Mehr Innovation, weniger Tradition – Die Zukunft des Publishing-Geschäfts
Karsten Zunke, 26. September 2025Interview mit Alexander Erlmeier, Teads

Der Qualitäts-Journalismus steht unter Druck – traditionelle Werbemodelle brechen weg, die neue Plattformdominanz und sich wandelnde Nutzergewohnheiten fordern Publisher und Advertiser gleichermaßen heraus. Im Interview spricht Alexander Erlmeier, CRO von Teads, über die Zukunft des Publishing. Er erklärt, warum Qualität und Performance kein Widerspruch sind und welche Verantwortung alle Marktplayer jetzt übernehmen sollten.

ADZINE: Alexander, viele Publisher stehen vor der Herausforderung, qualitativ hochwertigen Journalismus zu finanzieren, während gleichzeitig traditionelle Werbemodelle unter Druck geraten. Wie schätzt du die aktuelle Lage ein?
Alexander Erlmeier: In den USA sehen wir, dass inzwischen über 54 Prozent der Menschen mehr News über Social- und Videoplattformen konsumieren anstatt über klassische Verlagsseiten. Das ist eine bedenkliche Entwicklung. Hierzulande ist das Vertrauen in die Presse und den Journalismus deutlich größer. Und wenn wir uns einig sind, dass journalistische Qualität für Demokratie und Gesellschaft unverzichtbar ist, dann müssen wir alles dafür tun, um sie zu erhalten.
Es gibt bereits viele positive Beispiele. Regionale Publisher erleben Wachstum, weil sie relevante Informationen liefern, die einen direkten Bezug zur unmittelbaren Lebenswirklichkeit der Menschen haben. Auch digitale Abo-Modelle zeigen teils Erfolge, obwohl das nicht für jeden Verlag umsetzbar ist. Zudem sehen wir bei den Erlösen erfolgreiche Diversifizierungsstrategien und neue Content-Formate. Auf der Kostenseite kann KI hier zur Effizienz beitragen. Es gibt also Wege, aber das Umfeld ist deutlich rauer geworden.
ADZINE: Wie können Advertiser einen verantwortungsvollen Journalismus unterstützen?
Erlmeier: Advertiser können viel tun. Auf C-Level sehen wir oft Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Auf dieser Entscheider-Ebene gibt es grundsätzlich keine Berührungsängste, auf hochwertigen Publisher- und auch Nachrichten-Seiten im Open Web zu werben. Auf Planungsebene sieht das leider oft anders aus. Meta zu buchen, wird nicht hinterfragt und gehört für Mediaplaner zum Brot-und-Butter-Geschäft. Dabei zeigen Studien, dass Werbung insbesondere im journalistischen Umfeld sehr gut funktioniert – oft sogar besser als auf anderen Seiten.
Technologisch braucht es dafür aber intelligentere Systeme. Keyword-Blocking hat sich in vielen Fällen verselbständigt und blockiert teils sinnvolle Inhalte – zum Beispiel, wenn bei einem Rezept das Wort „Messer“ auftaucht. Das ist nicht zielführend. Wir sehen aber, dass Umfelder mit journalistischem Content Vertrauen schaffen und Performance liefern. Wir kommen selbst aus dem Performance-Bereich und beweisen jeden Tag – es funktioniert.
ADZINE: … und welche Verantwortung liegt aufseiten der Plattformbetreiber und Technologieanbieter?
Erlmeier: Sie haben eine enorme Verantwortung. Nehmen wir Google. Die KI-Zusammenfassungen in den Suchergebnissen reduzieren den Traffic auf Publisher-Seiten dramatisch. Eine Studie von Digital Content Next, DCN, zeigt einen 10-Prozent-Einbruch von Mai bis Juni 2025. Laut Untersuchungen der Daily Mail führt Googles “Übersicht mit KI” sogar zu 50 Prozent weniger Traffic, obwohl ein Artikel von Daily Mail an erster Stelle bei den generischen Suchergebnissen steht. Der Discovery-Feed von Google Chrome, der sehr Content-affine Publisher-Besuche getrieben hat, wird jüngst durch KI-Zusammenfassungen ebenfalls ausgebremst. Die Publisher verlieren Sichtbarkeit und damit auch Monetarisierung.
Plattformen sollten hier nicht Erlöse absaugen, sondern fair kompensieren und ihre Verantwortung anerkennen. Hinzu kommt, dass auch bei der Brand Safety manche Tools „mit der Axt“ zuschlagen und Inhalte ungerechtfertigt blockieren. Hier sind die Tech-Anbieter gefordert. Es braucht daher eine Zusammenarbeit aller Player und das auf Augenhöhe.
