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CONNECT

Grüne Werbung in Deutschland – viel Bewegung, aber auch Unklarheit

Anton Priebe, 24. May 2024
Bild: Jay Mantri – Unsplash

Die Diskussionen um Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles Handeln finden schon lange auf politischer und gesellschaftlicher Ebene statt. Die daraus resultierenden Forderungen drängen seit einigen Jahren zunehmend auch in die Werbeindustrie. Das Urteil, wie groß der Einfluss von Werbeanzeigen auf Umwelt und Gesellschaft ist, lässt sich allerdings nur sehr schwer fällen. Bis eine Anzeige ausgespielt wird, sind zahlreiche Schritte von unterschiedlichen Akteuren notwendig, und noch komplizierter wird es im programmatischen Bereich. Außerdem ist die Messung der Effekte nicht trivial. Auch auf der ADZINE CONNECT wird Responsible Media eine bedeutende Rolle spielen. Im Vorfeld der Konferenz möchten wir einen Einblick in die Thematik geben.

Bild: Doubleverify Michael Fuhrmann, Doubleverify

“Der CO2-Ausstoß von digitaler Werbung rückt immer mehr in den Fokus der Marken”, kann Michael Fuhrmann, Regional VP DACH & CEE von Doubleverify, beobachten. Der Adtech-Anbieter arbeitet seit Jahren an der Messung von CO2-Emissionen und hat bereits 2022 eine entsprechende Lösung auf den Markt gebracht. Unterstützt wurde der Mess- und Analyse-Dienstleister dabei vom CO2-Spezialisten Scope3. “Digitale Werbung verursacht einen erheblichen ökologischen Fußabdruck”, so Fuhrmann. Laut der Studie “Environmental impact assessment of online advertising“ aus dem Jahr 2018 entfallen rund 10 Prozent des Energieverbrauchs im Internet auf Online-Werbung. Marken könnten mittlerweile den Druck von Verbrauchern spüren, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren, einschließlich der durch digitale Werbung verursachten Emissionen, sagt Fuhrmann.

Agenturen arbeiten an eigenen Lösungen

Bild: GroupM Nadja Schick, GroupM

Diesen Druck bekommen sicherlich auch die Agenturen zu spüren. Eine der Vorreiterinnen auf dem Feld der Nachhaltigkeitsstrategien ist die GroupM, hinter der die WPP Holding steht. “Wir definieren unseren Fußabdruck auf zweierlei Arten: direkter Einfluss auf Natur und Planeten durch CO2-Emissionen im Zuge unserer Tätigkeit und indirekt durch den Einfluss unserer Arbeit auf Menschen und die Gesellschaft”, erklärt Nadja Schick, Managing Partner der GroupM Deutschland. “Es liegt an uns, eine Balance zwischen den Bedürfnissen der Marken und den Anforderungen der Nachhaltigkeit zu finden. Unsere Vision ist es daher, innovative Lösungen zu entwickeln, die den Erfolg von Marken fördern und zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen.”

Für die Entwicklung der Lösungen müssen zunächst die Punkte identifiziert werden, an denen angesetzt werden kann. Bei der WPP Holding machen die direkten Emissionen weltweit nur 1,7 Prozent der Gesamtemissionen aus, während 98,3 Prozent aus der Lieferkette resultieren. Die Emissionen der Holding sind zu 55 Prozent auf Media zurückzuführen, das Kerngeschäft der GroupM. “Bei der Evaluation unseres Media-CO2-Fußabdrucks haben wir bereits einige Fortschritte gemacht. Wir nutzen verschiedene Methoden und Tools, um unsere Emissionen zu erfassen, einschließlich globaler Standards wie dem Greenhouse Gas Protocol”, so Schick. Es gebe allerdings noch Optimierungsbedarf und hapere vor allem an einer industrieweiten einheitlichen Messmethodik für Media-Aktivitäten. Die GroupM erhebt ihren lokalen Fußabdruck und bricht ihn auf Kanalebene herunter.

Die Schwerpunkte bei der Vermeidung und Reduktion der Emissionen liegen auf dem Einsatz erneuerbarer Energien, der Reduzierung von Abfall, der Auswahl umweltfreundlicher Media- und Produktionspartner und der Optimierung von Facilities sowie IT-, Tool- und Tech-Infrastruktur. “Um die Emissionen innerhalb unserer Lieferkette zu optimieren, konzentrieren wir uns auf den Aufbau einer Tool-Infrastruktur, die es uns ermöglicht, Mediaemissionen zu forecasten, zu bilanzieren und zu optimieren. Die Kerntools sind unser CO2-Rechner, unser Vendor Explorer (Partner Data Collection Plattform) und Schnittstellen zu unseren Planungstools”, sagt die Agenturfachfrau. Die Hebel für die Mediaagentur seien vor allem die Art und Weise, wie Werbung erstellt und ausgespielt wird. Besonders Potenzial sieht Schick in den Bereichen Mediamix, Buying und Processes, Production, Format und Vendor Management. “Bis 2025 streben wir eine Reduktion der betrieblichen Emissionen (Scope 1 & 2) um 84 Prozent an und den Einsatz von 100 Prozent erneuerbarer Energiequellen. Bis 2030 wollen wir eine Reduktion von mindestens 50 Prozent der Lieferkette (Scope 3) erreichen.”

