Seit letztem Freitag, dem 25. Mai, ist das neue europäische Datenschutzrecht verbindlich wirksam. Die DSGVO/GDPR hat im Vorfeld für eine gehörige Unruhe gesorgt, mittendrin Programmatic-Marktführer Google und seine Ankündigung, den Handel mit allen Kampagnen auszusetzen, deren Werbemittel mit Third-Party-Tracking-Pixel versehen sind, ohne dass dafür eine Einwilligung (Consent) auf Publisherseite vorliegt. Die Folgen waren europaweit spürbar.
Das britische Branchenblatt Digiday sprach vom „GDPR Mayhem“ (zu Deutsch: Chaos/Gemetzel) und schätzte, dass in Europa gleich mit Stichtag, dem 25. Mai, das Handelsvolumen um etwa 20 bis 40% zurückgegangen sei. Besonders in Frankreich hinterließ die DSGVO eine Spur der Verwüstung. Verlage wie Aufeminin, Mondadori oder Melty meldeten laut dem französischen Marketingmagazin Journaldunet (JDN) einen Rückgang von 50%.
In Frankreich wurde die Werbebranche besonders kalt erwischt. Offenbar ein Kommunikationsproblem mit dem Branchenführer. Google habe laut JDN erst sehr kurzfristig verkündet, dass die eigene Einkaufsplattform DBM (DoubleClick Bid Manager) die Integration von Drittanbieter-Pixeln in Anzeigen-Creatives verbietet, wenn es Inventar von 3d-Party-Exchanges (Inventarquellen außerhalb des Google-Universums) kauft. Infolgedessen lehnte Google die Mehrheit der Gebotsanfragen ab, die ihr von den Vermarkter-SSPs wie AppNexus, Smart+, Improve Digital, Teads und Sublime Skinz zugesandt wurden, weil es an einer Einwilligung der User mangelte. Die Folge: Viele Werbemittel mit Tracking-Pixeln fanden keine Abnehmer.
Und Deutschland? „Es gab kurzfristig durchaus erhebliche Fluktuationen und Veränderungen in der Nachfragesituation bei Publishern. Wir standen aber im ständigen Kontakt mit Google, sodass wir schnell und schon am Wochenende eine Lösung gefunden haben, die gut funktioniert. Wichtig ist aber, dass die eigentliche Arbeit erst jetzt angefangen hat“, berichtet Marius Rausch, VP & Managing Director Central Europe von der Programmatic-Werbeplattform AppNexus.
Die Arbeit bedeutet hier, Google davon zu überzeugen, möglichst schnell das IAB Framework in die eigenen Ad-Plattformen (Ad Exchange, DBM) zu implementieren. Das IAB Framework wurde erst vor knapp einem Monat finalisiert und für den Bereich Mobile gibt es noch keine Guidelines. Ein Problem für Google. Trotzdem hatte Google letzte Woche bekannt gegeben, das bis zum August die Integration des Frameworks vollzogen sein soll. „In der Zwischenzeit werden wir Anfang Juni eine Zwischenlösung für die personalisierte Anzeigenschaltung für Publisher bereitstellen, die das IAB Framework verwenden“, sagt eine Google-Sprecherin gegenüber ADZINE.
„Wir begrüßen, dass Google sich dazu entschlossen hat, in Zukunft das IAB Europe T&C Framework einzusetzen, um den technischen Umgang mit der DSGVO für alle Markteilnehmer zu standardisieren. Die Umsetzung und Weiterentwicklung dieses technischen Rahmens bedeutet weiterhin viel Arbeit und bedarf nach wie vor unserer vollen Aufmerksamkeit“, sagt AppNexus-Mann Rausch, der allerdings die schleppende Informationspolitik von Google kritisiert. Viele Fragen wurden vonseiten Googles nicht beantwortet. Fragen wie etwa: „Welche Inventare werden für welche Einkäufer weiterhin zur Verfügung stehen? Welche Form der Einwilligung muss wer wie vorhalten? Wie können entsprechende Informationen DSGVO-konform zwischen Adtech-Systemen ausgetauscht werden? Gelten die gleichen Regeln sowohl für den Mediaeinkauf als auch für die Verkaufsseite? Solche Fragen wurden erstens sehr spät und zweitens nicht eindeutig beantwortet“, berichtet Rausch.
Für ihn ist ein gemeinsamer und standardisierter Umgang über alle Marktteilnehmer hinweg unerlässlich. „Gab es im Vorfeld vielleicht noch den einen oder anderen Zweifler am IAB T&C Framework, so ist sich der Markt inzwischen weitestgehend einig. Nur gemeinsam können wir als Branche die Herausforderungen, welche die DSGVO für uns alle bringt, positiv gestalten – und auch die Chancen eines besseren Ökosystems realisieren, die sich daraus ergeben.“
Und auch für die Zukunft wartet noch sehr viel Arbeit, um ein wirkliches „Mayhem“ zu vermeiden. „Während wir alle aktuell auf die Effekte des 25. Mai schauen, steht mit der ePrivacy-Verordnung schon die nächste Herausforderung bevor. Ich habe das Gefühl, dass sich alle Marktteilnehmer einig sind, dass wir weiter mit Hochdruck an den Prozessen und Systemen arbeiten müssen. Keiner möchte dieselbe Aufregung wie um den 25. Mai wiederholen, wenn ePrivacy in die Zielgerade läuft“, so Rausch.
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