsteuern müssen, damit sie die Technologien der Netzwerke implementieren.

ADZINE: Wie muss sich das Affiliate Marketing weiterentwickeln, damit es zukunftsfähig bleibt?

Conrad: Der Anteil vom Affiliate Marketing im Marketingmix ist angestiegen und liegt jetzt auf Augenhöhe mit SEA. Nicht zuletzt wegen der Pandemie und dem damit verbundenen E-Commerce-Boom. Es ist also nicht so sehr im Hintertreffen, wie oftmals betont wurde.

Der Publisher muss bei Affiliate Marketing Vertrauen haben, dass der Advertiser für die Werbeleistung bezahlt. Der Advertiser hingegen will durch das Tracking lediglich eine klar zuzuordnende Attribution nach seinen eingesetzten Marketingkanälen etablieren.

Außerdem fehlt es an Konsolidierung. Die letzte große Geschichte im Affiliate Marketing war die Fusion von Affilinet und Zanox zu Awin. Seitdem ist fast nichts passiert. Es gibt einfach nicht die drei globalen Top-Player wie in anderen Marketingzweigen. Dabei wäre das ein guter Weg, um weiter zu professionalisieren.

ADZINE: Konsolidierung kann aber auch Probleme mit sich bringen. Wieso glaubst du, dass sie helfen könnte?

Conrad: Wir sind in einer globalen Welt, doch das Affiliate Marketing noch nicht. Jeder hat Zugriff auf den Content weltweit. Wenn nun aber der Wirecutter in den USA ein Produkt empfiehlt, warum kann der nicht eine Kampagne aus Deutschland verknüpfen? Es fehlt einfach an der Konsolidierung. Daher wird ein amerikanisches Netzwerk mit einem amerikanischen Shop verlinkt, anstatt dem deutschen Nutzer anhand der IP-Adresse eine deutsche Kampagne auszuspielen.

ADZINE: Alles klar, dank dir für das Interview, Tobias!

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