Wie grün ist die Außenwerbung?

Bild: IDOOH Frank Goldberg, IDOOH

Die Frage nach der Rolle der ausgewählten Werbekanäle bei der Emissionsreduktion beschäftigt nicht nur die Agenturen. Wie erreichen Werbeanzeigen Verbraucher:innen möglichst effizient? Frank Goldberg, Geschäftsführer des Institute for Digital Out of Home Media, betrachtet seinen Kanal aus der Verbandsperspektive und betont dessen Umweltfreundlichkeit. Das IDOOH wurde von Ströer, Goldbach und dem Digital Media Institute (DMI) gegründet, mittlerweile ist auch Walldecaux als Partner dabei. Knapp 50 Unternehmen aus der digitalen Außenwerbung organisieren sich in dem Verbund.

“Tatsächlich ist Digital-Out-of-Home bereits ‘grüner’ als die meisten anderen Medien”, erläutert Frank Goldberg. “Laut dem öffentlich zugänglichen Green-GRP-Rechner, den Mediaplus gemeinsam mit Climate Partner entwickelt hat, emittiert DOOH nur 5 bis 6 Gramm CO2 je 1.000 Kontakte.” Bei anderen, vor allem den klassischen Medien, seien die Werte zum Teil um ein Vielfaches höher. So komme lineares TV auf 828 Gramm pro 1.000 Kontakte und eine Zeitung im Nordischen Format sogar auf 9.067 Gramm pro 1.000 Kontakte. Das habe laut Goldberg auch seinen Grund. “Zum einen werden mittlerweile fast alle DOOH-Screens mit Ökostrom betrieben. Zudem arbeiten die Hardware-Produzenten permanent daran, den Energieverbrauch der Screens zu senken.” Mittlerweile sei eine Energie-sparsamere Screen-Generation auf dem Markt. Außerdem achte man darauf, die Lebensdauer der Werbeträger zu verlängern und Hardwarekomponenten zu recyceln. Die Energiekrise vor zwei Jahren habe das Bewusstsein der Anbieter für das Thema geschärft. Viele DOOH-Netze würden freiwillig nachts abschalten und auch tagsüber würden die wenigsten Screens auf voller Leistung laufen.

Ein weiterer Grund liegt in der Natur der Sache, denn DOOH ist ein reichweitenstarkes One-to-Many-Medium. “Während One-to-One-Medien einen Spot für jeden einzelnen Kontakt jedes Mal neu ausspielen und auf die Devices laden müssen, erzielt eine einzige Spotausstrahlung auf DOOH gleich zahlreiche Kontakte auf einmal”, erklärt der Außenwerbespezialist. Im Programmatic-Bereich kämen für One-to-One-Medien für jeden Kontakt Biet-, Einkaufs- und Ausspielungsprozess hinzu.

Die Außenwerbebranche arbeitet laut Goldberg daran, noch umweltfreundlicher zu werden. Das IDOOH feilt dazu gemeinsam mit dem Fachverband Aussenwerbung (FAW) an Lösungsansätzen zur weiteren Verringerung ihres CO2-Fußabdrucks. ”Schon leichte Verschiebungen im Media-Mix können den Carbon-Footprint eines jeden Werbeauftritts verkleinern, ohne dass die Kampagnen-KPIs darunter leiden müssen. Und auch bei den Creatives sorgen beispielsweise der Einsatz von KI oder Fotoshootings im Inland statt im fernen Ausland für eine bessere Ökobilanz.”

Status quo der grünen Werbung in Deutschland

Bild: Ubirch Stephan Noller, Ubirch

Die Werbeindustrie arbeitet also weiterhin an Methoden und Standards, um Daten messen und beurteilen sowie letztlich die Emissionen optimieren zu können. In Deutschland ist der Status quo schwierig zu erfassen. “Es fühlt sich an wie der deutsche Online-Markt, bevor 2004 eine einheitliche Reichweitenwährung eingeführt wurde”, urteilt Stephan Noller, CEO von Ubirch. Sein Unternehmen bietet eine Plattform für Nachhaltigkeitsberichte, die Daten für ESG- und CSR-Ansätze aus unterschiedlichen Quellen erheben und zur Verfügung stellen kann. Dahinter stecken die Environmental Social Governance und Corporate Social Responsibility, deren Reporting in Teilen für große börsennotierte Unternehmen bereits verpflichtend sind. Noller sieht diverse Aktivitäten, aber auch ziemlich viel Chaos und Unklarheit. “Der Kraftschluss einer einheitlichen Vorgehensweise fehlt noch, was auch bedeutet, dass bisher vielleicht 1 Prozent des klimaschützenden Potenzials gehoben wird.”

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