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Das höchste Gut für Publisher und die Herausforderung, damit umzugehen

Anton Priebe, 2. Februar 2024
Bild: BillionPhotos.com – Adobe Stock

Publisher wandern bei der Werbevermarktung schon immer einen schmalen Grat entlang. Sie müssen den Besuch auf ihren Seiten so angenehm wie möglich gestalten, aber gleichzeitig mit den Usern auch Geld verdienen. Die Advertiser hingegen wollen möglichst effektive Anzeigen schalten. Doch die Monetarisierung von Besucher:innen mithilfe von datengetriebener Werbung wird mit dem zunehmenden Fokus auf Privatsphäre im Netz nicht einfacher. Die Werbeplattform MGID, die in der Ukraine gegründet wurde und global agiert, hilft mit Native Advertising und kontextueller Intelligenz dabei, die Interessen der Medien, Werbetreibenden und Nutzer:innen unter einen Hut zu bekommen. Im Interview nennt Swen Büttner, Head of Publisher Acquisition Germany von MGID, die größten Baustellen der Publisher in der heutigen Zeit und zeigt Lösungen dafür auf.

Bild: MGID Swen Büttner, MGID

ADZINE: Swen, mit welchen großen Herausforderungen müssen sich die deutschen Publisher derzeit herumschlagen?

Swen Büttner: Eine der Herausforderungen liegt in dem Balanceakt, Usern einerseits eine vertrauenswürdige Umgebung, andererseits aber auch ein komfortables Nutzererlebnis und entsprechenden Mehrwert zu bieten. Richtlinien zu Datenschutz und Privatsphäre müssen kommuniziert werden, während Verbraucher gleichzeitig dazu aufgefordert werden sollen, persönliche Informationen zu teilen.

Für Publisher ist es von entscheidender Bedeutung, die Zahl der User mit Consent zu erhöhen, um die Nutzerbindung zu verbessern und First-Party-Daten skalierbar aufzubauen. Diese werden für die Buy-Side zwangsläufig immer wichtiger, da Third-Party-Daten immer schwieriger zu erhalten sind. Belastbare First-Party-Daten fließen auch in Algorithmen für Personalisierung und Content-Empfehlungen ein. Dadurch kann ein positiver Kreislauf aus Nutzerbindung und Datenerhebung entstehen.

Ein weiteres Gleichgewicht, das die Publisher finden müssen, ist letztlich eine Art ewige Herausforderung: Es geht um das perfekte Verhältnis aus Werbeplatzierungen und Formaten auf der Webseite in Relation zum Content und dem damit verbundenen Nutzererlebnis. Kurzfristig wird eine hohe Werbedichte zwar sicher zu höheren Einnahmen führen. Auf lange Sicht ist durch eine Maximierung der Werbung, eventuell sogar noch mit überlagernden oder unterbrechenden Elementen, aber definitiv von einem signifikanten Verlust an Usern und damit Umsätzen auszugehen. Mir fallen da sofort einige Beispiele ein, bei denen der Nutzer irgendwann leider vergessen wurde.

ADZINE: Stimmt, der Grat zwischen maximaler Monetarisierung und gelungener User Experience ist seit jeher schmal. Zu viele Ads stören die Besucher:innen nicht nur, sie bremsen auch die Website-Performance aus. Gibt es ein Patentrezept, dem Publisher folgen können, um den Königsweg zu finden?

Büttner: Besucher sollten eigentlich immer das höchste Gut für Publisher sein. Die Bindung der User an die Website und das Sicherstellen ihrer regelmäßigen Rückkehr müssen daher natürlich neben der Akquise immer die Basis sein, um die herum alle anderen Strategien aufgebaut werden. Bei sehr engagierten Usern können dann weniger, gleichzeitig aber effektivere Ads geschaltet werden. Und es eröffnen sich zusätzliche Monetarisierungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Abos, was die Notwendigkeit für eine hohe Werbedichte weiter reduzieren kann.

