Energieeffiziente Aussteuerung – der nächste Schritt für DOOH?
Anton Priebe, 15. Dezember 2025Interview mit Lukas Flöer, Metads
Nach intensiven Diskussionen um nachhaltige Werbemittel ist es zuletzt ruhiger geworden um das Thema. Doch der regulatorische und gesellschaftliche Druck wächst, CO2-Fußabdrücke entlang der gesamten Wertschöpfungskette transparenter zu machen – auch in der Außenwerbung. Digitale Screens verbrauchen Energie und mit dem Trend zu datengetriebener, programmatischer Ausspielung stellt sich zunehmend die Frage, wie sich dieser Verbrauch messen, steuern und reduzieren lässt. Lukas Flöer, Gründer vom 3D-Spezialisten Metads, spricht im Interview darüber, wie sich Nachhaltigkeit praktisch in die DOOH-Planung integrieren lässt, welche Rolle Strommix-Daten spielen und warum zusätzliche Umweltmetriken das System zwar erweitern, aber nicht auf den Kopf stellen.
ADZINE: Hallo Lukas, im vergangenen Jahr war Nachhaltigkeit ein dominantes Thema in der Werbeindustrie. Dieses Jahr ist es deutlich leiser darum geworden. Täuscht der Eindruck oder wurde das Thema runterpriorisiert?
Lukas Flöer: Ich glaube, es ist ein langfristiges Thema, bei dem man nicht sofort Resultate sieht. Viele haben schnell versucht, etwas zu machen, was dann meist in CO2-Kompensation endet. Aber eine echte Lösung zu bauen, mit der man während der Werbeausspielung aktiv optimieren kann, braucht Zeit. Dann trennt sich auch die Spreu vom Weizen: Wer macht Greenwashing und wer will wirklich nachhaltiger werden?
Natürlich könnte man sagen, dass die nachhaltigste Werbung gar keine Werbung ist – aber Produkte müssen bekannt werden. Unser Ansatz ist ähnlich wie bei 3D-Werbung. Wir wollen die Akzeptanz von Werbung steigern, entweder über Attraktivität oder dadurch, dass wir sie nachhaltiger machen und negative Effekte reduzieren. Für uns ist das ein wichtiges Thema, auch wenn in der deutschen Wirtschaft gerade andere Prioritäten dominieren.
ADZINE: Wächst der Druck auf Werbungtreibende, CO2-Kennzahlen verlässlich zu berücksichtigen?
Flöer: Auf europäischer Ebene auf jeden Fall, ESG-Faktoren werden klarer definiert. Noch größer ist aber der Konsumentendruck, vor allem bei Gen Z. Diese Generation hinterfragt alles, vom Produkt über die Lieferkette bis zur Werbung. Eine Marke, die nachhaltig auftreten möchte, muss das auch in ihrer Kommunikation tun. Es ist kein Stand-alone-Case, aber ein logischer Bestandteil einer Gesamtstrategie.
ADZINE: Welche Konsequenzen haben Klimaziele für die Mediaauswahl im Bereich Außenwerbung? Und ist das auch eine Preisfrage?
Flöer: Der Preis ändert sich nicht, aber die Planungslogik. Klassische Buchungen werden durch einen optimierten, dynamischen Ansatz aufgebrochen. Nachhaltige Ausspielung heißt, Zeitpunkte und Orte zu wählen, an denen grüner Strom verfügbar ist. Das beeinflusst das Media-Setup. Marken können Parameter setzen – Zielgruppenzeiten, Orte – und Energiebedingungen werden ein Add-on zu klassischen Bedingungen wie Zeitpunkt, Zielgruppe oder Ort.
ADZINE: Ein aktuelles Beispiel dafür ist eure Kampagne mit Douglas, die in Echtzeit auf den CO2-Ausstoß optimiert wurde. Wie genau wurden die Emissionen gemessen und was kam dabei heraus?
Flöer: Der Prozess hat drei Schritte: Tracking, Optimierung und Kompensation. Beim Tracking sehen wir Zeitpunkt und Location der Ausspielung über Geo-Daten und gleichen sie mit Strommix-Daten ab, die anzeigen, welche Energieform gerade genutzt wird. Parallel kennen wir technische Parameter des Screens wie Größe und Helligkeit und berechnen daraus den Verbrauch pro Ausspielung.
