Adzine Top-Stories per Newsletter
VIDEO - TKP statt Sekunden

RTLs neues Abrechnungsmodell ist richtig, aber (noch) nicht konsequent genug

Ralf Hammerath, 22. Oktober 2025

TKP statt Sekunden

Bild: Alex Meza – Unsplash

Die TV-Vermarkter läuten mit der Einführung von TKP-basierten Abrechnungsmodellen eine neue Ära ein. RTLs Ad Alliance geht mit „Contact+ TV“ den ersten Schritt, ProsiebenSat.1 signalisiert Bereitschaft zur Unterstützung der generellen Richtung. Man möchte sagen: endlich.

Aber: Das vorgestellte kontaktbasierte Modell der Kölner ist zwar der richtige Weg und ein wichtiger Schritt, aber nicht weitreichend genug. Erst eine branchenweite Vereinheitlichung wird hier echten Fortschritt bringen (können).

Überfälliger Paradigmenwechsel

Und sie bewegt sich doch, die TV-Werbung: Mit dem neuen Contact+ TV-Modell will die Ad Alliance künftig nicht mehr Sekunden, sondern Zielgruppenkontakte verkaufen und abrechnen – auf TKP-Basis (Tausender-Kontakt-Preis). Damit folgt der größte deutsche Vermarkter der Logik digitaler Medien, die seit Anbeginn kontaktbasiert abrechnen.

Das ist ein überfälliger Schritt. Denn in einer Welt, in der Streaming, Social Video etc. längst nach Kontakten bewertet werden, wirkt die klassische Sekundenlogik wie aus der Zeit gefallen. Der TKP schafft Transparenz, Vergleichbarkeit und ermöglicht endlich eine gemeinsame Währung über Mediengrenzen hinweg.

Richtiger Schritt – aber mit blinden Flecken

Trotzdem bleibt das neue Modell von RTL ein Kompromiss. Zahlreiche Fragen sind offen – und sie sind entscheidend, wenn der Systemwechsel gelingen soll.

Noch ist unklar, wie genau ein „Kontakt“ definiert und gemessen wird. Auch die Rolle der Umfeldqualität bleibt diffus: Wird ein Spot im „Dschungelcamp“ genauso bewertet wie einer in den Nachrichten? Ohne transparente Bewertungslogik droht ein Rückfall in alte Intransparenz – nur mit neuer Währung.

Hinzu kommt: Der Markt zieht noch nicht wirklich mit. Solange andere Vermarkter wie Seven.One oder ARD/WDR Media noch andere Modelle nutzen, fehlt der Vergleich. Werbekunden müssen weiter mit mehreren Logiken jonglieren – das bremst den Fortschritt.

Und schließlich: Kontakt ist nicht gleich Wirkung. Ein rein mengengetriebener TKP kann dazu führen, dass Premium-Umfelder an Wert verlieren, obwohl sie Marken nachweislich emotional stärker aufladen. TV darf nicht zur Commodity werden.

Wie könnte ein zukunftsfähiges TKP-Modell aussehen?

Ein „Best Practice“-Ansatz für Deutschland müsste fünf Punkte erfüllen:

  1. Einheitliche Definition des TV-Kontakts – marktweit, messbar, auf Basis einer von allen Marktteilnehmern anerkannten Logik und Methodik
  2. Kombination aus Kontakt- und Umfeldwert – Reichweite plus Qualitätsfaktor
  3. Adaptive Optimierung – dynamische Steuerung während des Flights
  4. Faire Abrechnung – mit klaren Kompensationsregeln bei Abweichungen
  5. Crossmediale Integration – ein TKP über TV, Addressable, Streaming und Online-Video hinweg

Damit entstünde ein Modell, das TV in die digitale Zukunft überführt, ohne seine Stärken – Reichweite, Vertrauen, emotionale Aufladungskraft – aufzugeben.

Richtige Richtung, aber nicht konsequent genug

Der TKP ist die Zukunft der TV-Werbung. Doch der Weg dorthin kann nicht von Alleingängen geprägt sein. Nur branchenweite, transparente und qualitätsorientierte Vereinheitlichung macht die kontaktbasierte Abrechnung zu dem, was sie sein sollte: ein Fortschritt für alle.

TV hat noch immer die Kraft, Marken groß zu machen – aber es braucht endlich eine Währung, die seiner Wirkung gerecht wird.

Tech Finder Unternehmen im Artikel

Bild Ralf Hammerath Über den Autor/die Autorin:

Ralf Hammerath ist seit März 2024 Chief Growth Officer von All Eyes On Screens und verantwortet in dieser Position den Ausbau der Geschäftsaktivitäten und die Wachstumsagenda des Data Provider und Lösungsspezialisten für die Echtzeit-Messung und KI-basierte Planung und Optimierung von Bewegtbildwerbung. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen die Stärkung strategischer Partnerschaften, die Weiterentwicklung des Produktportfolios sowie die Erschließung neuer Marktpotenziale in der DACH-Region. Neben strategischen und organisatorischen Auf- und Ausbauthemen fokussiert er sich dabei auch auf das Marktengagement des Unternehmens bei der Digitalisierung der TV-Messung und -Währung. Der versierte Business-Development- und Vermarktungsexperte blickt auf eine langjährige und erfolgreiche Karriere in der Medien- und Technologiebranche zurück. Zu seinen Karrierestationen zählen leitende Positionen bei Unternehmen wie Falk eSolutions (heute Google Doubleclick), Brand Europe (Performance Marketing Network, heute Virtual Minds), clipsolution (Videocontentproviding und Bewegtbildvermarktung), ADselect (Premium Special-Interest-Vermarktung) und Business Advertising (beide heute Ströer Media). 2017 wechselte Hammerath zum führenden europäischen Adtech- und Programmatic-Anbieter Virtual Minds, wo er in den Folgejahren als Geschäftsführer von ADITION technologies, Vorstand von Active Agent und zuletzt als Geschäftsführer von Virtual Minds wirkte. Von 2019 bis 2023 war Ralf zudem Geschäftsführer des Video-Joint-Venture d-force.

EVENT-TIPP ADZINE Live - ADZINE CONNECT Video 2025 am 20. November 2025, 09:30 Uhr

ADZINE CONNECT VIDEO ist die Fachkonferenz für digitale Video und (C)TV- Werbung im deutschsprachigen Markt. Hier treffen sich Marketing-Entscheider:innen, Medien, Technologiespezialisten und Branchenexpert:innen seit 2016 zum Business-Networking und den fachlichen Austausch. Jetzt anmelden!

Konferenz

Digital Events

Whitepaper

Das könnte Sie interessieren