Aus redaktioneller Sicht bieten kontextuelle Lösungen den Vorteil einer thematischen Anpassung der Ad-Gestaltung und des umgebenden Contents. Für die User kann sich dies deutlich natürlicher und stimmiger anfühlen, als beispielsweise beim Lesen eines Artikels über die besten saisonalen Urlaubsziele Werbung für ein Sofa zu sehen.

Auch ästhetische Aspekte sollten keinesfalls vernachlässigt werden. Gut integrierte native Werbung, die sich elegant in eine Seite einfügt, ist optisch weit weniger aufdringlich als blinkende Banner oder Slots, die mitten auf einer Seite geladen werden und den Text unregelmäßig unterbrechen und im schlimmsten Fall springen lassen.

ADZINE: Marken haben stets Brand Safety im Blick und verlassen sich auf die entsprechenden Tools der Messdienstleister. News-Publisher stehen daher vor dem Problem, dass sich nicht alle Umfelder monetarisieren lassen. Ergibt sich hieraus ein Spannungsfeld, wenn Publisher bestimmte Themen nicht mehr angehen, da sie sich finanziell nicht für sie lohnen?

Büttner: News-Publisher finden sich tatsächlich regelmäßig auf der falschen Seite der Verifizierungs-Tools wieder. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Studien, die zum einen die Vorteile von Werbung auf den Seiten von Premium-Publishern hervorheben und zum anderen darauf hinweisen, dass Umfelder mit “negativen” Nachrichten keinen entsprechend negativen Einfluss auf die Wahrnehmung der Marken haben. Wichtig ist allerdings, dass es sich dabei tatsächlich um ein Premium-Umfeld handelt. Im Idealfall verhindert eine strikte Trennung zwischen Redaktion und Werbung, dass solche Aspekte die Ausrichtung der Inhalte beeinflussen. Ehrlicherweise ist die Realität in manchen Fällen jedoch schon etwas vielschichtiger.

In der Praxis wirkt sich dies für die bekannteren großen Publisher eher weniger aus, da sie meist in entsprechenden “Whitelists” vertreten sind – für kleinere und mittlere Publishern sieht das aber schon ganz anders aus, vor allem, wenn sie Nischen-Zielgruppen bedienen oder sich auf Minderheiten-Themen fokussieren. Solche Publisher sind überproportional von einfachen, auf Blocklisten basierenden Brand-Safety-Tools betroffen, während sie gleichzeitig in der Regel am stärksten von programmatischen Einnahmen abhängig sind.

ADZINE: Wie könnte man aus der Publisher-Perspektive gegen diese Problematik vorgehen?

Büttner: Durch die rasante Weiterentwicklung der KI steht inzwischen eine neue Generation von kontextbasierten Brand-Safety-Lösungen zur Verfügung, die in der Lage sind, auch Nuancen des Contents zu verstehen. Durch kontextuelle Brand Safety lässt sich verhindern, dass Advertiser legitime Publisher ausschließen. Dies führt letztendlich dazu, dass entsprechende Publisher ihre Inhalte besser monetarisieren können.

ADZINE: Eine weitere Herausforderung der Publisher, die du bereits angesprochen hast, ist die Monetarisierung der Besucher:innen, die den Consent zur Datenverarbeitung verweigern. Wie hoch ist der Anteil der Consent-Verweigerer erfahrungsgemäß in Deutschland?

Büttner: Der Anteil der “Verweigerer” erreichte kurz nach der Einführung der entsprechenden Richtlinien einen absoluten und auch kritischen Höchststand. Mit der zunehmenden Verbreitung von Paywalls und einer deutlichen Kommunikation der Hintergründe und Vorteile der Datenweitergabe durch die Publisher und mehr Verständnis bei den Usern sind die Zahlen aber wieder deutlich rückläufig.