Auf dieser Basis kann unser Modell berechnen, wann es energetisch sinnvoller ist, auszuspielen. So optimieren wir auf CO2 pro 1.000 Impressions. Ganz ohne Emissionen geht es nicht, deshalb gibt es die Kompensation über etablierte Partner.
ADZINE: Bedeutet Optimierung also, dass automatisch Screens gebucht werden, die den geringeren CO2-Ausstoß haben?
Flöer: Ja, aber nur im Rahmen der definierten Media-KPIs. Also zum Beispiel nur die jeweiligen Locations oder Zeiten und nur wenn die Zielgruppe erreichbar ist. Innerhalb dieses Rahmens optimieren wir.
ADZINE: Die Schnittstellen zu den Strommix-Daten habt ihr selbst gebaut?
Flöer: Genau. Die Daten sind öffentlich. Man kann sie crawlen oder über APIs einbinden. Das Besondere ist nicht die Datenquelle, sondern wie wir die Daten kombinieren und für jedes einzelne Inventar in Deutschland berechnen. Das Modell dahinter ist die eigentliche Eigenleistung.
ADZINE: Was kam bei Douglas konkret heraus?
Flöer: Die Benchmark für digitale Außenwerbung liegt bei etwa 350 Gramm CO2 pro 1.000 Impressions. Wir lagen am Ende bei 91 Gramm – das ist ein merklicher Unterschied.
ADZINE: Was wurde beworben und wie habt ihr es 3D umgesetzt?
Flöer: Es ging um die Beauty Card, Douglas’ digitale Kundenkarte. Die Kampagne lief online und offline und kommunizierte die Vorteile der Mitgliedschaft ohne physische Plastikkarte – das passte gut zum Nachhaltigkeitsansatz. Wir haben das Motiv in 3D umgesetzt und national ausgespielt. Die Zielgruppe hat die Kampagne stark wahrgenommen und gleichzeitig wussten wir intern, dass sie grün optimiert war.
ADZINE: Wenn mehrere Marken CO2-optimiert ausspielen, verändert das dann die klassischen Planungsansätze wie „Pendler morgens in der U-Bahn“?
Flöer: Absolut. Der Druck auf datengetriebenen Einkauf steigt weiter. Programmatic DOOH hat ohnehin viele Argumente und Nachhaltigkeit wird eines davon. Wenn die Nachfrage nach energetisch günstigen Slots steigt, aber das Angebot gleich bleibt, werden diese Slots teurer. Dann bekommen wir einen dynamischen TKP.
ADZINE: Wird die grüne Optimierung zum Standard oder bleibt es bei einzelnen Cases?
Flöer: Ich wünsche mir, dass es Standard wird – nicht nur wegen unseres Produkts, sondern weil es sinnvoll ist und die Akzeptanz von Werbung steigern kann. Realistisch gesehen haben viele Marken aber gerade andere Probleme. Mit einem Green-DOOH-Ansatz optimiere ich im Zweifel etwas weniger auf harte KPIs als bei reinem Performance-Fokus. Langfristig aber wird der Druck steigen, weil Konsumenten ganzheitliche Nachhaltigkeit erwarten und auch Werbung hinterfragen.
ADZINE: Ihr seid eigentlich ein 3D-Werbeanbieter. Das verbindet man nicht unbedingt mit Ressourcenschonung. Wie hängt das zusammen?
Flöer: Wir haben das intern “Green Attention“ genannt. Wir kommen aus der 3D-Werbung und bleiben dort, weil Werbung attraktiv sein muss, um wahrgenommen zu werden. Aber Akzeptanz entsteht nicht nur über attraktive Bilder, sondern auch über technische Aspekte wie nachhaltige Aussteuerung. Das ergänzt sich.
ADZINE: Wie verändert sich Programmatic DOOH insgesamt, wenn Nachhaltigkeitsmetriken Teil der Planung werden?
Flöer: Nicht signifikant. Der Rahmen bleibt: richtiger Zeitpunkt, richtige Zielgruppe, richtiger Ort. Wir fügen nur „richtige Umweltfaktoren“ hinzu. Eine zusätzliche Bedingung ändert das System nicht fundamental. Wenn Optimierung messbare Effekte hat, steigt bei Marken die Bereitschaft, diese Faktoren stärker zu berücksichtigen – das hat fast eine Gamification-Komponente im Dashboard.
ADZINE: Danke für das Gespräch, Lukas!