Quick Commerce und Retail-Media-Revolution: Chance für Advertiser
Sue Azari, 21. August 2025
Quick Commerce hat die Art und Weise, wie Verbraucher:innen einkaufen, revolutioniert und bietet nahezu sofortige Lieferungen von Lebensmitteln, Mahlzeiten und Haushaltswaren. Doch Quick Commerce verändert nicht nur die Logistik und den E-Commerce, sondern entwickelt sich derzeit auch zu einer treibenden Kraft in der digitalen Werbung. Da sich das Einkaufsverhalten immer mehr in Richtung On-Demand-Käufe verschiebt (also Ad-Hoc-Bestellungen mit sofortiger Verfügbarkeit und direkter Auslieferung), nutzen diese Plattformen ihre umfangreichen First-Party-Daten und ihre kaufbereiten Zielgruppen, um eine zentrale Rolle im Retail-Media-Umfeld einzunehmen.
Gleichzeitig entwickeln sich Retail Media Networks (RMNs) weiter, die bisher von großen Einzelhändlern dominiert wurden. Eine neue Generation von Handelsvermittlern wie Uber, Door Dash und Instacart drängt auf den Markt und schafft Werbemöglichkeiten, die es bisher nicht gab. Da erwartet wird, dass Quick Commerce einen immer größeren Anteil der Retail-Media-Investitionen auf sich ziehen wird, können Marken, die diesen Wandel verstehen, erhebliche Wettbewerbsvorteile erzielen.
Quick Commerce und das Wachstum von Retail-Media-Investitionen
Retail Media wurde lange Zeit mit E-Commerce-Giganten und stationären Einzelhändlern in Verbindung gebracht. Inzwischen sichern sich aber auch Quick-Commerce-Plattformen immer mehr Werbebudgets. Auch in Deutschland sind große Player wie Wolt oder Uber Eats aktiv. Der Grund liegt auf der Hand: Diese Plattformen generieren riesige Mengen an First-Party-Daten aus Millionen von Echtzeit-Transaktionen und ermöglichen es Marken, Konsumentinnen und Konsumenten genau im Moment des Kaufs zu erreichen. Während klassische Search- und Social-Kampagnen oft auf Reichweite oder Markenwahrnehmung abzielen, findet Quick-Commerce-Werbung direkt im Kaufmoment statt – mit klar messbarem Bezug zur Transaktion.
Im Gegensatz zu traditionellen Einzelhändlern besitzen oder verwalten Quick-Commerce-Plattformen keinen eigenen Warenbestand. Sie fungieren lediglich als Vermittler zwischen Konsumenten und Händlern. Dadurch entfallen Kosten für Lagerhaltung, Logistik und Supply-Chain-Management, die die Margen des stationären Handels belasten. Das bedeutet, dass jeder mit Werbung verdiente Dollar einen hohen Deckungsbeitrag erzielt und das Werbegeschäft von Quick-Commerce-Plattformen skalierbarer und profitabler ist als das traditioneller Retail Media Networks. Zwar fehlt Quick-Commerce-Plattformen der tiefe Einblick in CRM-Daten wie ihn klassische Händler haben – doch durch aggregierte Echtzeit-Transaktionsdaten können sie dennoch relevante Zielgruppen präzise adressieren.
Das allgemeine Wachstum von Retail Media bestätigt diesen Trend. Die Werbeausgaben haben sich seit 2019 verfünffacht, und Emarketer erwartet, dass die Off-Site-Retail-Media-Werbung bis 2028 die Marke von 28 Milliarden US-Dollar überschreiten wird. Da immer mehr Werbetreibende ihre Budgets diversifizieren und nach alternativen Kanälen zur klassischen digitalen Werbung suchen, sind Quick-Commerce-Plattformen gut positioniert, um von dieser Entwicklung zu profitieren.
Erweiterung der Werbemöglichkeiten: Von Apps zu Connected TV und In-Store Advertising
Quick-Commerce-Unternehmen verändern nicht nur die Online-Werbung, sondern weiten ihren Einfluss auch auf neue digitale und physische Umgebungen aus. Instacart hat beispielsweise in Kalifornien In-Store-Retail-Media-Lösungen eingeführt, darunter smarte Einkaufswagen und digitale Regaldisplays, die es Marken ermöglichen, Verbraucher:innen direkt während des Einkaufs anzusprechen. Diese Strategie überträgt die Vorteile der digitalen Werbung – Targeting, Messbarkeit und Attribution – in den stationären Handel und schafft so und schafft damit Omnichannel-Erlebnisse, bei denen Markenbotschaften vom physischen Regal bis zur mobilen App konsistent und kontextbezogen ausgespielt werden.
