Die Entscheidung, wo und wann Werbetreibende ihre digitalen Anzeigen platzieren, übernimmt heute nahezu ausnahmslos eine Maschine. Diese kann jedoch nur auf der Grundlage der Informationen arbeiten, die ihr zur Verfügung gestellt werden. Die Mediaeinkäufer haben es bei der Optimierung ihrer Programmatic-Kampagnen derzeit nicht leicht, da sich die Datenwelt komplexer gestaltet denn je. Greg Endean beleuchtet im Interview, worauf es beim Einkauf von Media im Programmatic Advertising wirklich ankommt und ob Künstliche Intelligenz tatsächlich dabei unterstützen kann. Als Commercial Director EMEA des Buy-Side-Spezialisten Beeswax, der seit 2020 zur Comcast-Tochter Freewheel gehört, steckt Endean tief in der Datenwelt und kennt die Herausforderungen des Media Buying im Detail.
ADZINE: Hallo Greg, das Programmatic Advertising lebt von seiner Datengrundlage, um die besten Entscheidungen zu treffen. Vor welchen Herausforderungen stehen die Mediaeinkäufer in diesem Zusammenhang heute?
Greg Endean: Im Bereich der programmatischen Werbung stehen Mediaeinkäufer vor mehreren großen Herausforderungen: Die zunehmende Komplexität und Fragmentierung des digitalen Werbe-Ökosystems erschwert es, Kampagnen über verschiedene Plattformen und Geräte hinweg effektiv zu verwalten. Jede Plattform kann ihre eigenen spezifischen Anforderungen und Metriken haben, was den Optimierungsprozess verkompliziert und die Arbeitsbelastung erhöht.
Da sich das Verbraucherverhalten jedoch rasant weiterentwickelt, ist es von entscheidender Bedeutung, die Qualität und Relevanz der Daten sicherzustellen. Daten, die vor einigen Monaten noch genau und nützlich waren, sind heute vielleicht nicht mehr so relevant, sodass es für Mediaeinkäufer unerlässlich ist, ihre Datenquellen kontinuierlich zu validieren und zu aktualisieren.
ADZINE: Was sind die Grundzutaten für die erfolgreiche Optimierung beim Mediaeinkauf?
Endean: Der Zugang zu hochwertigen Daten ist von grundlegender Bedeutung. Diese Daten müssen genau, aktuell und für die spezifischen Ziele des Mediaeinkaufs relevant sein. Ebenso wichtig ist die effektive Integration der Daten. Eine erfolgreiche Integration ermöglicht ein umfassendes Verständnis der Zielgruppen, was wiederum die Präzision der Targeting-Strategien erhöht.
Fortgeschrittene Analysen sind ein weiteres entscheidendes Element. Sie ermöglichen es den Mediaeinkäufern, tief in die Daten einzudringen und wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Der Einsatz prädiktiver Analysen ist besonders wertvoll, da sie die Vorhersage künftiger Trends auf der Grundlage historischer Daten ermöglichen. Diese Vorhersagekraft kann dazu beitragen, Marktveränderungen und Verbraucherverhalten zu antizipieren, wodurch der Mediaeinkauf strategischer und effizienter wird.
Und, nicht zu vergessen, agile Entscheidungsprozesse: Die Medienlandschaft verändert sich schnell, beeinflusst durch Veränderungen im Verbraucherverhalten und im Medienkonsum. Agile Prozesse stellen sicher, dass sich Mediaeinkaufstrategien schnell an diese Veränderungen anpassen können, sodass schnelle, fundierte Entscheidungen getroffen werden können, um Chancen zu nutzen.
ADZINE: Warum sind verlässliche Daten zur Optimierung des Mediaeinkaufs heute schwieriger zu bekommen als zuvor?
Endean: Die schrittweise Abschaffung der Cookies von Drittanbietern durch die großen Webbrowser unterbricht die traditionellen Methoden zur Nachverfolgung des Nutzerverhaltens auf verschiedenen Websites. Infolge dieser Veränderungen besteht ein dringender Bedarf an neuen Herangehensweisen. Dazu gehört die Entwicklung innovativer Methoden zur Datenerfassung und -verwendung, die eine stärkere Nutzung von First-Party-Daten, kontextbezogene Targeting-Techniken und den Einsatz fortschrittlicher Technologien wie künstliche Intelligenz umfassen.
ADZINE: Künstliche Intelligenz wird aktuell gehypt und soll alle Bereiche unserer Arbeit revolutionieren. Beim Mediaeinkauf kommen intelligente Algorithmen zwar schon länger zum Einsatz, doch können neue KI-Modelle auch hier für eine Revolution sorgen?
Endean: Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Einführung neuer KI-Modelle diesen Bereich in mehrfacher Hinsicht revolutionieren wird. Fortschrittliche KI-Systeme ermöglichen die Entwicklung genauerer Vorhersagemodelle. Dadurch können Unternehmen das Verbraucherverhalten und die Mediennutzungsmuster besser vorhersehen. Dank der höheren Präzision können Werbetreibende ihre Kampagnen effektiver ausrichten und sicherstellen, dass die richtigen Botschaften die richtigen Zielgruppen zum optimalen Zeitpunkt erreichen.
