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PROGRAMMATIC - Interview mit Bülent Cakir, Klaro Media

“Programmatic braucht mehr Ergebnisverantwortung durch alle Beteiligten!”

Anton Priebe, 2. Juni 2020
Bild: Andrew Neel – Unsplash

Im Programmatic-Advertising-Kosmos wimmelt es von spezialisierten Marktteilnehmern, die das System nicht nur für Einsteiger, sondern auch für Werbeprofis extrem kompliziert erscheinen lassen. Bülent Cakir, Gründer der Programmatic-Agentur Klaro Media, ist der Meinung, dass grundsätzlich viel mehr Aufklärungsbedarf auf allen Seiten besteht, um das Potential von programmatischer Werbung voll ausschöpfen zu können.

ADZINE: Hallo Bülent, du bist Co-Gründer und Geschäftsführer von Klaro Media, was macht dein Unternehmen?

Bild: Klaro Media Bülent Cakir, Klaro Media

Cakir: Wir sind eine Mediaagentur mit Spezialisierung auf digitale und programmatische Werbung und haben es uns zur Aufgabe gemacht, Programmatic einfach zu erklären, damit es jeder verstehen kann. Und natürlich erfolgreich anzuwenden.

ADZINE: Was verstehst du unter ‘Programmatic’ und warum hat sich deine Firma gerade darauf spezialisiert?

Cakir: Grundsätzlich ist programmatische Werbung die automatisierte, regelbasierte Belegung von digitalen Werbeflächen. Christian Ratsch und ich sind mit Programmatic groß geworden. Bis vor kurzem hieß unsere Agentur Ecomcon, das stand anfangs für E-Commerce-Consulting und war auf Echtzeit Marketing für den Online-Handel ausgerichtet. Der Anspruch bei der Gründung war Real Time Advertising für Online-Shops zu betreiben und diese zu beraten. Dann haben wir unser Geschäftsmodell stetig angepasst und erweitert. Irgendwann haben wir selbst gemerkt, dass in dem Dschungel aus Buzzwords und technischen Begriffen keiner mehr durchblicken kann. Unsere Kunden haben uns dann das Feedback gegeben, dass wir es einerseits schaffen, die Thematik griffig zu erklären, und die Disziplin andererseits auch erfolgreich anwenden.

ADZINE: Welches sind für dich die wichtigen Errungenschaften für Werbungtreibende durch die Digitalisierung und insbesondere Programmatic Advertising der letzten Jahre?

Cakir: Ich würde ich an erster Stelle einerseits die Möglichkeit der recht genauen Zielgruppenansprache betonen. ‘Recht genau’ auch deswegen, da man hundertprozentiges Targeting nicht garantieren kann, aber sich dem eben nähert, sofern man nach bestem Wissen, Gewissen und technischen Möglichkeiten vorgeht. Darüber hinaus ist es sicher auch die Messbarkeit des Werbedrucks und -erfolgs, die deutlich über Hochrechnungen hinausgeht, wie man es bisher kennt.

ADZINE: Welchen Effekt hat die aktuelle Corona-Krise auf den Programmatic-Media-Markt?

Cakir: Das kommt darauf an. Natürlich hat es einen spürbar negativen Einfluss auf Kampagnen und Mediabuchungen, wenn man wirtschaftlich stark betroffene Branchen wie Tourismus, Eventmanagement oder Fitness-Studios betrachtet. Auch wir sind hiervon betroffen. Aber wir partizipieren aktuell ebenfalls bei der Entwicklung neuer Marketinglösungen für Produkte und Branchen, die durch die Corona-Krise einen Aufwind erfahren. Und bringen sehr viele Ideen mit ein für Unternehmen, die nach neuen Marketing- und Vertriebslösungen oder auch nach neuen Möglichkeiten der Kommunikation suchen, um Botschaften flexibler, tagesaktuell oder themenspezifisch anzupassen. Außerdem werden Entscheidungen teilweise schneller getroffen, weil man sich – auch wenn das vorher schon möglich gewesen wäre – öfter und kurzfristiger auf Zoom, Skype, Teams & Co. austauscht. Das passt sehr gut zu den schnellen Reaktionsmöglichkeiten, die Programmatic bietet.

ADZINE: Siehst du hier auch Chancen, die sich für den Mediaeinkauf ergeben, eventuell durch schnelleres Reagieren auf neue Rahmenbedingungen?

Cakir: Absolut. Wir arbeiten bereits mit Kampagnen, bei denen wir die Werbebotschaften auf Ereignisse in Sport und prominenten TV-Formaten fast in Echtzeit anpassen. Das kann man auch anders gestalten, indem man auf Themen und Nachrichten eingeht, die die Gesellschaft bewegen. Der Markt ist derzeit sehr volatil und es ist fast undenkbar heute eine Jahreskampagne zu planen, die in sechs oder zwölf Monaten noch aktuell ist. Der Bedarf an agiler Kommunikations- und Kampagnengestaltung ist daher so hoch wie nie – und Programmatic kann das mit den richtigen Werbetechnologien bedienen, sofern die hierfür notwendigen Prozesse und Tools etabliert werden.

ADZINE: Abseits von Corona – welche grundsätzlichen Probleme siehst du in der Programmatic-Welt?