Allerdings sind diesbezüglich auch große Unterschiede zwischen den einzelnen Publishern zu beobachten. Ist der Anteil an Usern ohne Einwilligung sehr hoch, kann es ratsam sein, sich die Consent-Strategien anderer, vergleichbarer Marktteilnehmer näher anzusehen, um von deren Vorgehensweise gegebenenfalls zu lernen.

ADZINE: Wie lässt sich Non-Consent Traffic effektiv monetarisieren?

Büttner: Generell ist kontextbezogene Werbung der Schlüssel zur Monetarisierung von Non-Consent-Traffic. Werden Anzeigen auf der Basis des jeweiligen Contents anstatt von personenbezogenen Daten ausgeliefert, wird die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen zwangsläufig gewährleistet. Außerdem können Publisher Verhaltensdaten ihrer Nutzer mit Consent dazu verwenden, um anonymisierte Zielgruppenmodelle zu erstellen. Auch dies kann das Targeting optimieren, ohne den Datenschutz zu gefährden.

Darüber hinaus kann oder sollte auch eine Diversifizierung der Einnahmequellen dazu beitragen, die Abhängigkeit von klassischen Ads zu reduzieren. Dazu zählen beispielsweise Abos, Sponsored Content oder Affiliate-Marketing.

ADZINE: Welche Herausforderung für Publisher siehst du am Horizont, die noch keiner auf dem Schirm zu haben scheint?

Büttner: Mit Blick auf die damit verbundenen Chancen habe ich das Thema KI ja bereits erwähnt. Allerdings sollte man im gleichen Zuge auch die möglichen Risiken für Publisher im Auge behalten. Schon jetzt ist erkennbar, dass Lösungen und Produkte wie zum Beispiel Googles Search Generative Experience oder die Einbindung von Chat GPT in Bing das Potenzial haben, Publisher noch weiter vom Consent abzukoppeln. Dazu kommt, dass das geistige Eigentum der Publisher gegen ihren Willen oder – wie es zunehmend der Fall ist, da die Verlage ihre Rechtsdokumente entsprechend aktualisieren – sogar explizit im Widerspruch zu ihren Nutzungsbedingungen verwendet wird. Nicht viele Verlage sind etwa in der Position der Axel Springer S.E. und können entsprechende Verträge mit den Anbietern abschließen.

Dazu kommt ein noch weiter steigendes Risiko durch rein für Werbezwecke entwickelte Websites, sogenannte MFAs. In den USA greifen Seiten aus diesem Segment bereits ein Fünftel der Werbeausgaben ab – eine durchaus bemerkenswerte Zahl. Bislang mussten sich solche Domains in der Regel auf Content-Farmen verlassen, um optimierte, aber letztlich “mehrwertlose” Texte zu produzieren. Jetzt haben diese Seiten durch die Nutzung generativer KI die Möglichkeit, ihre Prozesse nochmals zu optimieren und damit den Kampf um die Werbespendings weiter zu verschärfen. Es wird daher Innovationen im Bereich der Brand-Safety-Tools brauchen – die ziemlich wahrscheinlich selbst wiederum auf KI basieren – um MFAs wirksam herauszufiltern und aus dem Vermarktungs-Portfolio zu entfernen.

In einem breiteren gesellschaftlichen Kontext hat KI zudem das Potenzial, das Vertrauen der Menschen in Online-Informationen zu untergraben. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Fake News und Fehlinformationen ohnehin schon dafür sorgen, dass eine gemeinsame Sicht auf die Realität immer schwieriger wird. Publisher sollten daher KI bei der Erstellung von Inhalten immer bewusst und begleitend einsetzen. Denn wenn sich per Knopfdruck guter und auf den ersten Blick überzeugender, aber nicht verifizierter Content produzieren lässt, werden wirklich überprüfbare und von Menschen recherchierte und verfasste Artikel perspektivisch zunehmend an Wert gewinnen.

ADZINE: Danke für das Interview, Swen!

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