KI verbessert auch die Personalisierung in großem Umfang. Während herkömmliche Methoden oft Schwierigkeiten haben, die Personalisierung aufrechtzuerhalten, wenn die Audience größer wird, kann KI große Datenmengen und komplexe Variablen verarbeiten. Sie kann Inhalte auf individuelle Vorlieben und Verhaltensweisen großer Bevölkerungsgruppen zuschneiden, wodurch Marketingmaßnahmen relevanter und ansprechender werden.
Was die Budgetzuweisung angeht, so analysieren KI-Algorithmen Performance-Daten in Echtzeit und passen die Verteilung der Budgets an die effektivsten Kanäle und Kampagnen an. Diese dynamische Zuteilung trägt dazu bei, den ROI zu maximieren, indem sie die Verschwendung von Mitteln für unterdurchschnittliche Platzierungen reduziert.
Aber dieser technologische Fortschritt hat auch ein wichtiges menschliches Element. Je ausgefeilter die KI-Tools werden, desto wichtiger wird es, die Teams zu schulen. Durch Investitionen in Schulungen wird sichergestellt, dass die Mitarbeiter nicht nur in der Lage sind, diese Tools effektiv zu nutzen, sondern auch, sie innovativ einzusetzen, was zu einer besseren Strategie und Ausführung von Kampagnen führt.
ADZINE: Geht der verstärkte Einsatz von KI zur Optimierung zwangsweise mit Intransparenz für die Einkäufer einher?
Endean: Der weit verbreitete Einsatz von KI in der Optimierung bringt Herausforderungen in Bezug auf die Transparenz mit sich. Eines der Hauptprobleme ist, dass KI-Algorithmen oft als „Black Box“ funktionieren, was es für die Nutzer schwierig macht, zu verstehen, wie Entscheidungen getroffen werden. Dieser Mangel an Transparenz kann zu einem Mangel an Vertrauen in die Prozesse und Ergebnisse von KI-Algorithmen führen.
ADZINE: Warum muss der Mensch überhaupt so viel Einblick haben? Reicht es nicht, wenn das Ergebnis stimmt? Google würde wahrscheinlich in diese Richtung argumentieren.
Endean: Ich denke, es ist wichtig, tiefe Einblicke in einen Prozess zu haben, anstatt sich nur auf das Endergebnis zu konzentrieren. Denn eine Optimierung der Strategie ist vor allem dann möglich, wenn man einen klaren Überblick über die einzelnen Schritte hat und Verbesserungsmöglichkeiten erkennen kann. Wie bereits erwähnt, schaffen transparente Prozesse Vertrauen bei Stakeholdern wie Investoren, Kunden und Mitarbeitern. Kurz gesagt: Das Verständnis und die Verwaltung von Prozessen bieten einen strategischen Vorteil, gewährleisten die Einhaltung von Vorschriften und schaffen Vertrauen bei allen Beteiligten. Diese ganzheitliche Sichtweise ist für den nachhaltigen Erfolg und die Integrität eines jeden Unternehmens unerlässlich.
ADZINE: Welche Entwicklungen siehst du im Mediaeinkauf voraus?
Endean: Wenn man über die Zukunft des Mediaeinkaufs nachdenkt, wird die Rolle der Technologie, insbesondere der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens, immer entscheidender. Mit der Weiterentwicklung dieser Technologien sehen wir eine nahtlose Integration von KI in die Mediaeinkaufslandschaft. Das bedeutet, dass Kampagnen in Echtzeit optimiert werden können, was die Effizienz und Effektivität erhöht. KI-Algorithmen können das Verbraucherverhalten vorhersagen, Targeting-Strategien verfeinern und letztlich bessere Ergebnisse für Werbetreibende erzielen.
Dies ist auch ein Vorbote für einen weiteren Trend: Käufer und Verkäufer wollen möglicherweise die Zahl der Vermittler reduzieren und direkter miteinander in Kontakt treten. Indem sie engere Beziehungen anstreben, könnten sie DSPs und SSPs umgehen.
Eine weitere wichtige Entwicklung sind die Fortschritte bei den Data-Management-Plattformen. Diese Plattformen werden immer ausgefeilter und ermöglichen die flexible Nutzung von Echtzeitdaten. Dadurch können Werbetreibende schnellere und fundiertere Entscheidungen treffen, die sich eng an die sich verändernde Marktdynamik und die Vorlieben der Verbraucher anpassen. Es geht darum, das Potenzial von Big Data voll auszuschöpfen und sicherzustellen, dass der Medieneinkauf so zielgerichtet und zeitnah wie möglich erfolgt.
ADZINE: Baut sich jedes Media-Team also bald seinen eigenen Bidder?
Endean: Der Gedanke, dass jedes Medienteam seinen eigenen Bidder hat, hat etwas Faszinierendes! Realistischerweise werden jedoch nicht alle Teams diesen Weg einschlagen, vor allem aufgrund der begrenzten Ressourcen und des Fachwissens, die für ein solches Unterfangen erforderlich sind. Es gibt jedoch einen klaren Trend in der digitalen Werbung hin zu individuelleren Lösungen. Teams nutzen zunehmend Tools, die ein hohes Maß an Individualisierung ermöglichen. Dieser Trend spiegelt eine wachsende Vorliebe für maßgeschneiderte Strategien wider, die speziell auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele eines jeden Teams zugeschnitten sind, anstatt sich auf Einheitslösungen zu verlassen. Das ist viel effizienter, als viel Zeit, Geld und Nerven in die Entwicklung eigener Systeme zu stecken.
ADZINE: Danke für das Interview, Greg!
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