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Talent, Internet, YouTube – Der kometenhafte Aufstieg von Cro

Jens von Rauchhaupt, 26. April 2012

Ein 20-jähriger Musiker mit dem Künstlernamen Cro ist bisher der heißeste Newcomer des Jahres 2012. Ein wichtiger Bestandteil seines Erfolges ist sicherlich der Clip zu seinem Hit „Easy“, der inzwischen über 12 Millionen Videoabrufe auf YouTube generiert hat. Wir hatten die Gelegenheit mit Sebastian Andrej Schweizer vom Cro-Plattenlabel Chimperator und mit dem Hamburger Musikpromoter Matthias Bischoff von ADD ON MUSIC über Online-Promotion im Musikbusiness, die GEMA und das Phänomen Cro zu sprechen.

Adzine: Sebastian, Newcomer Cro ist seit vier Wochen in den Top 5 der iTunes-Charts, was ist für euch als dahinterstehendes Plattenlabel Chimperator eigentlich entscheidender für den Erfolg, die iTunes Charts oder die Zahlen von MediaControl?

Sebastian Andrej Schweizer: Für das eigene Gefühl und als Argument, beispielsweise für den Handel oder die Presse, sind beide schön. Entscheidend für den Erfolg im Sinne von „hat es sich finanziell gelohnt“ sind am Ende natürlich die Verkaufszahlen und die spiegeln sich nicht unbedingt in den iTunes Charts oder der Chart-Platzierung wider, weil das eben immer im Verhältnis zu den in der gleichen Woche veröffentlichten Releases zu sehen ist. Das heißt: In der einen Woche kann man mit 8.000 Einheiten Top Ten gehen, in der nächsten Woche verkauft man 15.000, schafft aber trotzdem nur Top 20.

Adzine: Das Video zum Cro-Titel „Easy“ scheint ein wichtiger Faktor für den Erfolg von Cro zu sein. Inzwischen hat der Clip über 12 Millionen Abrufe generiert. War die Produktion des Clips ein großes finanzielles Wagnis, schließlich hätte ja alles auch floppen können?

Schweizer: Nein, das war finanziell sehr überschaubar. Wir haben mit Harris Hodovic und seinem Team von „Codeacht“ gedreht. Die sind uns sehr entgegengekommen und wir und allen voran auch Cro selbst haben uns mit eingebracht. Die Maske hat eine Freundin von Harris gemacht. Der Cast kam aus dem Freundeskreis. So etwas geht natürlich nicht immer, aber man kann inzwischen mit relativ kleinem Budget und einer guten Idee wirklich schöne Videos machen. Vor allem was den Look angeht, ist die Technik da inzwischen sehr weit.

Adzine: Das musst du uns Marketing-Leuten mal erklären: Das Video ist erst seit Ende November bei YouTube online, wie erzielt man da innerhalb dieser vier Monate bis heute 12, 4 Mio. Abrufe? Welche „Tricks“ gibt es da, um einen bis dato völlig unbekannten Künstler so erfolgreich zu puschen?

Sebastian Andrej Schweizer

Schweizer: Einen wirklichen Trick gibt es da leider nicht. Ich denke, da haben viele Faktoren zusammengespielt. Zu allererst ist Cro und seine Musik einfach gut. Da müssen wir uns gar nicht so sehr auf die eigene Schulter klopfen. Er hat ein unglaubliches Talent und war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dazu machen wir als Firma das Ganze schon eine Weile. Wir haben Chimperator 1999 gegründet und damals das erste Tape rausgebracht. Von außen sieht das – wenn man uns noch nicht kennt – so aus, als kommt das plötzlich aus dem nichts, aber wir haben eben in vielen kleinen Schritten ein Netzwerk und Strukturen aufgebaut, die uns so etwas jetzt auch ermöglichen. Auch musikalisch haben wir – denke ich – dazu beigetragen, dass die Leute jetzt für jemanden wie „Cro“ bereit sind. Wir haben 2008, quasi zum absoluten Peak von „Street-Rap“, das erste Orsons-Album herausgebracht. Das war Dada, Pop, Quatsch und vor allem viel Spaß und „Rap nicht zu ernst nehmen.“ Erst danach waren Casper, Marteria oder eben Cro auch möglich.

Bei dem „Easy“-Video im Speziellen haben vor allem zu Beginn die Blogs eine sehr große Rolle gespielt. Viele Hip-Hop-Blogs, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten, aber auch die großen wie Whudat.de, testspiel.de und allen voran hypetrak.com haben das Video geposted und wir haben darüber enormen Schub auf das Video bekommen. Darüber sind wir dann auf der YouTube-Startseite gelandet, wodurch wieder neue Leute auf das Video aufmerksam geworden sind. Dann haben die ersten Radios angefragt und den Song gespielt und damit noch mal eine komplett neue Zielgruppe angesprochen, die das Video dann im Netz gesucht hat.

Adzine: Welche Rolle spielt für euch generell das Web, um einen Künstler und seine Tracks bekannt zu machen, ist es euer zentraler Kommunikationskanal an die Zielgruppe?

