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DATA - Veronika Streule, Traffective, im Interview

Sollten wir mit den Consent-Bannern bei null anfangen?

Anton Priebe, 12. Mai 2025
Bild: Jose Antonio Gallego Vázquez – Unsplash

Seit der DSGVO ist das Netz übersät von Consent-Bannern, die Nutzereinwilligungen zur Datenverarbeitung einholen sollen. Dahinter steckt vor allem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, auch Datenschutzgrundrecht genannt. Insbesondere das datengetriebene Programmatic Advertising ist auf das Einverständnis der User angewiesen, um Werbeanzeigen zu personalisieren. Die Nutzer:innen sind Consent-Banner mittlerweile gewohnt, doch auch von ihnen genervt und selten dazu geneigt, sie tatsächlich durchzulesen. Woran liegt das und wie geht es besser? Das ist eine der Fragen, mit denen sich Veronika Streule, Juristin des Adtech-Unternehmens Traffective, beschäftigt. Sie hat im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) ein eigenes Lab mit dem Titel „DPA Outreach“ initiiert. Gemeinsam mit rund 30 Expertinnen und Experten arbeitet sie daran, die Kommunikation zwischen der Werbewirtschaft und den Datenschutzbehörden zu verbessern. Im Interview spricht Streule über die größten Probleme der Publisher in Sachen Datenschutz, die Arbeit mit den Behörden und ihre Vision eines praxistauglichen Consent-Banners.

Bild: Linkedin Veronika Streule, Traffective

ADZINE: Veronika, ihr habt im BVDW das neue Lab „DPA Outreach“ gegründet. Magst du kurz skizzieren, was dahintersteckt?

Veronika Streule: Es geht darum, einen klaren Impuls Richtung Kooperation zu setzen, was die Kommunikation mit den Datenschutzbehörden betrifft. Es gibt immer wieder Handreichungen oder Ähnliches von Behörden, in denen die Belange der Werbetechnologiebranche nicht ausreichend berücksichtigt werden. Das liegt wahrscheinlich am mangelnden Verständnis für die Belange der Branche und die Technik, was ich jetzt nach drei Jahren in der Branche auch manchmal gut verstehen kann.

Dies lässt sich ändern, indem man offen miteinander spricht und sich auf ein gemeinsames Ziel fokussiert: die informationelle Selbstbestimmung. Unser Lab, das DPA Outreach, hat die Rolle, die Gespräche inhaltlich zu füttern und schriftliche Handreichungen zu erstellen. Organisiert wird der Dialog über das Politik-Team vom BVDW.

ADZINE: Sprechen wir hier nur von der Datenschutzbehörde in Deutschland?

Streule: Von der nationalen Datenschutzbehörde, aber durchaus auch von den europäischen. Wir wollen an die Stellen herantreten, wo Ergebnisse erzielt werden können.

ADZINE: Wer ist “wir”? Wer ist sonst noch dort an Bord?

Streule: Ich leite das Lab gemeinsam mit Martin Possekel von der Future Marketing GmbH, also einem Experten aus dem Advertiser-Bereich.

ADZINE: Mit wem sprecht ihr bei den Datenschutzbehörden und interessieren die sich überhaupt dafür? Die haben ja wahrscheinlich selbst genug zu tun.

Streule: Die haben ganz sicher viel zu tun, aber wir treffen hier wirklich auf offene Ohren. Wer proaktive, positive, offene Kommunikation sucht, bekommt auch hilfreichen Input zurück.

ADZINE: Was sind aktuell die größten “Pain Points” der hiesigen Publisher in Sachen Datenschutz?

Streule: Pain Point Nummer eins ist seit Jahren wiederkehrend die Frage um die Einholung einer wirksamen Einwilligung. Diese Frage ist auch gerade wieder bei der Diskussion um Pay-or-Consent-Modelle relevant geworden.

Im Endeffekt haben wir alle das gleiche Ziel: Wir wollen ein hohes Schutzniveau von Daten in Europa. Daran haben wir alle Interesse, denn wir sind ja alle auch selbst User. Es wird aber noch nicht ausreichend berücksichtigt, wie Publisher ihre Angebote finanzieren können. Ich kann ja auch nicht zu einem Kiosk gehen und eine Zeitung umsonst verlangen, weil in der Zeitung Werbung abgedruckt ist. Online wird das jedoch erwartet.

