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CONNECTED TV - Interview mit Christian Russ, Samsung Ads

Daten verbinden und TV-Fragmentierung überwinden

Karsten Zunke, 21. Juli 2025
Bild: Noah Buscher – Unsplash

Die internationale Werbewelt blickt jedes Jahr gespannt nach Cannes. Dabei stehen natürlich die goldenen Löwen im Fokus, doch wird dort auch absehbar, wohin sich die Branche technologisch bewegt. Christian Russ, Commercial Director DACH & FRITES von Samsung Ads, war vor Ort und spricht im Interview über die derzeitigen Werbetrends für den Big Screen. Der Bewegtbildexperte beleuchtet aktuelle Marktinitiativen, den wachsenden Einfluss von Creator-Content, die Rolle von AI und vor allem, wie First- und Third-Party-Daten helfen, die digitale Lücke zwischen Geräten, Plattformen und Nutzern zu schließen.

Bild: Samsung Christian Russ, Samsung Ads

ADZINE: Christian, ihr wart kürzlich auf dem Werbefestival in Cannes. Welche Impulse habt ihr von der Côte d’Azur mitgenommen?

Christian Russ: Es war viel los – besonders auffällig war, dass gefühlt mehr Teilnehmer aus Deutschland vor Ort waren als in den Jahren zuvor. Das Thema Künstliche Intelligenz war allgegenwärtig, speziell „Agentic AI“, sowohl im Hinblick auf Optimierung als auch in Bezug auf die Kreation. Auch Connected TV (CTV) war ein großes Thema, mit prominenter Präsenz aller Top-Player. Besonders spannend waren die Diskussionen über die Creator Economy und deren zunehmende Relevanz im TV-Kontext.

ADZINE: Welchen Stellenwert nimmt Creator-Content inzwischen auf dem Big Screen ein?

Russ: Creator-Content gewinnt auf dem Fernseher zunehmend an Bedeutung. Plattformen wie YouTube sind längst auf Smart-TVs angekommen und werden dort intensiv genutzt. Gleichzeitig beobachten wir, dass Angebote wie Joyn strategisch in Richtung Community und Fandom gehen – also gezielt Formate und Inhalte fördern, die aus der Creator-Welt stammen. Das klassische Streaming-Angebot wird so um eine neue Dimension ergänzt. Besonders spannend wird es, wenn AI ins Spiel kommt: Durch den gezielten Einsatz von künstlicher Intelligenz lassen sich Content-Produktionen günstiger und zielgruppenspezifischer realisieren. Das eröffnet ganz neue Use Cases für Content auf dem Big Screen – sei es von etablierten Marken, Medienhäusern oder eben auch von Creators.

ADZINE: … das lässt vermuten, dass es auf dem Big Screen bald noch kleinteiliger zugehen könnte. Was bedeutet das für das lineare TV?

Russ: Die Sehgewohnheiten sind bereits stark fragmentiert. Laut aktuellen Studien von uns verbringen alle Zielgruppen bis 54 mindestens zwei Drittel ihrer TV-Zeit mit Streaming. Die Nutzung linearer Angebote nimmt mit steigendem Alter zu. Insgesamt liegt das Verhältnis bei etwa 60 Prozent Streaming zu 40 Prozent linear. Es ist dabei sehr wahrscheinlich, dass die jüngeren Zielgruppen – wenn sie älter werden – ihre Nutzungsgewohnheiten beibehalten. Der Fokus wird sich also weiter auf das Streaming und digitale Inhalte verschieben.

ADZINE: … es wird also eher gestreamt als klassisch „ferngesehen“?

Russ: Ja. Interessant ist vor allem, dass beim Einschalten eines Smart-TVs 74 Prozent der Nutzer nicht mehr direkt das TV-Programm sehen, sondern den Startbildschirm – ein wichtiger digitaler Touchpoint für Markenkommunikation, der sich aufgrund dieser großen Reichweite mittlerweile sehr gut für Branding-Maßnahmen eignet. Das zeigt, wie vielschichtig und dynamisch die Nutzung geworden ist.

ADZINE: … in Anbetracht der vielzähligen digitalen Werbemöglichkeiten auf einem Big Screen macht dies den Job der Mediaplaner nicht unbedingt einfacher. Worauf kommt es jetzt an?

Russ: Advertiser müssen versuchen, die Datenquellen zusammenzuführen, um einen ganzheitlichen Blick auf ihre Kampagnen zu erhalten. Gerätebasiert funktioniert das alles bereits sehr gut. Die Herausforderung ist es, dies auf den Haushalt oder profilbasiert zu ermöglichen. Die crossmediale Analyse und Aussteuerung ist ein Schlüssel für den künftigen Werbe-Erfolg. Daran wird intensiv gearbeitet.

ADZINE: Welche Strategien zur Zusammenführung verschiedener Datenquellen verfolgt der Markt aktuell?

Russ: Es gibt drei zentrale Bewegungen: Erstens der Versuch, in programmatischen Umfeldern möglichst viel Transparenz zu schaffen, zum Beispiel durch die Übergabe von Channel-Namen im Bid-Request – etwas, das leider noch kein Marktstandard ist. Eine direkte Zusammenarbeit zwischen Geräteherstellern und Publishern ist daher in diesem Bereich äußerst sinnvoll.

