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Single-Sign-on-Allianzen: „Wir wollen keinen VHS-Beta-Streit“

Jens von Rauchhaupt, 28. September 2017

Lange wunderte man sich, warum deutsche Verlage und Medienhäuser sich nicht effektiver zusammenschließen, um Facebook und Google besser die Stirn zu bieten. Nun hat die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die Medienhäuser zum Handeln bewogen. Zwei deutsche Login-Allianzen stehen jetzt in den Startlöchern. Die Allianz um Axel Springer hat sich mit Verimi schon einen Namen und eine Gesellschaftsform gegeben. Und wie ist der Stand der Dinge bei dem Single-Sign-on-Bündnis von United Internet Media, RTL und ProSiebenSat.1? Jan Oetjen, Geschäftsführer der United-Internet-Marken GMX und WEB.DE, gab im ADZINE-Gespräch dazu Auskunft.

Zum Startzeitpunkt

Jan Oetjen

Anfang des Jahres werden United Internet, die Mediengruppe RTL und ProSiebenSat.1 die gemeinsame Single-Sign-on-Allianz starten. Das ist bekannt. Der genaue Zeitpunkt steht indes noch nicht fest. „Es gewinnt ja nicht derjenige, der als erster am Markt ist, sondern der im richtigen Moment am Markt ist“, sagt Jan Oetjen, Geschäftsführer der United-Internet-Marken GMX und WEB.DE. Oetjen weiter: „Wir müssen ja auch auf die Formulierung der E-Privacy-Richtlinie warten, sonst müssten wir das System zwei Mal bauen. Da aber ab dem 25. Mai 2018 die neue DSGVO in Kraft tritt, gilt es jetzt für uns, innerhalb dieses Zeitkorridors den Launch zu timen.“

Zur Gesellschaftsform

Einen großen Unterschied zur Verimi-Allianz sieht Oetjen in der Gesellschaftsform der eigenen Single-Sign-on-Allianz. „Wir gründen derzeit eine Stiftung, die die Standards überwacht und weiterentwickeln soll. Jede Firma hält seine eigenen Daten vor. Die Nutzerdaten werden nicht vermischt. Genauso wie es in der neuen DSGVO vorgesehen ist. Jeder Nutzer gibt der einzelnen Firma ein Opt-in oder entzieht diesen. Die Stiftung gibt nur den konzeptionellen Rahmen vor, damit sich die Nutzer mit einem Login über die unterschiedlichen Plattformen bewegen können.“

Gemeinsamer Tech-Stack

Oetjen spricht von einem föderalen Ansatz bei der Wahl der Tech-Plattformen. „Wir starten mit einem Tech-Stack, der funktioniert. Die teilnehmenden Unternehmen können diesen Stack nutzen oder eigene Technologien anschließen, solange sie die vorgegebenen Standards einhalten und von der Stiftung akkreditiert wurden. Das steht ihnen frei. Wir wollen keine einzelnen Technologien durchdrücken, gerade im Bereich Data-Management-Plattformen macht das überhaupt keinen Sinn, weil am Markt mit sehr unterschiedlichen Lösungen gearbeitet wird. Das ist ein absolut föderaler Ansatz“, sagt Oetjen.

Datenschutz als Chance

Oetjen macht weniger andere Allianzen als vor allem Facebook und Google als klare Wettbewerber aus, die schon jetzt einen Großteil der digitalen Nutzung und damit verbunden der Werbeeinnahmen generieren. „Als Anbieter im freien Internet müssen wir gemeinsame Lösungen finden, damit diese beiden Säulen nicht bald 60 bis 70% der Werbeeinnahmen auf sich vereinigen. Der Freiraum wird für uns sonst zunehmend kleiner werden. Den Usern ist es egal oder sie merken gar nicht, ob sie sich in einem geschlossenen Ökosystem bewegen oder nicht. Diesen geht es um eine komfortable Nutzung, gute Inhalte und passende Werbung. Eine Plattform, die im Lichte der DSGVO eine User Experience über alle Angebote bewerkstelligt, wird sich auch am Ende durchsetzen. Durch die Neuordnung des Datenschutzes und der DSGVO haben wir die Chance, eine solche industrieübergreifende Plattform aufzubauen. Wir werden das über Login-Daten bewerkstelligen, denn ich glaube, die Cookies werden aufgrund der EU-Privacy-Richtlinie noch einmal dramatisch an Bedeutung verlieren.“

Zum Umgang mit Verimi

Die Frage bleibt, inwiefern es sinnvoll ist, dass sich gleich zwei Allianzen in Deutschland etablieren wollen. Gibt es gar im Hintergrund Absprachen mit der Axel-Springer-Allianz Verimi, um so gegebenenfalls kartellrechtliche Einwendungen zu umgehen? Oetjen dazu: „Wir wollen einen Standard schaffen, bei dem möglichst viele mitmachen. Wir sind für alle offen. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn alle an einem Strang ziehen, aber wie das im Leben so ist, laufen manchmal zwei mit demselben Gedanken unabhängig voneinander los. Der Gesellschafterkreis von Verimi ist allerdings ein völlig anderer, hier geht es auch um Banken und Versicherungen. Technisch harmonisieren beide Allianzen und könnten durchaus kompatibel sein. Das muss das Ziel von beiden Initiativen sein. Ein VHS-Beta-Streit hilft hier keinem!“ Ob irgendwann eine gemeinsame deutsche Single-Sign-on-Allianz vorstellbar ist, beantwortet Oetjen: „Man sollte die Hoffnung nicht aufgeben, unser Ziel ist es, eine übergreifende Lösung für Nutzer und Industrie zu schaffen.“

Technisch harmonisieren beide Allianzen und könnten durchaus kompatibel sein. Das muss das Ziel von beiden Initiativen sein. Ein VHS-Beta-Streit hilft hier keinem!

(Jan Oetjen, Geschäftsführer der United-Internet-Marken GMX und WEB.DE)

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