Außerdem sprechen wir viel darüber, dass die Nutzerdaten geschützt werden müssen, aber wenig darüber, wie der User seine Daten für sich gut nutzen kann. Der wirtschaftliche Wert der Nutzerdaten muss thematisiert werden.

ADZINE: Datenschutz war für die meisten Unternehmen in der Vergangenheit sicherlich ein „unbequemes“ Thema. Nun hat die DSGVO schon ein paar Jahre auf dem Buckel und nationale Ausprägungen der Richtlinien existieren auch in Deutschland bereits seit längerem. Beginnt sich die Ansicht des Datenschutzes als “notwendiges Übel” mittlerweile zu verändern?

Streule: Die Gesellschaft ist stärker für Datenschutz sensibilisiert, ja. Das ist auch notwendig, damit informierte Entscheidungen getroffen werden können. Unternehmen sind dazu übergegangen, anstatt nur irgendwelche Vorgaben umzusetzen, ohne sie zu verstehen, sie als Handwerkszeug einzusetzen.

Aber die DSGVO ist das Label des Unbequemen noch nicht ganz losgeworden und muss damit wahrscheinlich auch noch ein bisschen länger mit herumlaufen.

ADZINE: Die neue Regierung in den USA ist ja nicht gerade ein Verfechter des Datenschutzes und versucht, die heimischen Tech-Riesen zu unterstützen, wo es nur geht. Spürt man dieses Sentiment in Europa?

Streule: Man spürt eine große Unsicherheit. Aber die spürt man schon seit Jahren, denn beispielsweise werden Abkommen, die einen Datentransfer erlauben, regelmäßig für ungültig erklärt. Solche Veränderungen binden Ressourcen und schüren das Gefühl der Unsicherheit.

Die USA haben Regelungen, um ihre Big-Tech-Unternehmen zu stärken, und Europa reagiert mit härterem Datenschutz. Leider treffen diese häufig auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen. Da ist der Digital Markets Act die Ausnahme. Oft werden kleineren Unternehmen an der Stelle von der Politik allein gelassen.

ADZINE: In der Programmatic-Branche haben wir oft über die informationelle Selbstbestimmung mit Blick auf die Datenverarbeitung diskutiert. Dafür existieren Consent-Banner, die sich die wenigsten Online-Nutzer:innen tatsächlich durchlesen. Geht es besser? Wie ist das Recht auf Selbstbestimmung realistisch in der Praxis umzusetzen?

Streule: Die Branche macht sich sehr viele Gedanken darüber, wie die User besser aufgeklärt werden können. Gleichzeitig sieht sie sich einer hohen Anzahl an Anforderungen gegenüber, die auch noch ständig ergänzt, verändert, modifiziert werden, was dazu führt, dass sich die Consent-Banner wirklich aufblähen. Ich habe da den abnehmenden Grenzertrag im Kopf. Mehr Anforderungen helfen nicht, das Ziel besser zu erreichen – die Stärkung der informationellen Selbstbestimmung.

Ich bin mir sehr sicher, dass es besser geht, und besser heißt für mich in dem Fall klar einfacher. Wir müssen einen Rahmen bauen, eine Art Zaun, gemeinsam mit den Behörden. Das Baumaterial haben wir, das sind die datenschützenden Regelungen, die bereits existieren. Innerhalb dieses Zauns sollten aber tatsächlich die Technologien, die zur Verfügung stehen, und die Kreativität der Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, die Möglichkeit haben, frei zu gestalten. Wir brauchen mehr Spielraum. Bei der Vielzahl der aktuellen Anforderungen kann der Zaun sein eigenes Gewicht kaum noch halten.

ADZINE: Das klingt sehr abstrakt. Glaubst du, dass Consent-Banner noch immer die logische Konsequenz dieser Regelungen sind?

Streule: Ganz ohne Consent-Banner wird es nicht gehen. Die Frage ist, wie die genau aussehen sollten. Müssen sie wirklich so lang sein und so komplizierte Infos enthalten? Hilft das dem User wirklich, eine informierte Wahl zu treffen? Ich denke, hier gibt es Raum. Man sollte sich auch einfach mal trauen, bei null anzufangen.

ADZINE: Danke für das Interview, Veronika!

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