ADZINE: Auf welche Maßnahmen setzt ihr, um dieser Verantwortung gerecht zu werden?
Erlmeier: Unser Ausgangspunkt ist ein klares Commitment gegenüber den Publishern. Wir entwickeln nicht nur Technologien, die ihre Monetarisierung unterstützen, sondern arbeiten eng mit ihnen zusammen, um den Wert von Qualitätsjournalismus sichtbar zu machen. Dazu sprechen wir direkt mit Werbetreibenden über die Wirkung vertrauenswürdiger Nachrichtenumfelder – und belegen diese Wirkung auch mit eigenen Studien. So schaffen wir ein gemeinsames Verständnis im gesamten Ökosystem.
Wir beobachten außerdem laufend, welche Formate gefragt sind. Deshalb haben wir beispielsweise ein dynamisches Video-Feed-Format entwickelt: Statt statischer Empfehlungen liefern wir einen Short-Video-Stream mit personalisierten Reels. Die Verweildauer liegt dabei 229 Prozent über klassischen Display-Formaten. Unser Ziel ist es, Publisher mit immer neuen, innovativen Formaten zu unterstützen, damit sie im offenen Web erfolgreich monetarisieren können.
ADZINE: Bei euch fällt oft der Begriff „Premium Supply“. Was genau versteht ihr darunter und warum ist das aus eurer Sicht so wichtig?
Erlmeier: Premium Supply bedeutet für uns, auf qualitativ hochwertigen Journalismus in einem sicheren, vertrauensvollen Umfeld zu setzen. Wir haben sehr enge und langjährige Partnerschaften mit Publishern, oft mit Code-on-Page und individuellen Verträgen. Wir kennen unsere Partner gut, wissen, welchen Content sie liefern, und können dadurch auch besser optimieren. Das gilt nicht nur für klassische Webseiten, sondern auch für den CTV-Bereich, in dem wir beispielsweise mit LG und Samsung zusammenarbeiten. Premium ist für uns auch ein Signal an Advertiser, dass sie in ein sicheres und effektives Umfeld investieren.
ADZINE: Gleichzeitig wird auch die Performance im Open Web immer wichtiger. Qualität und Performance – passt das zusammen?
Erlmeier: Absolut, das passt zusammen. Insbesondere Werbung am Ende eines Artikels hat sich als sehr effektiv erwiesen. Der User hat gerade einen Artikel gelesen, ist engagiert und offen für Empfehlungen. Diese Kombination aus hoher Aufmerksamkeit und Relevanz funktioniert extrem gut und liefert eine starke Performance, sogar im Vergleich zu Social Media. Mit anderen Formaten kombinieren wir Creative, Targeting und Umfeld – das bringt nicht nur überdurchschnittliche Awareness, sondern auch die nötige Qualität sowie Performance.
ADZINE: ...aber viele Nutzer sind im Open Web von Online-Werbung trotzdem genervt, setzen auf Adblocker.
Erlmeier: Entscheidend ist die Kombination aus hochwertigem Umfeld, relevantem Moment und durchdachter Kreation. Wir investieren stark in unser Brandstudio. Unser Ziel ist es, Werbung zu gestalten, die nicht stört, sondern bereichert. Attention, Viewability und Relevanz sind dabei unsere zentralen Metriken. Wir setzen auf qualitative, nicht auf aggressive Werbung. Auch im Vergleich zu Social Media liefern wir bereits längere Attention-Zeiten.
Wir platzieren Werbung beispielsweise genau im Moment des Lesens – dort, wo die Aufmerksamkeit des Nutzers ohnehin schon auf dem Content liegt. Gleichzeitig testen wir aktuell, nicht mehr nur auf RPM (Revenue per Mille), sondern auf RPS (Revenue per Session) zu optimieren. Das führt zu weniger Werbedruck, einem höheren Engagement und einer besseren User Experience. So entsteht eine Win-win-win-Situation für User, Publisher und Advertiser.
ADZINE: Wo siehst du den deutschsprachigen Publishing-Markt in fünf Jahren?
Erlmeier: Wir werden mehr Konsolidierungen und effizientere Redaktionsnetzwerke sehen. KI wird eine große Rolle spielen – Publisher sollten sie nicht als Feind, sondern als Freund sehen. Die digitale Wertschöpfung wird weiter steigen, über 50 Prozent der Erlöse werden digital sein. Vor allem regional relevante Publisher haben gute Chancen. In den kommenden fünf Jahren werden wir mehr Innovation und weniger Tradition sehen.
ADZINE: Vielen Dank für das Gespräch, Alexander!
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