Schweizer: Ja, auf jeden Fall. Das Netz spielt für uns eine sehr große Rolle. Ohne das Internet gäbe es Chimperator wahrscheinlich gar nicht mehr. Wir haben schon sehr früh damit angefangen, EPs oder Alben unserer Künstler umsonst ins Netz zu stellen, sie aber trotzdem auf der Promotionseite wie eine reguläre Veröffentlichung zu begleiten. Ich glaube, 2004 haben wir die EP „Zack! Boom! Peng!“ von Plan B ins Netz gestellt. Uns kam es immer komisch vor, sich die Entscheidung, was und wo unsere Musik passiert, aus der Hand nehmen zu lassen. Die Kids besorgen sich die Musik im Netz und wenn das so ist, dann steuer ich das lieber selbst und kann das alles kanalisieren, anstatt das irgendwelche Uploader machen zu lassen. Und ja, auch die Kommunikation mit der Kernzielgruppe findet vor allem über das Netz statt. Wir nutzen Tumblr, Twitter, Facebook, Soundcloud, YouTube und formspring. Dazu natürlich auch unsere Homepage. Vor allem aber die sozialen Netzwerke.

Adzine: Wie habt ihr bei Chimperator Facebook eingebunden?

Schweizer: Wir haben für jeden unserer Künstler eine Facebook-Seite und es gibt eine Label-Seite (facebook.com/chimperator). Die Seiten werden von den Künstlern jeweils selbst betreut und wir haben ein Auge drauf, das alles läuft. Bei manchen Seiten haben wir Twitter mit Facebook verknüpft, sodass immer nur in einem der beiden Dienste geposted werden muss. Ich persönlich finde besser, wenn man das trennt, für mich sind das jeweils zwei verschiedene „Sprachen“. Aber das entscheidet der Künstler. Über Facebook kommunizieren wir im Grunde am meisten mit den Fans. News, neue Tracks, Touren usw. bzw. werden hier als Erstes angekündigt.

Adzine: Ist Cro also ein weiterer Beweis dafür, dass gute Musik seine Hörer inzwischen eher übers Internet findet, also ganz ohne die etablierte Medien Print und TV?

Schweizer: Also Cro ist ein Beweis dafür, ja. Wobei ich nicht glaube, dass so etwas mit jedem Act möglich ist. Ganz ohne Print ist es bei Cro jetzt auch nicht angelaufen. Das JUICE Magazin hat z. B. schon sehr früh über ihn berichtet. Aber ja, ich denke, gute Musik hat inzwischen die Möglichkeit, sich auch ohne die Unterstützung der etablierten Medien durchzusetzen und in die Breite zu gehen. Am wichtigsten ist dabei aber eben, dass es wirklich gute Musik ist. Damit steht und fällt alles.

Adzine: ... und das Radio, das bleibt doch auch für euch relevant, oder?

Schweizer: Auf jeden Fall! Das Radio hat bei Cro, neben dem Netz, die größte Rolle gespielt. Wir haben darüber wirklich eine komplett neue Hörerschaft erreicht. Cro ist der erste Rap-Künstler in Deutschland, der über das Radio seinen Durchbruch geschafft hat. Das gab es vorher noch nicht.

Adzine: Matthias, du bist ja schon lange im Geschäft und promotest neben Cro auch bekannte Künstler wie Fettes Brot, The BOSSHOSS und auch die unglaublichen Mädels von Boy. – Hast du überhaupt schon mal so einen so rasanten Aufstieg eines Newcomers miterlebt?

Matthias Bischoff

Matthias Bischoff: Der Aufstieg von Boy ging ziemlich rasant vonstatten und ist damit schon ziemlich vergleichbar mit der Entwicklung von Cro. Jedoch sprengt das YouTube-Video zur aktuellen Cro-Single „Easy“ mit deutlich über 12 Mio. Klicks alle Rekorde. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein anderer deutschsprachiger Newcomer in nur so kurzer Zeit so viel Zuspruch in den Online-Medien gefunden hat. Und auch der aktuelle Charteinstieg, die erste Single „Easy“ von 0 auf 2 (in den deutschen Media Control Charts), spricht für sich.

** Meinst du, Cro hätte es ohne das Internet überhaupt so weit schaffen können?

Bischoff: Na ja, sobald ein Thema bei den Menschen Zuspruch findet, ist das Internet natürlich „die“ Plattform, über die sich diese Meinung schnell verbreiten lässt. In diesem Fall haben die User dafür gesorgt, dass sich das Thema Cro und der Song „Easy“ schnell im Netz verbreitet haben. Im Endeffekt zählt aber immer die Qualität. Wenn den Leuten der Song und der Künstler nicht gefallen hätten, dann hätte sich das in den Online-Medien sicherlich auch nicht so schnell verselbstständigt.

Adzine: Was bleibt jetzt für dich als Promoter überhaupt noch zu tun, was machst du jetzt für deinen Mandanten ‚Chimperator/Cro‘?

