Datenschutz ist längst Chefsache
Anton Priebe, 30. April 2025
Mit dem Begriff Consent-Management-Plattform oder seiner Abkürzung CMP dürfte inzwischen jeder Werbetreibende vertraut sein. Das Einholen von Nutzereinwilligungen gehört heute zum Brot- und Buttergeschäft für die Marketingabteilung von Marken, die ihre eigenen Daten für das Advertising verwenden wollen. Datenschutz ist bei vielen Unternehmen inzwischen Chefsache, weiß Adelina Peltea, CMO von Usercentrics. Im Interview spricht Peltea über modernes Consent-Management und erklärt, dass das Umdenken in Richtung Datenqualität vor -quantität im vollen Gange ist.

ADZINE: Adelina, viele Jahre lang hat die Werbeindustrie auf Googles „Cookiecalypse“ hingefiebert, zu der es dann nach mehrmaligem Hin und Her doch nicht kam. Befinden wir uns jetzt im Post-Cookie-Zeitalter, oder nicht?
Adelina Peltea: Diese Frage stellen sich auch Unternehmen und Marketer immer wieder. Die seit langem beschworene „Cookiecalypse“ wirkt auf mich wie ein nie enden wollendes Serienfinale. In Wirklichkeit haben wir es hier jedoch mit einer komplexen und sich langsam entfaltenden Entwicklung zu tun – und nicht mit einem plötzlichen „Aus“. Technisch gesehen sind wir noch nicht ganz in einer Post-Cookie-Welt angekommen, aber sicherlich in einer Post-Certainty-Welt. Cookies von Drittanbietern befinden sich auf dem Abstieg. Für Unternehmen bedeutet das einen Umstieg auf digitale Systeme, die nicht von Cookies abhängig sind. Vorausschauende Marketer warten dabei nicht auf den „letzten Akt“ von Google – sie diversifizieren ihre Datenstrategie bereits jetzt und setzen auf Lösungen, bei denen der Datenschutz im Vordergrund steht. Unabhängig davon, wann die Cookies nun von der Bildfläche verschwinden: Ein Umdenken findet bereits statt.
ADZINE: Die Diskussionen darüber dürften Consent-Management-Plattformen wie euch Aufwind verschafft haben. Ist die Notwendigkeit einer CMP bei den Unternehmen in Deutschland mittlerweile angekommen, oder werben die weiterhin in ihren „veralteten“ Tech-Strukturen?
Peltea: Wir sehen hier definitiv ein Umdenken. Jahrelang wurden CMPs einfach nur als notwendiges Übel gesehen, um Compliance-Anforderungen nachzukommen. Jetzt wird aber ein Wandel spürbar, vor allem in Deutschland, wo Verbraucher sehr viel Wert auf Datenschutz legen und Aufsichtsbehörden aktiv sind. Unternehmen erkennen zunehmend, dass eine vielseitige CMP nicht nur ein rechtliches Sicherheitsnetz bietet, sondern auch grundlegend für den Aufbau von Vertrauen im digitalen Umfeld ist. Dennoch nutzt ein beträchtlicher Teil des Marktes nach wie vor veraltete Technologien, was teils auf Trägheit, teils auf mangelndes Wissen oder Bewusstsein zurückzuführen ist. Eins ist aber klar: Unternehmen, die Nutzereinwilligung nicht als Hindernis, sondern als Startpunkt für eine vertrauensvolle Kundenbeziehung sehen, werden hier in Zukunft eine Vorreiterrolle einnehmen.
ADZINE: Landen Advertiser, die ihr Consent-Management nicht modernisieren, eher in den Fängen von Big Tech? Die großen Plattformen haben es mit ihren Login-Strukturen schließlich recht leicht, die Nutzereinwilligung zu personalisierter Werbung einzuholen.
Peltea: Viele Advertiser sind sich der paradoxen Situation zunehmend bewusst: Wenn sie ihre Consent-Methoden nicht zügig modernisieren, riskieren sie eine noch stärkere Abhängigkeit von großen Plattformen wie Google und Meta. Denn diese Akteure profitieren von geschlossenen Plattformen und Login-basierten Ökosystemen, die eine nahtlose und skalierbare Einholung der Nutzereinwilligung ermöglichen. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass kleinere Advertiser machtlos sind. Es bekräftigt lediglich, dass Unternehmen ihre Vorgehensweisen überdenken müssen.
Nachhaltige Werbung basiert heute auf Vertrauen und Transparenz. Werbetreibende, die in klare, nutzerzentrierte Einwilligungsmethoden investieren, können direktere, aussagekräftigere und profitablere Beziehungen zu ihren Zielgruppen aufbauen, ohne auf Vermittler angewiesen zu sein. Dabei geht es nicht nur um die Einhaltung von Compliance-Standards. Es geht auch darum, die Kontrolle über die Customer Journey zurückzugewinnen, Datenqualität zu verbessern und für eine Zukunft mit strengeren Datenschutzvorschriften gewappnet zu sein. Unternehmen, die diesen Wandel bereits jetzt angehen, positionieren sich für langfristigen Erfolg und Resilienz in einer sich verändernden digitalen Landschaft.