Die zweite wichtige Entwicklung zur Zusammenführung von Datenquellen ist momentan die Bildung von Haushaltsgraphen und der Einsatz von Data-Cleanrooms – besonders im Zusammenspiel mit Agenturen und Publishern. Und drittens gibt es Marktinitiativen wie die AGF in Deutschland, Médiamétrie in Frankreich oder Project Origin in UK, die daran arbeiten, verschiedene Datensätze zusammenzuführen – zunächst panelbasiert, aber je nach Projekt lässt man auch Gerätedaten einfließen.

Die AGF versucht beispielsweise, über TV-Daten hinauszugehen und auch digitale Umfelder zu berücksichtigen. Etwa ähnliches probiert Project Origin in UK, dort fließen auch Social-Media- und CTV-Daten in die Reichweitenmessungen mit ein. Bei solchen großen Marktinitiativen drehen sich die Räder natürlich manchmal etwas langsamer. Das führt dazu, dass momentan jeder Markt noch seine eigenen Initiativen hat und seinen eigenen Standards anstrebt.

ADZINE: Welche Optionen für die Zusammenführung der Datenquellen favorisiert ihr als Samsung Ads?

Russ: Zum einen arbeiten wir daran, unsere Gerätedaten mit Third-Party-Daten zu verknüpfen – zum Beispiel mit Datensätzen von MasterCard, Axiom oder AZ Bertelsmann – um von Geräte- auf Zielgruppendaten zu kommen. Zum anderen sind wir auch Gründungsmitglied bei Project Origin in UK. Wir versuchen, solche Initiativen im Allgemeinen voranzutreiben, da dies für alle Märkte äußerst wichtig ist.

ADZINE: … du hast jetzt die Third-Party-Daten erwähnt, um Datenquellen zusammenzubringen. Und welche Rolle spielen bei euch First-Party-Daten?

Russ: First-Party-Daten sind natürlich extrem spannend. Ich glaube, hier steht der Markt noch relativ am Anfang, zumindest in Deutschland. In Cannes wurde auch viel über die Integration von CTV- mit Retail-Media-Datensätzen gesprochen. In UK gibt es schon deutlich mehr Beispiele von der Zusammenführung von CTV- und Retail-Media-Daten als in Deutschland. Aber das ist eine Entwicklung, die wir hier auch noch sehen werden.

Wir sammeln bereits sehr gute Erfahrungen mit unseren eigenen First-Party-Daten, die von der Nutzung unserer Geräte stammen, also Smart-TVs, aber auch von Samsung-Smartphones. Insbesondere die Zusammenführung von Mobile und CTV ist vielversprechend. Wichtiger Hinweis noch an der Stelle: Sämtliche Datenverarbeitung erfolgt ausschließlich auf Basis expliziter Zustimmung. Wir werden bei Samsung Ads nicht müde, das zu betonen.

ADZINE: Kannst du die Zusammenführung von Mobile und CTV bitte etwas näher erläutern …?

Russ: Absolut. Wir sind dabei, die Daten von Samsung-Mobiltelefonen in unsere Analysen zu integrieren. Auf diese Weise lässt sich nicht nur nachzuvollziehen, was gerade auf dem Fernseher passiert, während jemand auf der Couch sitzt. Auf Basis der Smartphone-Nutzung können wir dann auch verstehen, was Nutzer den ganzen Tag über tun oder was sie parallel zum TV-Konsum anschauen. Das eröffnet spannende Möglichkeiten – etwa für ein Targeting basierend auf der App-Nutzung oder für die Attribution, wenn man nachvollziehen möchte, was nach einem Werbekontakt auf dem Smartphone passiert ist. Zwar stehen wir hier noch am Anfang, aber das Potenzial ist enorm.

ADZINE: Wie wird sich der Umgang mit der zunehmenden Fragmentierung aus Sicht der Werbetreibenden in den nächsten Jahren verändern?

Russ: Die Fragmentierung im Content-Bereich wird eher noch zunehmen – unter anderem durch die Demokratisierung von hochwertigem Content über AI. Aber in der Plattform- und Marktstruktur wird es wahrscheinlich eine Konsolidierung geben. Für Werbetreibende werden Lösungen entstehen, um diese Fragmentierung handhabbar zu machen. Ich bin überzeugt, dass wir perspektivisch TV wirklich datenbasiert und digital planbar machen können – das ist nur noch eine Frage der Zeit.

ADZINE: Was sollten Marken und Werbetreibende unbedingt schon jetzt im Blick behalten, wenn sie in der Smart-TV-Welt künftig erfolgreich agieren wollen?

Russ: Drei Dinge: Erstens, der Konsument steht im Mittelpunkt. Das ist zugegebenermaßen ein Allgemeinplatz, wird aber von vielen Unternehmen noch immer nicht in aller Konsequenz beachtet. In dem Zuge sollten Marken auch neue Touchpoints wie den TV-Startbildschirm strategisch nutzen. Zweitens, die Datenzusammenführung ist zentral – sowohl mit eigenen als auch mit externen Datensätzen. Drittens, es braucht unabhängige Messungen und Verifikation. Nur so können wir das volle Potenzial der Smart-TV-Welt ausschöpfen.

ADZINE: Vielen Dank für das Interview, Christian!

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