Zusätzlich treiben Quick-Commerce-Plattformen die Expansion in Off-Site-Werbung voran. Kooperationen mit Publishern und Streaming-Diensten bieten Marken die Möglichkeit, Verbraucher:innen auch außerhalb der App gezielt anzusprechen. Besonders Connected TV (CTV) entwickelt sich zu einem rasant wachsenden Werbekanal. Prognosen von Emarketer zufolge wird der Retail-Media-CTV-Werbemarkt bis 2028 auf über 10 Milliarden US-Dollar anwachsen. Shoppable-TV-Anzeigen gewinnen zunehmend an Bedeutung, da sie es Marken ermöglichen, Kaufimpulse direkt im Moment des Medienkonsums auszulösen.
Ein Beispiel: Konsument Max Mustermann schaut auf seinem Smart-TV eine Kochsendung. Der Haushalt hat in der Vergangenheit regelmäßig vegane Produkte über eine Quick-Commerce-App bestellt. Auf Basis dieser First-Party-Daten wird im Rahmen einer Partnerschaft zwischen der Lieferplattform und einem CTV-Anbieter eine Werbung für veganes Eis eingeblendet – mit der Möglichkeit, per QR-Code direkt über die App zu bestellen. Die Werbung stammt vom Eiscremehersteller und wird über die Retail-Media-DSP der Plattform ausgeliefert. So wird der Kaufimpuls direkt im Moment des Medienkonsums ausgelöst – kanalübergreifend, datenbasiert und messbar.
Die Macht von Daten und Messbarkeit im Quick-Commerce-Marketing
Ein entscheidender Vorteil von Quick-Commerce-Plattformen ist die Möglichkeit zur präzisen Erfolgsmessung – allerdings primär bei Onsite-Werbung, also dann, wenn Konsument:innen innerhalb der App angesprochen und dort auch zum Kauf geführt werden. In diesen Fällen entsteht eine geschlossene Messumgebung (Closed-Loop Measurement), bei der Werbeanzeige, Klick und Transaktion vollständig innerhalb eines Systems stattfinden – ähnlich wie bei klassischen Sponsored-Product-Formaten im E-Commerce.
Bei Offsite-Werbeformaten wie Connected TV oder Retail-Media-Integrationen auf externen Publishern hingegen ist diese direkte Messbarkeit eingeschränkt. Hier setzen Werbetreibende zunehmend auf alternative Attributionstechniken wie Media Mix Modeling (MMM), um den Effekt einzelner Kanäle dennoch bewerten zu können, auch ohne Zugriff auf Cookie-basierte Userdaten. In Kombination ermöglichen beide Modelle – Closed-Loop für Onsite und MMM für Offsite – eine robuste, datengestützte Kampagnensteuerung im Quick-Commerce-Umfeld.
Darüber hinaus sammeln Quick-Commerce-Plattformen detaillierte Produktdaten auf Artikelebene (SKU), also z. B. wann, wie oft und in welcher Menge ein bestimmter Joghurt gekauft wurde. Diese Daten bieten Werbetreibenden die Chance, ihre Kampagnen auf granularer Ebene zu optimieren. Anstelle einer breiten demografischen Zielgruppenansprache können Kampagnen gezielt auf das tageszeitabhängige Kaufverhalten und die Wiederkaufraten der Konsumenten abgestimmt werden.
Ein weiterer Vorteil von Quick Commerce gegenüber traditionellen Retail Media Networks ist der Zugang zu händlerübergreifenden Daten. Allerdings handelt es sich dabei primär um Transaktionsdaten – tiefergehende Informationen wie Kundenhistorien, CRM-Daten oder Loyalty-Profile bleiben außerhalb ihrer Reichweite. Der datengetriebene Vorteil liegt damit eher in der Breite und Aktualität als in der Tiefe der Kundenbindung.
Warum Quick-Commerce-Werbung an Bedeutung gewinnt
Die Kombination aus kaufbereiten Zielgruppen, wertvollen First-Party-Daten und umfassender Messbarkeit macht Quick-Commerce-Werbung für viele Branchen attraktiv. Im Gegensatz zu klassischer digitaler Werbung, bei der Nutzer:innen oft nur durch die Inhalte scrollen, zeichnen sich Quick-Commerce-Plattformen durch eine direkte Kaufabsicht aus, was zu höheren Conversion-Raten führt.
Da die Datenschutzbestimmungen strenger werden und sich der Markt von Third-Party-Cookies abwendet, wird die First-Party-Datenhoheit zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Quick-Commerce-Plattformen, die in geschlossenen, transaktionsbasierten Umgebungen operieren, sind ideal positioniert, um von diesem Wandel zu profitieren.
Mit der fortschreitenden Entwicklung von Connected TV, In-Store Media und Off-Site-Werbung wird Quick Commerce eine zentrale Rolle in der digitalen Werbewelt einnehmen. Angesichts dieser datengetriebenen Möglichkeiten setzen viele Plattformen zusätzlich auf KI-gestütztes Targeting und Automatisierung – um granulare Daten in Echtzeit zu aktivieren.
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