Mit knapp 350 Teilnehmern, die sich zwei Tage lang mit Mobile Advertising und Marketing beschäftigten, erfüllte der Mobile Advertising Summit die Erwartungen. Es wurde deutlich weniger über Innovationen fabuliert, als über Optimierungsmöglichkeiten und -bedarf gesprochen.
Auf gleich zwei durchgreifende Änderungen mussten sich die Besucher des diesjährigen Mobile Advertising Summit einstellen. Erstmals wurde am Tag vor der Konferenz ein Training Day ausgerichtet und ebenfalls zum ersten Mal öffnete sich das Format stärker in Richtung Marketing. „Seit Jahren predigen wir das Aufbrechen der Silos. Advertising und Marketing dürfen da keine Ausnahme machen“, erläuterte Veranstalter Arne Schulze-Geißler die Entwicklung.
Beide Innovationen taten der Veranstaltung gut. Der Trainingstag war so gut besucht, dass die letzten Vorträge in die Lobby der Kulturbrauerei verlegt wurden, um möglichst vielen Teilnehmern den Zugang zu ermöglichen. Die Workshopleiter und -teilnehmer zeigten sich allesamt angetan von der ruhigen, konzentrierten Atmosphäre am Tag vor dem wesentlich turbulenteren Konferenzformat.
Inkrementelle Evolution
Dass Marketing und Advertising Hand in Hand gehen müssen, ließ sich am besten bei McDonald‘s beobachten. Sechs Wochen vor dem Event hatte Digital-Chef Nicolas von Sobbe im Interview noch die Targeting-Strategie erläutert. Zum MAS 2018 präsentierte er dann die neue McDonald‘s-App, die nicht nur als Marketingtool fungiert, sondern mittelfristig auch als Vertriebsinstrument. Ab Sommer kann der geneigte Burgerkunde direkt in der App bestellen.
Und ohne Mediageld geht es auch bei der Einführung einer solchen App nicht. Soeben war die Launchkampagne zu Ende gegangen. Display- und Performance-Advertising zeigten vor Ostern im Wesentlichen auf die App. Zudem bedient man sich in München der bewährten Gutscheinstrategie, um den Download zu bewerben.
Unternehmen tun gut daran, die Entwicklung der eigenen CRM-Basis mit Marketinggeld zu fördern. Heike Langner von der GFK zeigte eindrucksvoll, aber wenig überraschend, dass der Anteil der Apps an der mobilen Nutzungszeit der User weiter zunimmt. Gleichzeitig eröffnet die App – ausgestattet mit entsprechendem Mehrwert – eben das Einholen der so wichtigen Einwilligungserklärungen für Marketing und Targeting.
Denn klassisches Advertising wird schwieriger. Marius Wolf, Head of Business Development bei Affilinet, beschrieb zwar die enorme Kraft, die im Affiliate-Marketing nach wie vor steckt. Er kritisierte aber auch, dass die Performance-Messung nach wie vor nicht transparent genug funktioniert, und nahm dabei vor allem die Advertiser in die Pflicht. Wenn keine fairen Vergütungsszenarien gefunden werden, beraubt man sich dieses wirkungsvollen Kanals, der vom Nutzer weitgehend organisch akzeptiert wird.
Jan Gräwen, Geschäftsführer von Yoc, spielte den Ball in Richtung Publisher. Zwar wäre die Coalition for Better Ads grundsätzlich ein begrüßenswerter Ansatz, doch die Frage ist, ob Google der Richter über gute und schlechte Werbung sein sollte. Die Publisher sollten keinesfalls vorschnell Kampagnen beenden, so lange Better Ads nicht zum echten Branchenstandard mit universeller Akzeptanz geworden ist.
Dustin Puschmann von Smartclip sieht für den Videomarkt ebenfalls Nachbesserungsbedarf. Zwar ist die Videowirkung erwiesenermaßen hoch, doch fehlt es bei Kampagnen oft an der Optimierung im Detail. Explizit nannte Puschmann Instagram als Vorbild: „Denen muss man ein Kompliment machen. Da kann man viel lernen.“
Mehr Energie für besseren Content
Die Demarkationslinie zwischen Marketing und Advertising liegt oft im Bereich „Skalierung“. Die volle Effizienz erreicht nur, wer klug plant. Daniela Blankenstein, Head of Strategy bei Wavemaker, analysierte eine Reihe von Videokampagnen. Das Beispiel Lufthansa mit „Livechangingplaces“ zeigt aus ihrer Sicht, dass Klassik, Display und Social wunderbar Hand in Hand gehen können, wenn die Idee dahinter stimmt. Und dann entstehen auch Synergien.
