
Digitale Außenwerbung prosperiert. Gründe sind unter anderem die große Reichweite, aufmerksamkeitsstarken Formate und ausgeklügelte Inszenierungen. Doch insbesondere, wenn es um 3D-Darstellungen geht, gibt es in Deutschland noch Nachholbedarf – und einige Missverständnisse. Warum 3D-Werbung auch ohne VR-Brille funktioniert, welche Rolle Licht und Schatten dabei spielen und welche Mythen sich noch um das Thema ranken, darüber haben wir mit Lukas Flöer, Gründer und CEO des Start-ups Metads gesprochen.

ADZINE: Lukas, warum sieht man bisher so wenig 3D-Werbung auf deutschen Straßen?
Lukas Flöer: Das hat mehrere Gründe. Ob Direktkunden, Agenturen oder Mittler – häufig hören wir von ihnen beispielsweise die Aussage: ‚3D ist cool, aber in Deutschland geht das nicht.‘ Die Rede ist dann schnell von Regulatorik beziehungsweise der Annahme, dass Animationen in Deutschland nicht gezeigt werden dürfen. Aber wir haben auch in Deutschland schon viele Kampagnen umgesetzt – es ist also sehr wohl möglich. Natürlich gibt es Screens, auf denen keine Animation erlaubt ist. Dann darf auch kein 3D-Format ausgespielt werden. Aber sind Animationen erlaubt, funktioniert 3D sehr gut. Es hängt lediglich vom jeweiligen Screen-Standort ab. Diese individuelle Betrachtung macht es scheinbar komplexer und schreckt ab. Viele denken, es ist mit mehr Aufwand und höheren Kosten verbunden. Das ist aber ein Trugschluss.
ADZINE: Du hast grad die Regulatorik angesprochen...ist sie in Deutschland besonders streng?
Lukas: Sie ist kleinteilig und Städte-abhängig. In Berlin gibt es sogar von Bezirk zu Bezirk unterschiedliche Vorgaben. Allen gemein ist, dass Außenwerbung nicht ablenken darf. In Städten wie Frankfurt, Nürnberg oder München ist im Grunde gar keine Animation auf Außenwerbeflächen im Straßenumfeld erlaubt – in Bahnhöfen ist das in der Regel kein Problem. Wichtig ist, zu verstehen: Es gibt nicht den „3D-fähigen Screen“. Jeder digitale Screen ist grundsätzlich 3D-fähig, weil unser 3D-Effekt eine optische Täuschung ist – das ist reine Kreation, nicht Hardware.
ADZINE: Lass uns über die Mysterien sprechen. Was sind weitere typische Missverständnisse?
Lukas: Das größte Missverständnis ist, dass man denkt, es sind spezielle Screens für eine 3D-Außenwerbung nötig. Auch müssen die Spots nicht aufwendig und speziell für 3D aufgenommen werden und das Display verbraucht selbstverständlich auch nicht mehr Strom als für die Ausspielung eines zweidimensionalen Spots. Früher hörten wir auch Bedenken, dass der Effekt nur ein kurzer Wow-Moment sei, nichts Nachhaltiges. Das können wir durch Daten mittlerweile sehr gut widerlegen. Die Werbeerinnerung ist oft sogar nachhaltiger. Und dann gibt es das Missverständnis, dass man dafür eine VR-Brille braucht – nein, der Effekt ist mit bloßem Auge sichtbar.
ADZINE: Benötige ich als Werbetreibender oder OOH-Anbieter besondere technische Voraussetzungen?
Lukas: Nein. Der Spot wird ganz normal auf dem Display eingespielt. Die Screen-Owner wissen teilweise gar nicht, dass dort eine 3D-Kampagne läuft. Es ist meistens eher eine positive Überraschung für sie. Wir müssen vorab lediglich wissen, wie der Screen gebaut ist, vermessen ihn gegebenenfalls und simulieren vorab den 3D-Effekt – virtuell, ohne großen Aufwand.
ADZINE: ...ihr vermesst die Screens?
Lukas: Vermessen bedeutet für uns, dass wir uns den Screen und die Fläche davor anschauen. Dann bilden wir ihn in einem digitalen Raum nach und starten Simulationen. Das heißt, wir können beispielsweise vorab einen virtuellen Rundgang am betreffenden Standort machen, um zu sehen, bis wohin ist der 3D-Effekt gut sichtbar, ab wann nimmt er ab. So können wir auch genau sagen, ab welchem Punkt der Effekt optimal wirkt und wo er eventuell verzerrt.
ADZINE: Wie erzeugt ihr den 3D-Effekt?