Bischoff: Eine ganze Menge. Denn jetzt geht es ja für uns erst richtig los. Bisher haben wir nur ein paar sehr ausgesuchte Online-Beiträge umgesetzt (u. a. auf spiegel.de ), in denen es in erster Linie um das Phänomen Cro und dessen schnelle Entwicklung ging. Voraussichtlich im Mai wird es dann zusammen mit der Print-Promo-Abteilung erste Promotiontage in Berlin geben, an denen die Online- & Print-Redakteure die Möglichkeit haben, den Künstler zu interviewen. Und dann wollen die Online-Redaktionen natürlich mit Musik, Infos und Bildmaterial des Künstlers versorgt werden, die dann später als Grundlage der Online-Berichterstattung (Künstler-Porträts, CD-Rezensionen, Interviews) dienen. Dazu kommt die Planung und Umsetzung von Online-Videopremieren, die wir in der Regel (je nach Thema) mit Online-Partnern wie u. a. Tape.tv, Putpat.tv, Rollingstone.de oder Stern.de umsetzen. Dazwischen halten wir die Online-Redaktionen mit Newsmeldungen und speziellen Online-Aktionen zum Thema Cro auf dem Laufenden. Und dann sind wir als Online-Promo-Agentur während der gesamten Kampagne Ansprechpartner für sämtlich Online-Anfragen. Also, es gibt viel zu tun und wir freuen uns drauf.

Adzine: Sebastian, stimmt eigentlich die Geschichte, das Universal den 20-jährigen Cro unbedingt unter Vertrag nehmen wollte, der Universal-Chef persönlich bei ihm angerufen habe, Cro aber lieber bei euch unterschrieben hat?

Schweizer: Nein, das stimmt so nicht. Cro hat ja bei uns schon zu einem Zeitpunkt unterschrieben, wo ihn wirklich noch niemand kannte. Er war und ist also von Anfang an bei uns unter Vertrag. Als es langsam anfing, durch die Decke zu gehen, haben wir natürlich mit den Majors gesprochen und uns verschiedene Angebote angehört. Unter anderem hat mich dabei dann Lyor Cohen, der CEO von Warner International, angerufen. Lyor hat Def Jam aufgebaut. Der ist wirklich ein Vorbild für mich und das war mir eine große Ehre. Letztendlich haben wir uns aber alle zusammen mit Cro dann dafür entschieden, das selbst zu machen und das Album über Chimperator zu veröffentlichen.

Adzine: Einige großen Labels sehen sich noch immer in der Krise, die Schuld trage das Internet. Andere wie Sony Music sehen die schweren Zeiten bereits überwunden, wie seht ihr das: Ist das Internet Fluch oder Segen für das Musikbusiness?

Schweizer: Wie ich vorhin schon gesagt hatte, für uns war und ist das Netz sehr hilfreich. Natürlich ist es ein furchtbares Gefühl, wenn ein Album, in das man 6 Monate lang viel Zeit und Energie gesteckt hat – manchmal sogar mehr als 6 Monate –, wegen dem man sich gestritten hat, in das man viel Geld investiert hat, nicht in Urlaub gefahren ist, damit es fertig wird, für das man wirklich hart gearbeitet hat, plötzlich mit einem Schwups zwei Wochen vor VÖ im Netz ist. Da wird man wahnsinnig. Bei uns noch viel mehr als bei einem Major. Wir sind da ja direkt dran. Das ist unser Geld, das flöten geht. Das ist echt ein ekliges Gefühl. Aber so sind eben die Rahmenbedingungen. Damit muss man umgehen und sich danach richten und aufpassen, dass so etwas nicht passiert. Jammern und deswegen das Internet zum Teufel erklären, bringt gar nichts. Im Gegenteil, man muss das Netz und seine Mechanismen für sich selbst nutzen.

Adzine: Beim Thema GEMA und YouTube sitzt ihr aber zwischen den Stühlen oder? Wie bewertet Ihr die neue Entscheidung vom Landgericht Hamburg. Findet ihr es richtig, dass die Verwertungsgesellschaft so rigoros im Auftrag der Künstler gegen YouTube vorgeht?

Schweizer: Natürlich müssen Künstler ausreichend vergütet werden, wenn ihre Musik genutzt wird. Aber dass man sich in dem Fall so querstellt und sich das so unglaublich lange zieht, verstehe ich nicht. In Polen hat das schnell und relativ reibungslos geklappt. Über YouTube wird inzwischen so viel Musik konsumiert, das ist einfach nicht zeitgemäß, wie das aktuell abläuft und wie die GEMA sich verhält.

Bischoff: Die beiden sollten sich endlich mal auf ein Vergütungsmodell einigen, in den restlichen europäischen Ländern hat es doch auch geklappt. Es wird Zeit, dass das eingestaubte GEMA-Modell endlich mal neu strukturiert wird. Wir brauchen natürlich beides. YouTube ist für die Musik-User natürlich immer noch Hauptanlaufstelle für Musikvideos und entsprechend für unsere Promo wichtig. Aber auch die Künstler sollen gerecht vergütet werden. Sven Regener hat das in einem Telefoninterview mit Zündfunk sehr gut auf den Punkt gebracht.

Adzine: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Zukunft!

Bild Jens v. Rauchhaupt Über den Autor/die Autorin:

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