Native Advertising war auch der Ansatz von Seat. In der Case Study, die von Janine Kühnrich von Media Impact gezeigt wurde, steckte für viele Teilnehmer auch ein echter Aha-Effekt. Seat nutzt die News-App Upday, die auf Samsung-Smartphones vorinstalliert ist und laut IVW mit über einer halben Milliarde Visits im Monat Marktführer ist, noch vor Bild.de. „Dennoch kennen das in der Werbebranche wenige“, so Kühnrich, „denn da nutzen alle iPhones.“
Technologie im Detail
Im Gegensatz zu früheren Jahren hielten sich die Vorträge, die sich technischen Innovationen widmeten, in überschaubaren Grenzen. Das ist verständlich, denn aktuell sind einige Advertiser vorsichtig mit Targeting-Experimenten, da sie nicht wissen, was der Datenschutz dazu sagen wird. Michael Neuber, Chef-Justiziar des BVDW, blickte in seinem Vortrag bereits auf ePrivacy und hatte keine guten Nachrichten für die Branche: „In der aktuellen Vorlage des Europarats ist vorgesehen, dass ortsbasiertes Targeting grundsätzlich nur mit expliziter Einwilligung möglich ist.“ In einer Pressemitteilung zeichnet der BVDW ein Horrorszenario mit bis zu 30 Prozent Umsatzverlust im Advertising.
Die Hamburger Agentur Jom nutzte letztes Jahr noch Location-Daten und präsentierte eine kleine Fallstudie mit einem spannenden Ansatz. Für den Sportartikelhändler Stadium realisierte man eine Kampagne, um die Menschen in den Laden zu locken. Durch das Tracking der Ad-IDs und entsprechende Hochrechnung auf die Grundgesamtheit konnte die Agentur ihrem Kunden zeigen, wie viele Nutzer, die die Werbung gesehen hatten, auch wirklich da waren.
Ein ganz neues Content-Format präsentierte BMW. Als Alpha-Tester für Snapchat hat man ein Format für Augmented Reality entwickelt. Damit kann direkt in der App ein Objekt vor dem Kamerabild platziert und daraus ein Snap gemacht werden. BMW bekam so von den Usern Bildcollagen, die den X2 weltweit an allen möglichen Locations zeigte, obwohl das Auto noch gar nicht zu haben war. Für Hersteller hochwertiger Konsumgüter entsteht hier zweifellos ein sehr aufmerksamkeitsstarkes Format, doch wird man sich darauf einstellen müssen, dafür 3D-Daten der Produkte zu beschaffen.
Augmented Reality ist auch für Philip Wogart die „low hanging fruit“. Als spannendes Beispiel verwies er auf den iVisualizer von BMW, ein Autokonfigurator in VR. Der Chapter President Hamburg der VR/AR Association hält aber an der These fest, dass Virtual Reality auf Dauer den größeren Hebel hat. Als Voraussetzung dafür nennt er das Erscheinen von VR-Brillen, die ohne zusätzlichen Rechner funktionieren.
Zum Schluss des Events stand einmal mehr Google im Fokus. Dominik Wöber hielt ein Plädoyer für Progressive Web Apps, dynamische Anwendungen, die zum Beispiel auch das Offline-Arbeiten ermöglichen. Auch er erwähnte BMW als vorbildlich. Und Tobias Hartmann von Dave42 wagte einen Ausblick in die Zukunft des Marketings im Sprachzeitalter. Die Entwicklungskurve ist exponentiell, weil so viele Geräte schon auf Alexa oder den Google Assistant zugreifen. Hartmann wünscht sich von der Industrie, dass man strategische Kooperationen eingeht, um den Nutzern den entsprechenden Mehrwert zu liefern.
Fazit
Insgesamt erzeugte der Mobile Advertising Summit ein rundes Bild der Vermarktungsmöglichkeiten. Dass die Werbeausgaben den Nutzungsanteilen noch weit hinterherhinken, hat seinen Ursprung in allerhand Reibungsverlusten in der Industrie, aber auch in der Tatsache, dass das Smartphone ein sehr persönliches Device ist. Christian von den Brincken von Ströer Media brachte es auf den Punkt: „Wir können technisch einiges realisieren, aber man muss die Frage stellen, ob das im Vergleich zum Aufwand noch etwas bringt.“
Push-Nachrichten, so das Ströer-Credo, nerven die Nutzer mehr, als dass sie etwas bringen. Zumindest dann, wenn sie ohne vorherige explizite Einwilligung ausgespielt werden. Aber das hat sich bis zum MAS 19 sowieso erledigt.
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