Adtech der Topvermarkter auf einen Blick: Abhängigkeiten nehmen ab
Karsten Zunke, 9. April 2024Der Wunsch nach effizienter Vermarktung bei gleichzeitig weniger Abhängigkeit von Big Tech prägt die Entwicklung der Adtech-Stacks der großen Online-Vermarktungshäuser in Deutschland. Wirft man einen Blick auf die aktuell genutzten Werbetechnologien, wird deutlich: Google ist omnipräsent. Allerdings diversifizieren die Vermarkter peu à peu ihre Stacks, um flexibler agieren zu können. Einige positionieren sich sehr deutlich für das offene Internet. Vor vier Jahren hatte Adzine den zweiten Überblick zur eingesetzten Adtech geliefert, nun folgt der dritte. Die Abhängigkeit von Google-Technologien ist seitdem etwas zurückgegangen – und das könnte sich auch in Zukunft fortsetzen.
Adserver für das Display Advertising sind wahre Urgesteine der Online-Werbevermarktung und ein wesentlicher Bestandteil jedes Adtech-Stacks der Online-Vermarkter. Bei der Wahl des Adservers für Displaywerbung ist die aktuelle Vermarkter-Landschaft hierzulande nahezu zweigeteilt: Während die einen ausschließlich den Google Ad Manager nutzen, haben andere auch Alternativen am Start. So nutzen Quarter Media, Funke Digital, Sevenone Media und die Ad Alliance für das Display Advertising ausschließlich den Google Ad Manager (GAM). Burda Forward, Media Impact und IQ Digital setzen im Display-Bereich hingegen auch auf Microsoft Xandr und Ströer Media Solutions ergänzt die Google-Technologie mit einer eigenen Lösung.
Adtech: Flexibilität ist gefragt
United Internet Media (UIM) setzt bereits seit vielen Jahren auf den europäischen Anbieter Adition als seinen primären Adserver. Im Umfeld der vermarkteten E-Mail-Portale Web.de und GMX bietet UIM Werbeformate mit First-Party-Daten von monatlich rund 38 Millionen aktiven Usern an – alleine in der DACH-Region. „Deshalb ist es wichtig, Werbetechnologie individuell und flexibel nach unseren Vorstellungen einsetzen zu können. Nur so können wir die notwendigen Entscheidungslogiken selbst und vom Demand Channel unabhängig definieren“, erläutert Alexander Peischl, Head Programmatic, Yield & Ad Technology bei United Internet Media. Bei UIM hat man die Erfahrung gemacht, dass sich eine gewisse Unabhängigkeit von globalen Anbietern mittel- und langfristig auszahlt.
Auch bei Ströer Media Solutions sind Google-Lösungen vergleichsweise selten anzutreffen. „In den vergangenen Jahren haben wir unsere Unabhängigkeit deutlich ausgebaut. Google ist nicht mehr unsere primäre Nachfragequelle und die Entscheidung über die Verwendung der Ad Impressions liegt bei uns“, sagt Matthias Hanau, VP Programmatic Supply bei Ströer Media Solutions. Auch künstliche Intelligenz kommt hier zum Einsatz. So kann der Vermarkter die Relevanz einer Ad Impression prognostizieren und Google wird berücksichtigt, wenn dies zum Yield beiträgt. Neben Adserver und SSP setzt Ströer auch bei DMP und CDP auf eigene Adtech-Lösungen.
SSPs: Viel Wettbewerb, höhere Erlöse
Bewegung gibt es auch bei den angeschlossenen SSPs. Funke Digital nutzt beispielsweise den Google Adserver und die darin enthaltene Google Ad Exchange. „Der Google Demand hat immer noch den größten prozentualen Anteil in der programmatischen Welt. In den letzten vier Jahren ist jedoch der Konkurrenzdruck durch andere SSPs und Integrationen wie Amazon TAM und Prebid gestiegen“, sagt Alexander Voss, Director Adtech & Monetization.