Lukas: Der Fachbegriff ist „Anamorpher Effekt“ – eine optische Täuschung. Mit Licht, Schatten und perspektivischer Flucht wird Tiefe erzeugt. Umrahmt man das Bild zum Beispiel mit einer virtuellen Fassade, kann es wirken, als käme etwas aus dem Screen heraus. Aber das ist alles reine Kreation, basierend auf Daten.
ADZINE: ...basierend auf welchen Daten?
Lukas: Damit wir eine optische Täuschung für Out-of-Home hinbekommen, benötigen wir Geo-Verhaltensdaten. Wir schauen uns bei jeder Kampagne an, wie der Großteil der Nutzer vor dem Screen positioniert ist. Wir nehmen diese Datenpunkte und können daraufhin analysieren, zu welcher Tageszeit die Leute vor einem bestimmten Punkt stehen. Ist dies beispielsweise nachmittags in einem bestimmten Winkel und Abstand am häufigsten, dann optimieren wir den Spot exakt auf diesen Sichtwinkel und die entsprechenden Lichtverhältnisse. Auf den ermittelten Sichtwinkel können wir die optimale Tiefe, die optimalen Schatten, die optimale Lichtsetzung draufsetzen. Je größer das Display, desto stärker der Effekt. Man kann dann beispielsweise scheinbar in ein abgebildetes Gebäude hineinsehen oder es kann auch etwas herauskommen.
ADZINE: Man muss also keinen neuen, expliziten 3D-Spot aufnehmen?
Lukas: Nein, auch das ist übrigens ein verbreitetes Missverständnis. Wir können mit jedem Video-Spot arbeiten – egal ob dieser für TV, CTV oder Social Media kreiert wurde. Wir nehmen lediglich einige kleine Anpassungen innerhalb der vorgegebenen CI vor. Selbst die Spots sehr großer Brands mit sehr strengen Marken-Richtlinien konnten wir bereits problemlos auf 3D optimieren. Damit wir dabei noch schneller und effizienter werden, haben wir eine eigene AI entwickelt – eine Art Video-Modell, in das wir quasi diese Geodaten einspeisen und das dann automatisch Licht und Schatten setzt, damit es für den jeweiligen Spot auf dem betreffenden Screen optimal wirkt.
ADZINE: Wann ist der Effekt am stärksten? Gibt’s Zeiten oder Orte, die sich besonders gut eignen?
Lukas: Generell ist der wichtigste Faktor der Blickwinkel der Betrachter. Je besser wir diesen kennen, desto besser können wir optimieren. Dämmerung oder Nacht helfen natürlich durch die Bildschirmleuchtkraft, aber der eigentliche Hebel ist die Blickrichtung.
ADZINE: Wie sieht es mit programmatischer Buchung aus – ist das möglich?
Lukas: Jein. Technisch ist programmatischer Einkauf möglich, aber die größte Herausforderung ist die Anpassung des Werbemittels auf den jeweiligen Screen. Licht, Schatten, Flucht – das muss alles individuell passen. Deshalb bieten wir Kampagnen aus einer Hand an, von der 3D-Anpassung des Spots bis zur Platzierung. Das mag auf den ersten Blick wie ein Umweg aussehen, ist rein technologisch betrachtet aber auch ein datenbasierter, programmatischer Einkauf, wobei der Spot allerdings an den jeweiligen Screen-Typ gebunden ist, für den er optimiert wurde.
ADZINE: Wie entwickelt sich der Markt international? Und was erwartest du für Deutschland?
Lukas: In Bezug auf 3D-Kampagnen ist Deutschland im weltweiten Wettbewerb hintendran, im europäischen Markt eher Mittelmaß. Hier ist UK führend. Auch in Polen ist man in Bezug auf 3D-Außenwerbung sehr gut unterwegs, dort starteten schon sehr frühzeitig erste Kampagnen. Der europäische Markt hat insgesamt großes Potenzial. Außerhalb Deutschland haben wir bereits Kampagnen in UK, Polen, Schweiz, Österreich und Spanien umgesetzt – Frankreich ist herausfordernd, aber auch dort hatten wir schon Retail-3D-Kampagnen am Start.
Der Times Square in New York oder die Sphere in Las Vegas sind natürlich beeindruckend – davon können wir uns auch in Deutschland inspirieren lassen. Wir hatten beispielsweise einen 3D-Tunnel auf der OMR, auch die Sphere haben wir als Festival-Screen in Klein nachgebaut. So machen wir das Thema anfassbar und erlebbar. Das ist aus unserer Sicht der beste Weg, um Mythen und Vorurteile abzubauen.
ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Lukas!
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