ADZINE: Wie also funktioniert erfolgreiches Advertising in einer Welt, in der Tracking im Open Web des Öfteren an seine Grenzen stößt?
Peltea: Zuerst einmal geht es um Respekt gegenüber dem Nutzer. In einer Welt, in der Tracking eingeschränkt ist, beruhen die erfolgreichsten Werbestrategien auf Daten, die mit Zustimmung der Nutzer erhoben wurden, also Informationen, die Nutzer freiwillig übermitteln, weil sie der Marke bzw. dem Unternehmen vertrauen. Dies wiederum bedeutet, dass in First-Party-Daten investiert werden muss und der Fokus noch stärker auf den Mehrwert, der dem Nutzer geboten wird, gelegt werden sollte, wie zum Beispiel Treueprogramme, Premium-Inhalte oder passende Personalisierung. Eine CMP sorgt hierbei dafür, dass sämtliche Daten transparent erfasst werden. Letztlich verliert man also keine Daten, sondern gewinnt bessere – mit Kontext und Nutzereinwilligung. Ganz nach der Devise: Qualität vor Quantität.
ADZINE: Viele werden sich an die Cookie-Hinweise mit dem alleinigen Button „Alle akzeptieren“ erinnern. Inwiefern haben sich die Consent-Banner seitdem gewandelt, um rechtskonform hohe Einwilligungsraten zu erzielen?
Peltea: Die Zeiten, in denen der „Alle akzeptieren“ als Compliance-Lösung genutzt wurde, sind definitiv vorbei. Moderne Einwilligungsbanner sind intelligenter, benutzerfreundlicher und – was besonders wichtig ist – ethischer. Sie bieten Klarheit und Zugänglichkeit und ermöglichen fundierte Entscheidungen, ohne dass der Nutzer getäuscht oder zu einer Entscheidung verführt wird, die er vielleicht gar nicht bewusst treffen würde. Wir sehen zudem, dass Unternehmen Nutzern zunehmend granulare Einstellungsmöglichkeiten geben und auch vermehrt auf kontextbezogene Einwilligung setzen. So können Nutzer ihre Privatsphäre-Einstellungen ganz einfach nachvollziehen und kontrollieren. Eine gute CMP erfüllt heute nicht nur alle rechtlichen Anforderungen, sondern bietet letztlich eine Erweiterung der Marken-Erlebniswelt. Sie ist der erste Touchpoint des Nutzers mit dem Unternehmen. Wenn hier alles richtig gemacht wird, entsteht eine langfristige, vertrauensvolle Geschäftsbeziehung.
ADZINE: Datenschutz galt in Unternehmen lange Zeit als „notwendiges Übel“. Heute kann er, sauber technologisch aufgesetzt, gar als Wettbewerbsvorteil verstanden werden. Ist das schon Thema im C-Level der Marken hierzulande?
Peltea: Ja – auf jeden Fall. Bei vielen zukunftsorientierten Marken und Unternehmen ist Datenschutz nun nicht mehr nur ein Thema der IT- oder Rechtsabteilung, sondern längst Chefsache. Warum? Weil Vertrauen mittlerweile ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor ist. Beim Datenschutz geht es nicht mehr allein um Risikominimierung. Es geht um das Image einer Marke, Nutzerbindung und langfristige Kundentreue. Strategisch denkende CMOs, CIOs, CPOs und CEOs haben den Wert ethischer Datenpraktiken als Wachstumsmotor erkannt. Die Frage lautet für sie nicht mehr: „Wie können wir die Vorschriften einhalten?“, sondern „Wie gestalten wir Produkte und Erlebnisse, die nachhaltig Vertrauen bilden?“
ADZINE: Was muss geschehen, damit ein Umdenken auf breiter Ebene stattfindet?
Peltea: Drei Dinge sind entscheidend: Bildung, Zusammenarbeit und Erfolgsgeschichten. Zunächst müssen wir Datenschutztechnologien entmystifizieren – denn nicht nur IT- und Rechtsexperten sollten sich damit auseinandersetzen. Zweitens muss verstärkt bereichsübergreifend zusammengearbeitet werden: Marketing, Rechtsabteilung, Produktentwicklung und Technik müssen die gleiche Sprache sprechen, wenn es um die Einwilligungsprozesse geht. Und drittens müssen wir zeigen, wie Privacy-Led-Marketing-Strategien tatsächlich bessere Resultate liefern in Bezug auf Kundeninteraktion, Conversion-Rates und langfristiger Kundenbindung. Wenn Unternehmen erkennen, dass der Faktor Vertrauen die Performance nicht hemmt, sondern diese vielmehr vorantreibt, wird sich der Wandel definitiv durchsetzen.
ADZINE: Danke für das Interview, Adelina!
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