Cakir: Es gibt eine ganze Reihe an Problemen, die sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette durchziehen. Das beginnt auf Kundenseite, die nach wie vor oft Kreation und Media völlig separat voneinander pitchen lässt und beauftragt. Das geht hin zu Werbe- und Kreativagenturen, die teilweise wenig ob der Möglichkeiten von Programmatic und Media wissen und letztendlich wunderbare Kreationen und Bilderwelten in kleinste Formate verpacken müssen – und auch nicht erfahren, ob und was warum funktioniert hat, oder auch nicht. Und das geht hin zu Mediaagenturen, die Erwartungen falsch managen, Kampagnen nicht intelligent genug aufsetzen und auf falsche KPIs optimieren, geschweige denn tiefgreifendes Verständnis schaffen, das wiederum beispielsweise durch passende Kreation in die laufende Mediaplanung einfließen kann.

Jeder, aber auch jeder, der hier einen Beitrag zur Kampagne leistet oder leisten kann, muss mehr Ergebnisverantwortung dafür übernehmen, dass man betont gemeinsam eine erfolgreiche Kampagne meistert, ohne sich im Silo zu bedecken oder zu verstecken.

ADZINE: Wie konnte es zu dieser verzerrten Situation kommen? Und was kann man dagegen tun?

Cakir: Die klassische Mediawelt hat sicher dazu beigetragen, dass wir da sind, wo wir sind. Echtzeitplanung und Gestaltung von Kampagnen war bislang aufgrund fehlender Möglichkeiten ja kaum möglich.

Aber aktuell geht es. Und wir schalten gemeinsam diese Werbung und sitzen somit alle im selben Boot. Warum arbeiten wir nicht noch viel enger zusammen? Daher ist es wichtig, dass wir künftig agiler denken und kollaborativ an Kampagnen als gemeinsames Projekt arbeiten, mit allen Beteiligten an einem Tisch. Dort beginnt dann die umfassende und ehrliche Beratung des Kunden, wo man genaues Verständnis schafft, was man hier eigentlich vor hat und was das Ergebnis sein soll – und auch sein kann.

Anhand dessen können Zielgruppen, Nutzungssituationen, Customer Journeys definiert und entlang der Formate, Daten und Möglichkeiten des datengetriebenen Marketings abgestimmt geplant werden und alles in die Umsetzung gehen. Mit einer Kampagne, die für den ersten Tag idealtypisch geplant ist, abgestimmt zwischen Kunde, Kreation und Media.

Programmatic ist kein neuer, eigenständiger Kanal, sondern endlich die Möglichkeit, das digitale Marketing zu verbessern. Und zwar abgestimmt mit allen Beteiligten und sehr flexiblen Möglichkeiten der dauerhaften Gestaltung und Optimierung. Eine Kampagne darf nicht mehr nur eine Kampagne sein, sondern ein gemeinsames Produkt zwischen Kunde, Kreation und Media. Kampagnen müssen gemeinsam, agiler und ehrlicher gestaltet werden.

ADZINE: Welches sind momentan die bestfunktionierenden Programmatic-Kanäle?

Cakir: Ich würde hier genauso wenig eine Präferenz aussprechen, wie ich auch Silos wie Facebook, Adwords und Amazon abwerten würde. Jeder Kanal hat seine Existenzberechtigung und jeder Kanal trägt zu den Ergebnissen des Kunden bei. Natürlich haben wir enorme Fortschritte gemacht, was Reichweite und Qualität in Online-Formaten wie Native und Video, aber auch anderen programmatischen Gattungen wie Digital Audio, Digital OOH und ATV beziehungsweise CTV angeht. Richtig angewandt, kann Programmatic sicher die klaffende Lücke zwischen teuren, klassischen Branding-Kanälen wie TV und performanten, aber sehr kompetitiven Kanälen wie Search und Social schließen. Welche der Gattungen und Kanäle man hier aber wie anwendet, hängt von den Zielen des Kunden ab – und von den Ergebnissen, die man hier jeweils erzielt. Schön ist aber die Tatsache, dass man mit Programmatic sehr flexibel ist und auch mit kleinen Schritten im Marketing-Mix lernend und agil ein idealtypisches Setup im Laufe der Zeit aufbauen kann.

ADZINE: Wie schätzt du das Potential der “New Kids on the Block” TV, DOOH und Programmatic Audio ein?

Cakir: Out-of-Home hat in den letzten ein, zwei Jahren eine unfassbare Renaissance erlebt. Die digitalen Werbeflächen schießen momentan geradezu aus dem Boden. Es gab aufgrund von Corona einen Dämpfer, aber mittel- und langfristig sehen wir hier enormes Potential. Das funktioniert wunderbar, ebenso wie TV und Audio. Zwar fehlt noch die Reichweite im Vergleich zu den klassischen Medien, aber das entwickelt sich rasant weiter. Komplementär bieten sie ein super Potenzial, um Zielgruppen nicht nur online vor dem Bildschirm, sondern auch im Alltag messbar zu erreichen – und das auch noch kreativ!

Deren Siegeszug wird anhalten und in ein paar Jahren ist Programmatic auch dort Normalität für die Mediaschaltung. Nicht dass die klassischen Medien aussterben werden, ganz im Gegenteil. Aber die programmatische Schaltung der zumindest digitalen Kanäle wird zum neuen Normal werden. Was sonst sehr mühsam war in Planung, Setup, Reporting und Abrechnung, wird programmatisch beschleunigt und vereinfacht. Einhergehend mit besserer Steuerbarkeit und Optimierung. Kombiniert mit flexibler Gestaltung der Kreation, passend auf die jeweilige Nutzungssituation. Das macht dann einfach nur Spaß, auch für den Konsumenten, der sich viel mehr angesprochen und abgeholt fühlt – daher wird Werbung in Richtung Programmatic im Sauseschritt weiterlaufen!

ADZINE: Bülent, danke für das Interview!

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