Wenn sich die Anzahl der SSP-Anbieter erhöht, führt das zu mehr Wettbewerb und mitunter auch zu besseren Preisen.
So arbeitet der Online-Vermarkter Quarter Media neben der Nachfrage aus der Google Ad Exchange schon seit vielen Jahren auch mit anderen Nachfragepartnern – und deren Anteil ist kontinuierlich gestiegen. „Durch den höheren Wettbewerb durch andere Anbieter/Nachfrager steigen auch die Preise, die wir in der Google Ad Exchange erzielen, was vorteilhaft ist“, sagt Tibor Gaddum, Geschäftsführer von Quarter Media. Um für die Publisher optimale Erlöse zu erzielen, haben viele Vermarkter zusätzlich spezielle Yield-Optimierungstools in ihre Stacks integriert.
Kleine Veränderungen, feine Wirkung
Im Vergleich zur letzten Adzine-Abfrage im Jahr 2020 haben Vermarkter bei den Basis-Technologien jedoch keine grundlegenden Wechsel vollzogen. Nichtsdestotrotz werden die Adtech-Stacks regelmäßig auf den Prüfstand gestellt und optimiert. Meist sind es kleine Veränderungen, mit denen das Vermarktungsangebot feinjustiert wird. Um die Zukunftsfähigkeit zu gewährleisten, hat IQ Digital beispielsweise seine CDP vom Adobe Audience Manager auf die Adobe Real-Time CDP umgestellt. Bei Burda Forward ist man bestrebt, beim Headerbidding primär auf die Prebid-Server-Lösung zu migrieren. Aktuell gibt es dort noch drei Partner, die über Client-Side Prebid.js angebunden sind. Und Funke Digital hat seine Lösung FUX – eine proprietäre Technologie für kontextuelles Keywordtargeting – mit dem GAM integriert. Auch die Nachfrage nach First-Party-Daten beschäftigt die Vermarkter. So haben seit unserer letzten Adzine-Umfrage beispielsweise die Teams bei Media Impact einen First-Party-Data-Stack aufgebaut. Hierfür hat man unter anderem eng mit seinen Partnern 1plusx und Infosum zusammengearbeitet. Da der Vermarkter seine unabhängigen und eigenständigen Adtech-, Daten- und Infrastrukturlösungen verwendet, sieht er sich nun in einer sehr guten Position für künftige Herausforderungen.
Neue Schnittstellen für mehr Unabhängigkeit
Die Abhängigkeit von US-Tech, insbesondere von Google, dürfte weiterhin ein Thema für die Top-Vermarkter sein. Man darf daher davon ausgehen, dass sich der Tech-Stack weiter differenzieren wird. Auch die Zusammenarbeit von Vermarktern und Tech-Anbietern kann helfen, große Reichweiten aus einer Hand zu liefern, ohne auf Walled Gardens angewiesen zu sein. Die Medienhäuser RTL Deutschland und Prosiebensat.1 zeigen, was möglich ist: Sie kooperieren seit Kurzem im Bereich der Werbetechnologien. Einzelne Technologiekomponenten der Adtech-Beteiligungsgesellschaften von RTL Deutschland und Prosiebensat.1 werden künftig technisch miteinander verknüpft – speziell die Adtech von Smartclip aufseiten von RTL Deutschland und Virtual Minds aufseiten von Prosiebensat.1. In der Adzine-Adtech-Übersicht ist bei den Vermarktern der beiden Medienhäuser, Sevenone Media (Prosiebensat.1) und der Ad Alliance (RTL), der aktuelle Status quo wiedergegeben. Über neue Adtech-Schnittstellen sollen künftig übergreifende Werbekampagnen über die Plattformen beider Sendergruppen möglich sein. Damit würde die europäische Adtech gestärkt und die Abhängigkeit von Big Tech aus Übersee verringert. Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein.
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